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Nachrichten.

Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. Von E. Dümmler.

Die 22. Plenarversammlung der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica wurde in diesem Jahre vom 9. bis 11 April in Berlin abgehalten. Im Laufe des Jahres 1895/96 erschienen

in der Abteilung Auctores antiquissimi:

1. Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. ed. Th. Mommsen II, 2, (= A. a. XIII, 2);

in der Abteilung Scriptores:

2. Deutsche Chroniken I, 2 (der Trierer Silvester, das Annolied);

3. Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad annum 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, recogn. F. Kurze;

4. von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Bd. XXI, herausgegeben von H. Breßlau.

Unter der Presse befinden sich ein Folioband, 8 Quartbände.

In der Sammlung der Auctores antiquissimi steht nur noch die demnächs zu erwartende Schlußlieferg. d. 3. Chronikenbandes aus. Ein ausführliches Register über alle 3 Bände ist Dr. Lucas in Charlotienburg übertragen worden. Im Anschluß an diese Chroniken hat Prof. Mommsen seit dem Sommer 1895 die Ausgabe des ältesten Teiles des Liber pontificalis bis auf Constantinus I († 715) übernommen und zum Zwecke einiger Nachvergleichungen im Januar eine Reise nach Italien angetreten. Vorstudien für diese seit Jahrzehnten vorbereitete Ausgabe bringt das Neue Archiv. Der Beginn des Druckes ist für den nächsten Sommer in Aussicht genommen.

In der Reihe der Scriptores ist der Druck der merowingischen Heiligenleben im 3. Bd. der SS. rerum Merovingicarum durch Dr. Krusch ununterbrochen sortgeschritten und hat mit Cäsarius von Arles festen historischen Boden erreicht. Die Vollendung des Bandes darf noch in diesem Jahre erhofft werden.

Der 3. Band der Schriften zum Investiturstreite ist seit vorigem Sommer in Fluß gekommen; an Stelle des früher dafür thätigen Dr. Dieterich ist Dr. H. Böhmer als neuer Mitarbeiter seit dem 1. Mai eingetreten. Den bedeutendsten Anteil hat jedoch an diesem, wie an dem vorhergehenden Bande Dr. Sa durin Straßburg, zumal durch die Bearbeitung von Auszügen aus Gerhoh von Reichersberg.

Nach einigen Schriften aus der Zeit Heinrichs V, darunter zwei von dem bekannten Honorius von Autun, tritt nunmehr der Streit Friedrichs I mit Alexander III in den Vordergrund. Erst nach den darauf bezüglichen Stücken soll dann eine Anzahl von Nachträgen auch für das 11. Jahrh. sich anschließen, deren Umfang sich umsoweniger übersehen läßt, als auch Dr. Hampe in England noch einige bisher unbekannte Abhandlungen über die Priesterehe aufgefunden hat.

Der Druck des 30. Foliobandes der alten Reihe der Scriptores ist nach längerer Unterbrechung seit Dezember wieder aufgenommen worden und zwar mit der Chronik des Erfurter St. Petersklosters. Die ausführlichen vorbereitenden Untersuchungen zur Entwirrung der thüringischen Geschichtsquellen des späteren MA., welche Prof. HolderEgger im Neuen Archiv niedergelegt hat, haben die Ausgabe zwar wesentlich verzögert, aber auch entlastet. Neben den Ergebnissen, welche dieselben für den vorliegenden Band gehabt haben, sollen sie auch einem schon früher beschlossenen Bande von Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV in der Reihe der Handausgaben zu gute kommen, dessen Druck im Sommer beginnen wird. Eine Reise nach Thüringen im September 1895 diente ebenfalls diesen Studien. Für die zweite Hälfte des 30. Bandes sind Nachträge zur Ottonischen und Salischen Zeit bestimmt, u. a. des Rangerius Vita Anselmi und des Abtes Desiderius Miracula S. Benedicti. Dr. Böhmer nimmt auch für diese Partie als Helfer die Stelle des Dr. Dieterich ein, während ein neuer Mitarbeiter, Dr. Eberhard aus Gießen, nach seinem für den Sommer bevorstehenden Eintritt an den italienischen Chroniken des folgenden Bandes mitarbeiten soll.

In der Reihe der deutschen Chroniken ist Schröders Ausgabe der Kaiserchronik in erwünschter Weise durch den damit zusammenhängenden Trierer Silvester und das schon lange sehnlich erwartete Annolied ergänzt worden. In dem 3. Bande gelangte der Text von Enikels Fürstenbuch durch Prof. Strauch in Halle zum Abschluß, und es wurde als Anhang das von Dr. Joj. Lampel in Wien herausgegebene Lesterr. Landbuch gedruckt. Somit erübrigen nur noch Register und Einleitung, die im Laufe des Jahres nachfolgen werden. An dem 6. Bande hat Prof. Seemüller in Innsbruck seine Thätigkeit mit Eifer fortgesezt und auf einer Reise nach England im Frühjahr 1895 sowie nach Oberösterreich weitere His. des Hagen ausgebeutet, auch die Zwettler Denkmäler an Ort und Stelle bearbeitet, doch werden noch fernere Studien in Wien und München nötig sein, um den Umkreis dieser Chroniken genauer festzustellen. Die von Dr. Heinr. Meyer in Göttingen unter Leitung des Prof. Röthe herauszugebenden politischen Sprüche und Lieder in deutscher Sprache sind in regelmäßigem Fortschritt begriffen und zeigen einen wachsenden Reichtum an Material. Prof. Holland in München hat seine in früherer Zeit dafür angelegten Sammlungen zur Verfügung gestellt.

Die Abteilung Leges hat am 9. März durch den Tod ihres Mitarbeiters Dr. Viktor Krause (s. oben S. 470) einen Verlust erlitten, wodurch wieder der 2. Band der Capitularia regum Francorum betroffen wird, der durch die Erkrankung des Prof. Boretius schon einmal eine lange Hemmung erlitten hatte. Dennoch besteht die Hoffnung, das nur zum teil abgeschlossene Sachregister sowie die fehlende Einleitung mit Aufzählung der Hss. noch in diesem Jahre fertigzustellen Die Ausgabe des Benedictus Levita, für welche Krause im Winter vor einem Jahre eine Reise nach Rom unternommen hatte, ist dem Privatdozenten Dr. Emil Seckel in Berlin übertragen worden.

Für die große Ausgabe der Leges Wisigothorum hat Prof. Zeumer im Frühling 1895 in Paris den Codex Euricianus und andere Hss. verglichen. Der Druck kann vielleicht schon in diesem Geschäftsjahre beginnen, während die Geschichte der westgotischen Geseßgebung einer besonderen Ausführung vorbehalten bleibt. Mit der neuen Ausgabe der Lex Baiuvariorum ist der Prof. Frhr. von Schwind in Innsbruck betraut, der in den Osterferien 1897 deshalb die italienischen Bibliotheken zu besuchen gedenkt.

Von den durch Dr. Schwalm in Göttingen weitergeführten Constitutiones imperatorum steht der Druck des 2. Bandes im Register. Dr. Schaus hat sich an den Korrekturen desselben in ersprießlicher Weise beteiligt. Für den 3. Band sind noch manche Nachträge erforderlich, bevor er druckreif werden kann, für den 4., zumal die Zeit Ludwigs des Baiern, eine Archivreise nach München und an den Rhein, welche im nächsten Sommer stattfinden soll. Auch für die Leges ebenso wie für die Scriptores hat die Reise des Dr. Hampe nach England vielfältigen Ertrag geliefert, wertvolle Beiträge aus England und Frankreich für die Constitutiones imperatorum find dem Dr. Herm. Herre in München zu verdanken.

In der Abteilung Diplomata hat Prof. Breßlau, unterstüßt von den Mitarbeitern Bloch und Meyer, den Druck der Urkk. Heinrichs II langsam, doch stetig fortgesezt. Während er selbst dafür in Paris und Besançon einige Nachträge sammelte, besuchte Bloch die Archive von Vercelli, Novara, Pavia, Mailand. Durch seine Entdeckungen ist der hervorragende Anteil, welchen Bischof Leo von Vercelli unter Otto III und Heinrich an der Abfassung von Königsurkk. gehabt hat, klar hervorgetreten und wird in einer Abhandlung des Neuen Archivs näher beleuchtet werden.

Für die von Prof. Mühlbacher zu bearbeitenden Karolingerurkk hat sein Mitarbeiter Dr. Dopsch von Ende März bis Mitte Oktober 1895 einen großen Teil Italiens bis hinab nach Neapel bereist und neben einigen unbekannten Stüden für viele bekannte bessere Formen der Ueberlieferung gefunden. Eben jezt wird zu dem gleichen Zwecke Venedig und Friaul, das noch fehlte, von ihm nachgeholt. Eine empfindliche Einbuße erlitten die Arbeiten durch die Berufung seines zweiten Mit arbeiters M. Tangl als Professor nach Marburg, doch wird derselbe von dort aus benachbarte Gebiete wie Fulda und Hersfeld, Trier und Prüm noch ferner bearbeiten, und in Wien ist in der Person des Dr. Max Schedy ein anderer Hilfsarbeiter an seine Stelle getreten. Eine Reise des Dr. Dopsch nach Belgien und dem nördlichen Frankreich wird für das nächste Jahr erforderlich.

Von den dem Prof. Scheffer - Boichorst für die Vervollständigung der staufischen Königsurkk. bewilligten Mitteln hat er selbst mit günstigem Erfolge in Unteritalien und Sizilien eine Anzahl Archive besucht, und sein Mitarbeiter Schaus hat zu demselben Zweck im November bis Januar das obere Italien bereist. Einige weitere Stücke lieferte auch Dr. Bloch.

In der Abteilung Epistolae hat, nachdem der Text des Registrum Gregorii zu Ende gedruckt war, Dr. Hartmann in Wien mit Hilfe des Doktorandus Wenger seine Arbeiten an dem Register fortgeseßt, welches ein sorgfältig ausgeführtes Bild aller sprachlichen Eigentümlichkeiten Gregors darbieten soll. Die Vollendung des Druckes darf im Laufe des Jahres erwartet werden.

Für den 5. Band der Epistolae hat zwar Dr. Hampe die Briefe Einhards, Frothars, sowie einen Teil der päpstlichen druckfertig gemacht, während anderes von

E. Dümmler vorbereitet wurde, allein die Unzulänglichkeit der Sammlungen nötigte doch vor allem, neues Material herbeizuschaffen. So begab sich denn Dr. Hampe nach einem kleineren Ausfluge nach München und Karlsruhe im Mai von Mitte Juli 1895 bis in den Februar 1896 nach England, um in umfassenderer Weise, als es sett langer Zeit geschehen war, die dortigen Bibliotheken für die verschiedenen Abteilungen zu durchsuchen. Eine hervorragende Stelle nahm darunter wegen der stets drohenden Gefahr einer Zersplitterung ihrer Bestände die jeßt dem Mr. Fenwick gehörige Bibliothek in Cheltenham ein, der allein 34 Tage gewidmet wurden. Ein ausführlicher Bericht über diese besonders auch für das 13. Jahrh. fruchtbare Reise ist in Vorbereitung. Von der wichtigen und durch ihre Tironischen Noten schwierigen Handschrift des Servatus Lupus in Paris besorgte Prof. de Vries in Leyden eine sorgfältige Vergleichung. Eine kürzere Reise nach Brüssel und Paris würde für diesen und den folgenden Band noch wünschenswert seiu.

In der Abteilung Antiquitates hat Prof. Herzberg-Fränkel in Czernowig durch einen Urlaub für den Sommer endlich die nötige Muße gewonnen, um das schon lange vorbereitete Register der Salzburger Totenbücher zu Ende zu führen, doch bedarf es wegen der darin zu gebenden Erläuterungen einer Reise auf einige österreichische Bibliotheken. Von dem durch Dr. Traube in München herausgegebenen 3. Bande der Poetae latini Carolini fehlt nur noch das Register, welches Dr. Neff als Hilfsarbeiter übertragen ist. Für den 4. Band der Poetae ist Dr. von Winterfeld in Berlin als Mitarbeiter seit einem Jahre eingetreten. Er hat sich seiner Aufgabe auch mit so nachhaltigem Eifer unterzogen, daß der Druck der ersten, den Schluß der karolingischen Zeit enthaltenden Hälfte vielleicht noch in diesem Geschäftsjahre beginnen kann. Eine nochmalige Vergleichung der Hj. der Gesta Berengarii besorgte Dr. Schaus auf seiner Reise, Gedichte aus dem Ende des 10. Jahrh. in Vercelli verglich Dr. Bloch.

Das Neue Archiv hat unter der Leitung des Prof. Breßlau in dem erweiterten Umfange von 50 Bogen seinen geregelten Fortgang gehabt. In den Redaktionsausschuß ist an Stelle von Sybels Prof. Scheffer-Boichorst eingetreten.

Die vierte Versammlung deutscher Historiker, veranstaltet vom Verbande deutscher Historiker findet wie oben S. 231 mitgeteilt wurde, am 11., 12., 13. und 14. Ceptember 1896 zu Innsbruck statt. Für die Verhandlungen sind vorläufig folgende Themen in Aussicht genommen: 1. Welche Wünsche haben die Historiker gegenüber den Archivverwaltungen auszusprechen? Referent Prof. Pruz. 2. Welche geschichtl. Aufgaben verdienen von Akademien gemeinsam gefördert zu werden? Ref. Prof. K. Th. Heigel. 3. Ueber die Anlage eines histor. Atlas der Alpenländer in Bez 3. verwaltungsgeschichtl. Forschung. Ref. Prof E. Richter aus Graz 4. Ueber das Institut f. österreich. Geschichtsforschung in Wien. Ref. Prof. E. Mühlbacher aus Wien. 5. Erörterung üb. d. Wesen d. Kulturgeschichte u. ihre Stellung innerhalb d. geschichtl. Wissenschaft. Ref. Prof K. Lamprecht. Vorträge haben zugesagt: Prof. I. Hirn: Ueber Innsbrucks histor. Boden. Prof. G. F. Knapp aus Straßburg: Ueber die Grundherrschaft im Nordwesten Deutschlands. Prof. Luschin von

Ebengreuth aus Graz: Ueber d. Entstehung der Landstände. R. v. Scala: Individualismus u. Sozialismus i. d. Geschichtsschreibung. Mit dieser Versammlung ist die zweite Konferenz von Vertretern histor. Publikationsinstitute verbunden.

Die diesjährige Generalversammlung der Görres-Gesell= schaft wird am Dienstag und Mittwoch, 29. und 30. Sept. in Konstanz abgehalten werden Am 28. September findet eine Sigung des Vor

standes statt.

Der kunsthistorische Kongreß für 1896 findet vom 1. bis 4. Ct: tober in Budapest statt.

Das Polybiblion vom Monat Mai (p. 1.) gibt auf S. 420–24 eine Be sprechung der neuesten Jeanne d' Arc-Literatur. Ueber die NapoleonBibliographie hat Geoffroy de Grandmaison bei Perrin soeben ein Buch veröffentlicht: Napoléon et ses récents historiens (16o, fr. 3,50), eine Sammlung der ehedem im Univers erschienenen diesbez. Auffäße des Vf.s.

Eine kritische Uebersicht über die Dante-Literatur gibt G. A. Scartazzini in der Beil. z. Allg. 3tg. 1896 Nr. 167, 168, 169.

In einer ungemein gelehrten Abhandlung) untersucht Paul Keht vier Papyrusfragmente des Marburger Staatsarchivs, welche dem Kloster Hersfeld entstammen. Da das eine gänzlich unbeschriebene Fragment an einer Hanfschnur die Bulle eines Papstes Johannes trägt, so hielt man früher längere Zeit irrtümlich auch die drei anderen Fragmente für Bestandteile einer oder zweier päpstlicher Papyrusurkunden. Kehr räumt mit diesem Irrtum, der schon im vorigen Jahrh. vorübergehend als solcher erkannt wurde, endgiltig auf, und macht bezüglich des unbeschriebenen Fragments die Zugehörigkeit zu einer im Original sonst verlorenen, am 2. Januar 968 für Kloster Hersfeld ausgestellten Urk. Papst Johannes XIII wahrscheinlich.

Die drei beschriebenen Fragmente hat Rehr in ihrem Wortlaute nicht ohne Mühe entziffert und unter Zuhilfenahme der bei L. M. Hartmann) und im Registrum Sublacense gedruckten römischen Privaturkunden des früheren MA. glücklich rekonstruiert, wobei alle Zweifel natürlich nicht zu beseitigen sind. Danach stellt sie sich als emphyteutische Verleihung des im römischen Stadtgebiet gelegenen fundus Turanus auf drei Generationen

Als Urkundenschreiber nennt sich Johannes scriniarius et tabellio

1) Ueber eine römische Papyrusurkunde im Staatsarchiv zu Marburg in den Abhandlungen der k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, philolog.-histor. Kl., n. F., Bd. I, H. 1. Berlin, Weidmann, 1896. 28 S. in 4o.

2) L. M. Hartmann, ecclesiae S. Mariae in Via lata tabularium.

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