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wenig entsprach dieser Name den Umständen wie sie wirklich waren! Dieser Patricius war mächtiger als alle Könige der Welt, mächtiger als der Kaiser der im Osten das Reich fortsetzte.

So lag es nahe, ergab sich fast von selbst, dass der welcher alle Macht eines Kaisers hatte auch selbst wirklich Kaiser genannt ward. 'Karl, sagt ein Zeitgenosse1, hatte Rom inne, wo stets die Kaiser zu thronen gewohnt waren, und dazu alle übrigen Sitze des Reichs in Italien, Gallien und Germanien: weil Gott sie alle in seine Gewalt gegeben hatte, deshalb schien es angemessen dass er auch den Namen habe'. Es ward auch in Anschlag gebracht, dass eben damals in Constantinopel gar kein Kaiser war, ein Weib die Herrschaft führte 2.

1 Ann. Lauresh. 801, S. 38: Et qui jam tunc cessabat a parte Graecorum nomen imperatoris et femineum imperium apud se abebant, tunc visum est et ipso apostolico Leoni et universis sanctis patribus qui in ipso concilio aderant seu reliquo christiano populo, ut ipsum Carolum regem Franchorum imperatorem nominare debuissent, qui ipsam Romam tenebat, ubi semper caesares sedere soliti erant, seu reliquas sedes, quas ipse per Italiam seu Galliam necnon et Germaniam tenebat; quia Deus omnipotens has omnes sedes in potestate ejus concessit, ideo justum eis esse videbatur, ut ipse cum Dei adjutorio, et universo christiano populo petente, ipsum nomen aberet. Quorum petitionem ipse rex Karolus denegare noluit. Das Chron. Moiss. S. 305, das dies ausschreibt, sagt: Romam matrem imperii, und Anskar V. Willehadi, c. 5, S. 381, hieran sich anschliessend: quae caput imperii fuerat, und nachher von Karl: ob quod et jure caesarea dignus esset appellatione. Vgl. auch Mon. Sang. I, c. 26, S. 743: ut qui jam re ipsa rector et imperator plurimarum erat nationum, nomen quoque imperatoris caesaris et augusti . . . . assequeretur.

2 Zweifelhaft ist die Nachricht der Nordhumbrischen Anna

Es scheint, dass von den Geistlichen in Karls Umgebung der Gedanke ausging, den dann der Papst aufnahm und zur Ausführung brachte.

Am Weihnachtstage des Jahrs 800, nach damaliger Rechnung am Anfang eines neuen Jahrs und Jahrhunderts, da Karl in der Kirche des h. Petrus vor dem Grabe des Apostels sich vom Gebet erhob, setzte der Papst Leo ihm die Krone aufs Haupt, ein Bericht fügt ausschmückend hinzu: bekleidete ihn mit dem Purpur und gab ihm das Scepter in die Hand -, und das versammelte Volk rief: 'Karl, dem frömmsten Augustus, dem von Gott gekrönten, grossen, friedeschaffenden Kaiser Leben und Sieg'. Feierlich ward der neue Kaiser vom Volk begrüsst, vom Papst nach alter Gewohnheit adoriert, auch sammt einem seiner Söhne gesalbt 1.

len bei Simeon Dunelm., SS. XIII, S. 56: Eo quoque tempore legati Graecorum cum magnis muneribus a Constantinopoli directi ad eum veniebant, rogantes, ut illorum susciperet regnum et imperium. S. dagegen Simson, Karl S. 239 N.

1 Der Fränkische und Römische Bericht stimmen hier im wesentlichen überein. Ann. Laur. maj. 801, S. 188: Ipsa die sacratissima natalis Domini, cum rex ad missam ante confessionem b. Petri apostoli ab oratione surgeret, Leo papa coronam capiti ejus imposuit, et a cuncto Romanorum populo adclamatum est: 'Carolo augusto, a Deo coronato, magno et pacifico imperatori Romanorum vita et victoria'. Et post laudes ab apostolico more antiquorum principum adoratus est, adque ablato patricii nomine, imperator et augustus est appellatus. V. Leonis S. 199: Post haec adveniente die natali d. n. Jesu Christi in jam dicta basilica b. Petri apostoli omnes iterum congregati sunt, et tunc venerabilis almificus pontifex manibus suis propriis pretiosissima corona coronavit eum. Tunc universi fideles Romani . . . . unanimiter altisona voce Dei nutu atque b. Petri . . . . exclamaverunt: 'Carolo piissimo augusto, a Deo coronato, magno, pacifico imperatori vita et

....

Einhard versichert, Karl sei auf den Vorgang nicht vorbereitet, ja unzufrieden über denselben gewesen: er

victoria. Ante sacram confessionem b. Petri apostoli plures sanctos invocantes tres dictum est (h. d. wohl: dreimal), et ab omnibus constitutus est imperator Romanorum. Illico sanctissimus antistes et pontifex unxit oleo sancto Carolum et excellentissimum filium ejus regem in ipso die natalis d. n. Jesu Christi, et missa peracta post celebrationem missarum obtulit ipse serenissimus d. imperator mensam argenteam etc. Die kleineren Fränkischen Annalen heben verschiedene Momente hervor; die Salbung Ann. S. Amandi S. 14: Leo benedixit eum ad imperatorem; Ann. Lauresh. S. 38: ipsum nomen imperatoris cum consecratione d. Leonis papae suscepit; andere die Proclamation durchs Volk; Ann. Colon. S. 97: Karolus a Romanis appellatus est augustus; Chron. Laur. min. (S. 120): ab ipso pontifice et ab omni populo Romano atque Francorum augustus appellatur; Ann. Xant. S. 223: Leo papa Carolum benedixit ad imperatorem, sicut mos est, et coronam auream expressam signo sanctitatis super caput ejus posuit. Ausführlich die Nordhumbrischen Annalen bei Simeon Dunelm., SS. XIII, S. 156: in die natalis d. n. Jesu Christi ingreditur cum ducibus et magistratibus et militibus in ecclesiam s. ... Petri, in qua a d. Leone papa purpura regaliter induitur, cui corona aurea capiti imponitur et regale sceptrum in manibus datur. Hanc dignitatem ipso die meruit ab omni populo percipere, ut imperator totius orbis appellaretur et esset. Vgl. auch Theophanis chronogr. S. 733: ἔστεψεν αὐτὸν εἰς βασιλέα Ῥωμαίων ἐν τῷ ναῷ τοῦ ἁγίου ἀποστόλου Πέτρου, χρίσας ἐλαίῳ ἀπὸ κεφαλῆς ἕως ποδῶν, καὶ περιβαλὼν βασιλικὴν ἐσθῆτα καὶ στεφός. Ueber die Art der Salbung s. Jacobs S. 75; ohne Grund bezweifelt sie Alberdingk Thijm S. 351. Auf die des Sohnes beziehen Froben und Dümmler den Brief Alcuins 162 (178), S. 600. Mabillon, Ann. II, S. 349, und Jaffé, Reg. S. 217, nach Bethmanns Mittheilung, führen eine Urkunde Leos für St. Riquier an, in der es heisst: in praesentia gloriosi atque excellentissimi filii nostri Karoli, quem auctore Deo in defensionem et proventum (s. universalis ecclesiae provectum) in augustum hodie sacravimus. Vgl. über den ganzen Act besonders Cointius VI, S. 746 ff. und Jacobs a. a. O.; über die Adoration als wirkliche Kniebeugung Döllinger S. 66.

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Einhard V. Karoli c. 28: Quo tempore imperatoris et au

würde trotz des hohen Festes die Kirche nicht betreten haben, wenn er die Absicht des Papstes gewusst hätte. Man hat schwerlich ein Recht diese Aussage in Zweifel zu ziehen 1. Aber nach dem was vorliegt kann es freilich nur so gemeint sein, dass der König an dem Tage überrascht ward, vielleicht dem Gedanken, der seine Umgebung beschäftigte, noch nicht seine Zustimmung gegeben hatte 2.

Dass man sich schon vorher mit dem Plane trug, ist

gusti nomen accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret, se eo die, quamvis praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire potuisset. Sagenhaft ist die Erzählung des Willelmus Malmesb. I, 68, SS. X, S. 453, schon Hadrian habe Karl aufgefordert Kaiser zu werden, dieser aber nicht gewollt, jetzt dagegen hätten es die Römer mit dem Papst durchgesetzt.

1 Gaillard II, S. 408 ff.; Lorentz, Alcuins Leben S. 233; Luden IV, S. 566; Jacobs S. 37 ff.; Warnkönig et Gerard I, S. 322 u. a. halten was Einhard erzählt entweder für ein trügerisches Vorgeben oder für ein Mährchen, den Act in der Kirche für einen 'theatralischen Effect'.

2 Bünau II, S. 521 und neuerdings Döllinger S. 43 ff. 56 ff. meinen, Karl habe das Kaiserthum durch Unterhandlung mit den Griechen erhalten wollen (s. dagegen Harnack, Beziehungen zu dem Byzant. Reich S. 40), und der Papst sei dem zuvorgekommen; das Letzte vermuthen auch Luden IV, S. 420: der Papst habe sich einen Antheil an der Herstellung des Kaiserthums sichern wollen; Alberdingk Thijm S. 343 ff., dem Baxmann S. 317 N. und Martens S. 213 beipflichten: nicht eine Uebertragung durch den Papst, sondern aus eigner Machtvollkommenheit oder doch durch eigne Hand, wie es bei Ludwig geschah, habe Karl beabsichtigt; ähnlich Dümmler, D. Biogr. XV, S. 140. Dagegen glaubt Phillips II, S. 81, an Bedenken wegen Grösse der Aufgabe und Scheu vor dem Fremden; Lehuerou S. 263 sieht die überwiegend Deutschen Neigungen Karls als Grund seiner Zweifel an.; Simson, Karl S. 239, entnimmt aus Einhards Worten (S. 200 N. 1) Karl habe die Feindschaft des Byzantinischen Hofs gefürchtet.

gewiss nicht zu bezweifeln 1. Aber ein förmlicher Beschluss, wenigstens über die Art und Zeit der Ausführung, war wohl nicht gefasst. Die Erzählung eines Italieners2, Leo habe, als er zu Karl nach Sachsen kam, schon hier als Preis der Hülfe die Kaiserkrone versprochen, steht zu vereinzelt, als dass man ihr Gewicht beilegen könnte. Und wenn ein Fränkischer Chronist sagt, der Papst und die in Rom versammelten heiligen Väter und das ganze christliche Volk hätten beschlossen Karl Kaiser zu nennen, und dieser habe die Bitte nicht

1 Auch wenn man das was Lorentz, S. 227 ff., ausführt nicht gelten lässt. Gegen die Folgerungen, die er aus einem Briefe Alcuins 205 (103) gezogen, s. Döllinger S. 46, Dümmler in der Ausgabe S. 697 N. Anderes was man anführt, dass nach V. Leonis die Geschenke Karls gleich zur Hand waren, dieser auch den Sohn zu Weihnachten nach Rom berufen hatte, ist von geringem Belang. Vgl. Loserth, Z. f. Oest. Gymn. 1872, S. 196, gegen die Ausführung von Smolle, Die erste Deutsche Kaiserkrönung (Progr. v. Znaim 1871, das ich nicht gesehen); Niehues S. 575; gegen Gfrörers Ideen lange gesponnener Intriguen Martens S. 242. Ueber andere Schriften von Winckler und Gasquet über die Kaiserkrönung berichtet Hahn, Jahresberichte II, 2, S. 25.

2 Johannes diac., G. epp. Neap. c. 48, SS. R. Lang. S. 428: Hic tamen fugiens ad Carolum regem, spopondit ei, ut, si de suis illum defenderet inimicis, augustali eum diademate coronaret. Auf diese Stellen legen Luden IV, S. 406; Sugenheim, Kirchenstaat S. 48 N. (vgl. D. G. I, S. 404); Gregorovius II, S. 488, und besonders Jacobs S. 27. 63; auch Reumont, G. Roms II, S. 135 zu viel Gewicht. S. dagegen Kath. LZ. 1860, Nr. 45, S. 361, auch Döllinger S. 47; Niehuus S. 574; Simson S. 241 N.

8 Ann. Lauresh. 801, S. 38, fahren nach den oben S.190 N.1 angeführten Worten fort: sed cum humilitate subjectus Deo et petitione sacerdotum et universi christiani populi etc. s. S. 192 N. Das Chron. Moiss. S. 306 führt die Gründe weiter aus, z. B. ne pagani insultarent christianis, si imperatoris nomen apud christianos cessasset.

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