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denn vom Frühling in den Hochsommer hinein zogen sich ja seit alters die verwandten Lebens- und Fruchtbarkeitsfeste der Arier.

In eine spätere Zeit, den September und die nächstfolgenden Monate, fallen die großen Jupiterfeste Roms, die ludi Romani, ludi Magni, ludi Plebeji und ludi Capitolini. Sie wurden mit Opfer und Opfermahl, zu Ehren des Jupiter, mit herrlicher Prozession und Spielen im Zirkus gefeiert. Vor allem treten die ludi Romani, im September gefeiert, als das volkstümlichste und bedeutungsvollste Fest der alten Römer hervor 1. Auch bei diesem wird dem Jupiter ein junger weißer Stier geopfert 2. Bei der Prozession in den Zirkus hebt schon Preller als interessant das Symbol der Quadriga hervor, welches wohl ursprünglich das Attribut des Jupiter als des wagenfahrenden Donnergottes gewesen sein dürfte 3. Daneben treten als Attribute des großen kapitolinischen Jupiter der Blitz, das Adlerszepter und der goldene Kranz hervor, die auf geweihten Wägen den sog. tensae feierlich zum Zirkus gefahren wurden, um gleichsam an den Spielen teilzunehmen. Erinnern wir uns, daß in der Rennbahn der Tempel des Sonnengottes stand, so sind es auch hier wieder der Donnergott und der Sonnengott, die sich in die Ehre der festlichen Spiele teilen. Wenn wir auch bei diesen Spielen im Vergleiche mit den altarischen Frühlings- und Hochsommerfesten eine gewisse zeitliche Verschiebung annehmen mußten, ist es darum doch wohl nicht ausgeschlossen, daß sie mit jenen in Zusammenhang gebracht, ihre Wurzeln in jenen gesucht werden dürfen. Wir können auch daran erinnern, daß das indische Somafest mit Wagenrennen, das Vâjapeya-Opfer, im Herbste stattfand. Und es liegt nahe zu ver muten, daß die allzu große Hitze des Hochsommers, die auch die Feier der olympischen Spiele sehr erschwerte, hier die zeitliche Verschiebung veranlaßt haben könnte.

Wir dürfen nach alledem für die arische Urzeit eine kräftige Beteiligung des Gewittergottes an den Sonnen- und Lebensfesten

1 Vgl. Preller, Röm. Mythol., 3. Aufl., I, S. 223.

2 Vgl. Preller a. a. O., S. 220.

Vgl. Preller a. a. O., S. 222. 223.

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Vgl. Preller a. a. O., S. 221.

unbedenklich annehmen. Damals war es wohl ohne Zweifel der alte gewitternde Himmelsgott, an den man dachte und der sich auch in Griechenland und Rom in dieser Stellung behauptet hat, während bei Indern und Germanen die entsprechenden Gestalten des Parjanya und Fjörgynn allmählich ganz verblaßten und an deren Stelle die alten Gewitterriesen Indra und Thôrr, resp. DonarThunar, traten, auf die nun die alten Ehren übergingen.

SCHLUSSBETRACHTUNG.

AS Vorstehende ist schon vor einiger Zeit niedergeschrieben

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und in der Folge nur hier und da ergänzt und berichtigt worden. Es bleibt uns nun noch die Aufgabe übrig, nicht nur rückblickend den Kern der gewonnenen Ergebnisse uns zu vergegenwärtigen, sondern auch vorschauend ihre Weiterentwicklung unter neuen Gesichtspunkten anzudeuten. Denn darüber wollen wir uns und unsere Leser nicht täuschen: Hier handelt es sich nicht um die mehr oder minder vollkommene Darstellung von Resultaten einer im wesentlichen abgeklärten Forschung; sondern vielmehr um die Eroberung eines Neulandes, aus dem die verhüllenden Nebel nur Stoß um Stoß durch frischen Luftzug vertrieben werden können 1. Auf anderem Wege ist die hier angestrebte Kunde von der urzeitlichen Religion der Arier nicht zu erreichen.

DIE DREI GROSSEN LEBENSMÄCHTE.

Wir wollten den arischen Naturkult erforschen und gingen von der nahe liegenden Frage aus, welche Rolle in demselben wohl 1 Beiträge dazu habe ich zu bieten gesucht in meinen Büchern „Mysterium und Mimus im Rigveda", Leipzig 1908; „Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth", München 1911; „Reden und Aufsätze“, Leipzig 1913, S. 348 ff. „Altarische Religion" und S. 407 ff. „Der arische Naturkult als Grundlage der Sage vom heiligen Gral". Desgleichen in den akadem. Abhandlungen „Die Wurzeln der Sage vom heiligen Gral", Sitz.-Ber. der Kais. Akad. d. Wiss. in Wien 1911; „Herakles und Indra", Denkschriften derselben Akademie 1914.

die Sonne und ihre Verehrung gespielt haben möchte. Eine Fülle von Tatsachen drängte sich uns entgegen, die dafür zu zeugen schien, daß diese Rolle eine sehr bedeutende, eine beherrschende, zentrale war. Doch es zeigte sich im Laufe der Untersuchung immer deutlicher, daß die Verehrung der Sonne bei den Ariern sich gar nicht trennen ließ von der Verehrung anderer, großer, Leben wirkender Mächte in der Natur. So vor allem des Feuers, dessen Erzeugung dem Menschen schon auf primitivster Kulturstufe geglückt sein muß, da wir ihn nirgends ohne diesen Begleiter antreffen. Die Sonnenfeste der Arier ließen sich ebenso gut als Feuerfeste bezeichnen, so eng hing beides zusammen, so deutlich war ihnen offenbar schon in Urzeiten das Sonnenähnliche des Feuers, die Feuernatur der Sonne, die Wesensverwandtschaft des irdischen und des himmlischen Feuers aufgegangen.

Aber auch das Wasser und seine Verehrung zeigte sich mit denselben Festen so untrennbar verbunden, daß man sie ebenso gut auch als Wasserfeste bezeichnen konnte. Regenzauber trat neben den Sonnenzauber und Wasserbräuche neben die Feuerbräuche, und die Beteiligung des Gewittergottes an diesen Festen erschien nun nicht mehr auffallend.

Feuer und Wasser, Sonnenschein und Regen wirken vereint das Leben der Vegetation, die ihrerseits wiederum die Grundlage des animalischen Leben bildet. In unzähligen Bräuchen drängt sich die Vegetation so stark in jenen Festen hervor, daß man sie auch Vegetationsfeste zu nennen geneigt sein könnte, die gefeierten Mächte Vegetationsdämonen, Vegetationsgötter. Zur Entstehung und Fortpflanzung des tierischen und menschlichen Lebens gehört aber noch etwas anderes, eine ganz besondere, starke, geheimnisvolle Macht, die sich in dem geschlechtlichen Triebe, in der Liebe, in der Zeugung offenbart, zugleich dem Gipfelpunkte physischer Lust. Und dieselben Feste, von denen wir reden, werden weiter entscheidend charakterisiert durch eine ganze Reihe damit zusammenhängender Bräuche, der Generationsriten. Jene Feste, die wir zuerst als Sonnenfeste bezeichnen zu dürfen glaubten, haben sich damit vor unseren

Augen zu etwas viel Größerem ausgeweitet, zu Lebensfesten im weitesten Umfang. Um das Leben in weitestem Umfang zu wirken, werden auch alle jene vielen Bräuche geübt, die wir unter der Bezeichnung ,,Bewegungszauber" zusammengefaßt haben. Denn Leben ist Bewegung, das hat schon der primitive Mensch instinktiv begriffen.

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Feuer, Wasser und Zeugung das sind die drei großen Lebensmächte, die alles Leben hier auf Erden, in der Pflanzenwelt und in der Tierwelt, wirken. Feuer, Wasser und Zeugung bilden darum den Mittelpunkt und den wesentlichen Inhalt der alten arischen Lebensfeste und werden von der primitiven Philosophie unserer Vorfahren in mannigfacher Weise miteinander verwoben und mit den großen, den größten Naturerscheinungen in Zusammenhang gebracht. Wie das Feuer mit der Sonne, so brachte das primitive Denken unserer Vorfahren das Wasser mit dem Monde in geheimnisvollen Zusammenhang. Der Mond erschien ihnen als ein strahlendes, frei in der Luft schwebendes Gefäß, mit himmlischem Rauschtrank gefüllt, der sich immer wieder auf wunderbare ausgetrunken Weise von selbst erneuert und von dem letzten Endes auch das befruchtende Naß der Wolken herstammt. Und wie im Feuer ein Abbild der Sonne, so glaubte man im Meth, im Soma, im Rauschtrank der Feste ein irdisches Abbild des Mondes zu besitzen und wirkte Regenzauber mit ihm, wie Sonnenzauber mit dem festlichen Feuer. Wenn aber Sonne und Mond als ein Liebespaar sich vereinigten, wie der Mythus erzählte, wie die Lieder es sangen, dann fanden sich in solch himmlischer Hochzeit die drei großen Lebensmächte zusammen: Feuer, Wasser und Zeugung!

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Im Gewitter aber, dem gewaltigsten Bewegungsvorgange der Natur, wird Feuer und Wasser zugleich geboren; das Feuer als Blitz, das Wasser als Regen. So kann es nicht wundernehmen, wenn der Gewittervorgang nicht nur als Kampf, sondern auch als ein himmlischer Zeugungsvorgang gefaßt wird und nun wiederum Zeugung, Feuer und Wasser in erhabener Dreieinheit offenbart.

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