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Hofe möglich gewesen. Wenn wir das pervicacissimus, das ja auf Rechnung des Orosius kommt, nicht zu scharf betonen, 'so wird höchstens richtig sein, daß ein Heide im Palastdienste nicht aggressiv gegen das Christentum vorgehen durfte. Sonst aber war das heidnische Element am Hofe derzeit noch gar nicht zu entbehren. Wenn Stilicho seinen Sohn Eucherius als Heiden erziehen lassen konnte, wenn Symmachus in der öfters erwähnten Weise dem Hofe nahe treten durfte, weshalb sollten wir da dem Heiden Claudian nicht die untergeordnete Stellung eines tribunus et notarius zugestehen? Auch die Verordnungen im cod. Theodos. sprechen gegen Birt. Nachdem im Jahre 405 zuerst der katholische Glaube im allgemeinen als allein zulässig bezeichnet worden ist,1) werden erst im November 408, nach Stilichos Sturze, Heiden vom Palastdienste ausgeschlossen.) Wie schwer aber die Durchführung dieser Maßregel war, zeigt, was Zosimus aus dieser Zeit über den heidnischen Militär Generid erzählt.3) Ja selbst für Ostrom, wo doch die Stirchenpolitik aus natürlichen Gründen viel schneller und zielbewußter die Reste des Heidentums beseitigen durfte, muß noch im Jahre 416 (Dez.) der Ausschluß der Heidenschaft von allen Aemtern eingeschärft werden.4)

Auffällig soll es nach Birt auch sein, daß Claudian sich wohl bewandert zeige in der Kenntnis christlicher Literatur. Aber wozu deshalb den Dichter für das Christentum in beschlag nehmen? Claudian hätte ja über seine Studierstube nicht hinauskommen müssen, wenn ihm allgemeine christliche Gedanken oder Wendungen, wenn ihm die Kenntnis christlicher Autoren und Dichter unbekannt geblieben wären. Ueberdies ist die Benüßung christlicher Literatur bei ihm nicht sehr umfangreich 5) Am auffälligsten ist mir die Aehnlichkeit, die sich in manchen Ausdrücken findet zwischen Claudians Werfen und einem anonymen

1) Cod. Theod. XVI, 10, 21.

Cod. Th. XVI, 5, 42: Eos qui catholicae sectae sunt inimici, intra palatium militare prohibemus, ut nullus nobis sit aliqua ratione coniunctus, qui a nobis fide et religione discordat.

*) Zos. V, 46. Das Thatsächliche ist nicht zu bezweifeln, wenn auch die Angabe der völligen Abschaffung des eben erwähnten Erlasses irrig ist.

*) Cod. Theod. XVI, 5, 38.

5) Auf solche Uebereinstimmungen in Wort und Sinn hat besonders C. v. Barth in seiner Ausgabe geachtet; doch muß man von dem bei Birt S. LXV Zusammengestellten noch manches in abzug bringen, was ich an anderer Stelle nachzuweisen gedente.

christlichen Gedichte, das wir schon einmal erwähnt haben (S. 8)1) Es behandelt das erwähnte kurze Wiederaufflackern des heidnischen Kultes in Rom im Jahre 394 und höhnt und verspottet besonders den Konsul Flavianus, der am Erfolge der heidnischen Sache verzweifelnd vor dem Kampfe am Frigidus den Tod in den Reihen der Feinde suchte. Birt scheint zu glauben, als könnte Claudian, wenn er Heide gewesen, nicht ein solches für ihn abfurdes christliches carmen geplündert und nachgeahmt haben. Aber erinnern wir uns, ein wie enger literarischer Verkehr damals in Rom stattfand. Die von Claudian selbst bezeugten öffentlichen Deklamationen hinterließen bei den zahlreichen Hörern ihre Spuren. Es wäre also schließlich für Claudian nicht auffälliger, als daß Prudentius in seinem lib. c. Symm. aus dem furz zuvor vorgetragenen bell. l'oll. in Wort und Wendung Anleihen macht. Zudem war Claudian sicher im Herbste 394 wo das carmen deklamirt wurde — in Rom;

also kann er es gehört und gekannt haben.

3. Aus den Tichtungen Claudians haben sich also für uns noch genug und hinreichend flare Spuren heiðnischer Gesinnung ergeben, die geeignet sind, Birts Auffassung zu erschüttern. Es liegt uns nun noch_ob, Augustins flare Worte vor falscher Auslegung zu schüßen und als unanfechtbares Zeugnis zu erhärten. Denn die AugustinusStelle ist für uns wie für die meisten Früheren, der Ausgangspunkt der eigenen Untersuchung und das Fundament unserer Auffassung gewesen. Wir können uns hierbei kurz fassen. Birt sucht ihre Glaub würdigkeit besonders durch zwei Einwürfe zu entfräften.

Augustinus, meint er (S. L XIII), hätte aus der Lektüre Claudians den Eindruck gewonnen und gewinnen müssen, daß der Dichter, der begeisterte Lobredner heidnischer Sitte, nirgends Christi Namen nenne. Daraus fließe sein Urteil. Sonst hätte er nichts über Claudians religiöje Stellung erfahren können. Doch wer sollte das glauben oder wahrscheinlich finden? Ein Mann, der wie Augustinus in stetem literarischen Verkehr mit seinen Freunden in Italien blieb, 2) jollte über den gefeierten Dichter, dessen Namen und Blütezeit sogar die späteren Chronisten aufzuzeichnen der Mühe wert hielten, nichts

1) Birt (S. LXV f.) hätte noch hinzufügen können zu v. 27 (abisset sterben): Claud., bell. Gild. 292 cum divus abirem; zu v. 52 mille nocendi vias: CI, Eutr. II, 175 centumque vias meditata nocendi. Doch ist bei der Verwertung solcher Uebereinstimmungen große Vorsicht geboten: vgl. Archiv f. Lexikographie IX, 183. 2) In meiner Abh. S. 36 ist Augustins Rückkehr nach Afrika irrtümlich ins Jahr 391/2 statt 389 geseßt.

Sicheres haben erfahren können? Mit dem Mallius Theodorus, dessen Konjulatsantritt (398) Claudian besingt, und dessen intimer Freundschaft er sich rühmt (XVI, 10; XVII, 278), unterhielt auch Augustin Beziehungen: er widmete demselben sogar eine eigene Schrift. Andere berühmte Namen zu nennen, die das Wissenswerte über den Dichter ihm mitteilen konnten, ist wohl überflüssig. -Wenn übrigens Augustin den Dichter bloß aus seinen Werken gekannt hätte,') wäre es da nicht um so auffälliger, daß er das Carmen Paschale in seinem Urteil vollständig übersehen hat? Birt muß das aus dem kleinen Umfange" erklären; aber liegt nicht eine andere Erklärung viel näher?

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Doch Birt scheint selbst gefühlt zu haben, daß man die Stelle (de civ. dei V, 26) nicht ohne weiteres verwerfen kann. Deshalb versucht er, den wahren Sinn der Worte abzuschwächen. Augustin nenne sonst in den Büchern vom Gottesstaat die Heiden pagani und gentiles; da er nun hier die Wendung brauche: a Christi nomine alienus, so wolle er damit den Dichter nicht als starren Heiden, sondern bloß als „dem Christentum abgeneigt, den Namen Christi fremd“ be= zeichnen. Was aber Augustin unter alienus a Christo versteht, zeigt deutlich eine Stelle im Enchiridion ad Laurentianum (de fide, spe et caritate),) wonach, wer Glaube, Hoffnung und Liebe widerspricht, aut omnino a Christi nomine alienus est, aut haereticus'. Auch an unserer Stelle kann es nach dem Zusammenhange nichts anderes heißen. Augustin will zeigen, daß Theodosius seinen Sieg über die Usurpatoren seinem Glauben und Gottes Hilfe verdanke. Das beweist die Hilfe, die ihm Gott in der Schlacht am Frigidus erwies. Die wunderbare Thatsache berichten aber 1. viele Soldaten der Gegenpartei, die als Augenzeugen und Teilnehmer an der Schlacht es dem Augustin selbst erzählt haben; 2. der Dichter Claudianus, der, troßdem er Heide war, doch für Gottes Macht (und Theodosius Ruhm) Zeugnis ablegt

1) Leider sind die Spuren, welche sonst noch Augustins Kenntnis der Werke Cls verraten, sehr unsicher und gering. Birt rechnet dahin C. D. IV, 2 und C. D. XXI, 6, 2. Auch für Orosius vergleicht er den Schwur des Radagais (VI), 37: omnem Romani generis sanguinem dis suis propinare devoverat) und Claud. bell. Poll. 81 (Schwur Alarichs),non nisi calcatis loricam ponere rostris. Doch ist die Aehnlichkeit verschwindend gering.

2) Bei Migne XL, col. 233 diligenter sciendo, quid credi, quid sperari debeat, quid amari. Haec enim maxime, immo vero sola in religione sequenda sunt, His qui contradicit, aut omnino a Christi nomine alienus est, aut haereticus.

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Arens. Claudian, Christ oder Heide?

in den angezogenen Versen. Deshalb läßt auch Augustin den mittleren Vers (cui fundit ab antris Aeolus armatas hiemes) fort.1) Jedenfalls ist,a Christi nomine alienus an dieser Stelle viel schärfer, als das bloße gentilis wäre, und nähert sich in etwa dem,pervicacissimus' des Drosins.

Ich glaube, unsere Ausführungen haben als sicher ergeben, daß an Augustins laren Worten nicht zu deuteln und Claudian nach wie vor als Vertreter des Heidentums anzusehen ist. Wenn bezüglich der Unechtheit des Carmen Paschale auch bisher ein unwiderleglicher Beweis nicht geführt werden kann, so spricht doch die Wahrscheinlichkeit mehr dafür, daß es dem Dichter abzusprechen sei, als für die gegenteilige Annahme.

Das Carmen Paschale ist zuleßt besprochen und gedruckt bei Max. Ihm in seiner Ausgabe der Epigramme des Damasus (Leipzig. 1895). Derselbe bezweifelt Niebuhrs Ansicht von Merobaudes als Verfasser, sagt aber in der Praef. S. XXV: Fateor tamen mihi Birtium non prorsus persuasisse carmen a pagano illo pervicacissimo

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fectum esse. Zugleich trage ich zu meiner Schrift S. 39 aus Ihm nach, daß im Anschluß an G. Fabricius auch Sarazani (Rom, 1638), Rivinus (Leipzig 1652) und Merenda (Rom 1754) in ihren Ausgaben des Damasus das Carmen Paschale für ein Werk dieses Papstes halten.

1) Bemerkenswert erscheint mir, weshalb Claud. a. a. O. nicht o nimium dilecte deis sezt, sondern deo. Es will mir beinahe so vorkommen, als wenn Aug. das auffällig gefunden habe. Nun würde aber deis in diesem Verse einen Binnenreim auf antris gegeben haben, den der sorgfältig feilende Claudian sich nicht gestattet hat. Eine genaue Betrachtung der Sprache des Dichters zeigt übrigens, daß das Wort deus, wo es im allgemeinen Sinne die Gottheit gebraucht ist, bei Claud. stets im Plural steht: vgl. V, 441; VIII, 99; VIII, 277; XVII, 227; XXIV, 130; XXVI, 53. Nur III, 7 hat Cl., dem Zwange des Versmaßes folgend (ebenjo wie oben), den Singular; dafür seßt er aber gleich darauf (III, 21), in demselben Zusammenhange, ohne diese Nötigung: Absolvitque deos.

Die kirchenpolitische Thätigkeit des hl. Vincenz Ferrer.

Von Heinrich Finle.

I.

Das Wirken des gewaltigen Bußpredigers aus dem Dominikanerorden Vincenz Ferrer hat so tiefe Spuren hinterlassen, daß sie auch jezt nach 500 Jahren nicht völlig verwischt sind. Noch jezt gehört er zu den populärsten und verehrtesten Heiligen, die Spanien besißt. Das bewies das vierte, 1855 so glänzend verlaufene Centenarium seiner Heiligsprechung in seiner Vaterstadt Valencia, die feine Straße nach ihm benannt hat, denn toda Valencia es de san Vicente Ferrer; ein stattlicher Band von 850 Seiten berichtet über diese Festlichkeiten. Das beweisen die zahlreichen Bildsäulen, die man ihm in- und außerhalb der Gotteshäuser gesezt hat, die ihm zu Ehren erbauten Oratorien, die Stellen in den Bergen und auf den Feldern, die seinen Namen tragen. Mit Bewunderung wurde seiner in den spanischen Cortes noch im Jahre 1871 gedacht.

Aber weiter zieht sich der Kreis seiner Verehrer vor allem in Süditalien und in der Bretagne, wo er seine irdische Wanderlaufbahn am 5. April 1419 schloß. In Neapel wurde er durch Beschluß der Stadtverordneten mit Genehmigung des Kardinalerzbischofs nach der großen Cholera des Jahres 1835 zum Schußpatron der Stadt erwählt. Und wenn wir modernen Berichten trauen dürfen, rufen die Hilfe des Heiligen sogar muhamedanische Frauen für ihre Kinder an. Auch in Deutschland gehört er zu den bekannteren Heiligen.1)

Das Leben des hl. Vincenz spielt sich ab im vollsten Lichte der Geschichte; sein öffentliches Wirken fällt zusammen mit der Zeit des

1) Die Belege hierfür in dem gleich zu nennenden Buch von Fages, II, 298, 319, 327, XC.

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