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verkennen, ich hab' da heroben kein Eheweib!-Du bist ja der Joch-Jackel, sagt er, der einmal Grossbauer ist gewesen. Du hast wol eins heroben, ein besseres Hälftl.-Macht dabei ein so pfiffiges Gesicht, dass ich schon hätt' mögen aus der Haut fahren, wenn ich in einer dringesteckt wär. Ich derfang' mich und sag' ganz ruhig: Ein Irrtum oder derlogen. Jetzt wird er scharf und sagt, ich sollt' mich hüten !-Aber mein Gott, schrei ich auf, die Alte? Die alte Riffel mit den gespitzten Fingernägeln? Nit möglich, dass die im Himmel ist !—Ja, mein Lieber! sagt der Torwartl, sie selber möchtes schwerlich dermacht haben. Aber deine guten Werke, die du für dein verstorbenes Weib verrichtet hast! dass du's nur weisst, Jakob, dein Bussjoch hat sie erlöst.-Wie? Was! begehr ich auf, mein Bussjoch? Das Holzjoch da, das ich getragen hab' viel' Jahr' und Tag in aller Demut und Geduld? Aber um Gotteswillen, das ist ja ganz anders vermeint gewest. Wie sie auf den Tod krank ist gelegen, da hab' ich mir's angelobt: Mein Lebtag lang ein Halsjoch will ich tragen, wenn es gut ausgeht. Gut ausgegangen ist's, und am selbigen Tag, wie wir sie in die Erden haben hinabgetan, und das Loch zu und einen grossmächtigen Stein darauf, da bin ich in die Holzhütten und hab' mir aus Birkenästen das Joch gezimmert und hab' den Kopf hineingeSteckt und hab's um den Hals getragen aus Freud' und Dankbarkeit, dass ich erlöst bin. Und jetzt! Jetzt schaut's aus, als ob ich just deswegen, just weil ich das Bussjoch so lang' und so geduldig hab' getragen, wieder zu ihr sollt müssen! Der kalte Schweiss steht mir schon auf meiner armen Seel. Nein, Petrus, ruf' ich, du liebster Patron, jetzt mag ich nit hinein in deinen Himmel, so viel von seiner Glückseligkeit auch gesagt wird! Da geh' ich lieber wieder zurück in meinen alten Leib. Der ist zwar schon über und über nichts mehr nutz, zwicken und stechen und reissen tut's die Gicht und Gall' in allen Gliedern, dass man frei immer einmal winseln möcht', wie ein getretener Hund, aber lieber ist's mir noch in dem alten Marterkasten unten auf der Erden, als wie da drinnen bei Der -Der heilige Sankt Peter zuckt seine Achseln und sagt: Ich kann dir nit raten und kann dir nit abreden. Wenn du aber wirklich zurückwillst, so musst gleich gehen, eh sie dir deinen Knochenschragen in's Loch stecken. Darauf ich wieder mein

Jöchel um den Hals und eilends davon. Arg derschrocken sollen die Leut' sein über den Gräuel, wie mein Leichnam mit dem Fuss anhebt zum Zucken, wie er die Arme rührt, den Elbogen krumm biegt und sich langsam aufsetzt. Da rühr ich den Mund und ruf: Schreck euch nicht, liebe Leut', das ist noch garnichts. Der grösste Gräuel ist da oben. . . ."

So hat er erzählt, mein Hans Sachs in der Bauernjoppe, hat wieder sein Joch umgeschoben, dass es tanzte auf den Achseln und hat den Krug geleert.

"Das ist der Dritte, gelt?" bemerkte jetzt der Brautvater. "Man hat's wol gemerkt. Fabelhans du!"

Darauf hat der Alte auf seinem faustgrossen Gesichtlein allerhand Zeichen spielen lassen, als wollte er sagen: Jeder hat's, wie er's nimmt.

Die Weibsleute waren etwas missmutig und meinten, der Jackel gehe gewiss hinüber in's Oberthal; wenn er nicht in den Regen kommen wolle, so müsse er gleich gehen, es werde ganz duster. Der Alte erhob sich in seiner dürren Eckigkeit, zog über den Bauch die Kutte zusammen und sagte ganz leise: "Der vertrackt' Mantel da wird alleweil weiter!" Die Baucrsleute wollten es nicht verstehen. Der Schullehrer aber nahm von den Tellern Brot und Braten, wickelte die Sachen in einen schönen Papierbogen und schob sic dem davontorkelnden Joch-Jackel in den Sack.

"Jesses, Schulmeister, was treibst du denn?" fuhr der Brautvater auf, "Schaden hast getan! Im Papier hast dich vergriffen ! Der Heiratskontrakt! Den uns der Notar heut' aufgesetzt hat! In den Heiratskontrakt hast du das Schweinerne gewickelt!"

"So!" sagte der Bräutigam,-noch verwundert tat der Schelm-: "In den Kontrakt ? Ah, das ist fatal! Zum Glück ist er noch nicht unterschrieben gewesen..."

Seine Zerstreutheit stammte von der Erzählung des alten Fabelhanses. Die reiche böse Bäuerin, die dem guten Jackel sogar den Himmel verleidet! Und die arme verlassene Nähderin mit dem treuen Herzen und mit dem heissen Leide drin, das so gross, so unbeschreiblich gross ist, wie die Pein in der Hölle!-Das stimmt auch bei Anderen.

Der dicke Riedelgartner lud ein, sich um den Tisch wieder

gemütlich zu machen und die bevorstehende Hochzeitsfeierlichkeit des Weiteren zu besprechen. Der Schullehrer jedoch setzte sich nicht mehr hin, sondern stellte sich in aller Artigkeit vor die Braut und ihre Mutter und sprach: "Schon wegen der Hochzeit, wie sie mir recht gewesen wäre, hat die Jungfer bitterlich geweint. Wie unglücklich müsst sie erst sein in einer Ehe, wie sie mir recht wäre! Unglücklich machen will ich die Jungfer nicht. Ich für mein Teil will kein Bussjoch tragen, sei es von Birkenholz oder von Menschenbein. Die Jungfer wird's wol auch so meinen. Behüt Gott!"

Und ging noch am selbigen Tag zur armen Putzmacherin, die seine erste Liebe gewesen war und nun allem Anschein nach auch seine letzte sein wird.

PETER ROSegger,

DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN EI

MÄRKISCHES IDYLL.

DIE Gräfin und ihr fünfzehnjähriger Sohn,
Auch zwei Comtessen halb erwachsen schon,
Sie sollen fort, bis Capri, bis Sorrent,

Und wenn zu heiss es dann vom Himmel brennt,
Dann rasch zurück nach Schweiz und Interlaken,
Denn mit poor Alfred hat es einen Haken:
Er hustet, und so viel hängt an dem Jungen,
Und wenn's das Herz nicht ist, so sind's die Lungen.

Anfährt die Kutsche. Vor dem Erdgeschoss

Stehn sieben Koffer,-einer ein Koloss,

Und was von Hausgesind' das Schloss umfängt,
Es hat voll Eifer sich herangedrängt.

Ein alter Diener (Erbstück) in Gamaschen
Bringt immer neue Plaids und Reisetaschen;
Die Kammerjungfer schluchzt, der Kandidat
Gibt für Verona seinen Reiserat,

Und mahnt ein wenig schelmisch die Comtessen
Das "Grab der Julia" ja nicht zu vergessen ;
Ernst aber steht am Schlag der alte Graf,-
Ob ihn der Abschied allzu schmerzlich traf?
Er hält nicht viel von Bahn- und Gasthofstreiben,
Ich glaube fast, ihm passt's zu Haus zu bleiben ;
Daneben aber tut er, was er muss:

Er spart nicht Händedruck, nicht Abschiedskuss,
Klappt in die Höh der Kutsche Lederdach,
"A revedersi!" ruft er ihnen nach,-
Er hatte sich sprachlustig mitbeschäftigt,
Als sich die Damen für Sorrent gekräftigt.

Nun sind sie fort. Im Vorflur ist es warm,
Der Graf ergreift des Kandidaten Arm

Und sagt, in heitrem Auf- und Niederschreiten :
"Ja, lieber Porst, nun kommen schlimme Zeiten,
Der Doktor hat von Ende Herbst gesprochen,
Das gibt für Sie sehr lange Ferienwochen,
Vielleicht zu lang; ich muss im Reichstag sein,
Dann sitzen Sie hier mutterwind allein;
Ich weiss nicht, ob Stillsitzen Ihnen passt,
Dreivierteljahr, die Länge hat die Last;

Ich, für mein Teil, ich hätte nichts dagegen,
Wenn Sie sich ausruhn wolln und etwas pflegen,
Vielleicht zu Haus, in Vaters Försterei

Mit Stadt- und Kloster Lindow dicht dabei."

"Verzeihn, Herr Graf, indessen steht's bei mir,
Trotz Elternhaus, ich bleib' am liebsten hier;
Ich hab' hier meine Bücher, meine Sachen,
Will, wenn es sein kann, meinen Doktor machen;
Hab' auch Verkehr hier, alt' und junge Leute,
Den Pastor morgen und den Lehrer heute,
Kann mit dem Gärtner pflanzen und begiessen,
Kann mit dem Jäger einen Hasen schiessen,

Und kommt's zum Schlimmsten, geh' ich in den Krug,
Bestell' ein Seidel mir und rede klug,

Wie man's so tut, von Rüben und von Raps,
-Der Krüger freilich ist halb Taps, halb Flaps,
Allein die Frau, die geht, die kann ich leiden,
Ist jedenfalls die Klügre von den Beiden,
Ein bischen nach sich, sparsam und genau,
Doch immerhin 'ne nette märksche Frau."

"Nun, lieber Porst, mir recht. Und's wird schon gehnNur immer 'n bischen nach dem Rechten sehn;

Und wenn im Reichstag mal ein Ruhtag ist,
So komm' ich, und wir haben unsern Whist;

Man muss sich schliesslich auch einmal was gönnen,
Und unser Dritter,-nu, der wird schon können."

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