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jeder Mahlzeit wurde das Erste von Speise und Trank ins Feuer geworfen und der Gottheit an jedem Tage Weihrauch verbrannt" 1. Sehr merkwürdig aber gemahnen auch die großen Feste des Feuergottes in einigen Hauptzügen an die arischen Sonnen- und Feuerfeste. Zweimal im Jahr wurden solche Feste des Feuergottes gefeiert: „Bei dem ersten wurde ihm zu Ehren ein gefällter Baum aufgerichtet, und die Opfernden umtanzten den brennenden Stamm mit den menschlichen Opfern, die sie nachher in ein großes Feuer warfen, um sie halb geröstet wieder heraus zu ziehen, damit die Priester das Opfer vollendeten. Das zweite war durch den Ritus des neuen Feuers ausgezeichnet, das durch seine Verbindung mit dem Sonnenkultus so wohl bekannt ist. Man erzeugte vor dem Standbilde des Xiuhtecutli in seinem Heiligtum im Hofe des großen Teocalli in feierlicher Weise das heilige Reibungsfeuer, an welchem das Wild, das bei der großen Jagd zu Anfang des Festes erlegt worden war, gebraten wurde, um für die Festgelage zu dienen, welche die Feier beschlossen" 2.

Von den scheußlichen Menschenopfern abgesehen erinnert beim ersten dieser Feste der aufgerichtete Baum, das Umtanzen und Verbrennen desselben an die wohlbekannten Maibaumbräuche der arischen Sonnen- und Feuerfeste. Und selbst an einstige Menschenopfer liegt ja auch bei diesen, wie wir früher angedeutet haben, vielleicht eine Erinnerung vor, in der Verbrennung verschieden benannter Puppen und menschlicher Figuren. Bei dem zweiten der mexikanischen Feuerfeste findet sich aber gerade jene enge Verbindung von Sonnen- und Feuerkult, die den Ariern so charakteristisch ist. Von dem Gelingen der Feuerbohrung hing nach mexikanischem Glauben das Weiterbestehen der Sonne ab ". Ein ähnlicher Glaube hat wahrscheinlich auch bei den Ariern gelebt. Sehr ähnlich klingt die Behauptung der Inder, daß ohne

1 Vgl. Tylor a. a. O., II, S. 279.

2 Vgl. Tylor a. a. O., II, S. 279. 280.

3 Vgl. K. Th. Preuß, Die Feuergötter als Ausgangspunkt zum Verständnis der mexikanischen Religion (Mitteil. der Anthropol. Ges. in Wien Bd. XXXIII, Jahrgang 1903), S. 158. 159. 184.

das tägliche morgendliche Feueropfer die Sonne garnicht aufgehen würde. Die Sonne ist beide Mal abhängig gedacht von dem heiligen Feuerkult auf Erden, und die Pflege des letzteren durch die Menschen ist somit eine hohe, welterhaltende Pflicht.

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In Peru, wo die Sonnenverehrung uralt und hoch entwickelt war, wo sie die große Staatsreligion der Incas bildete, finden wir Ähnliches. Einmal im Jahre, am Sonnenfeste Raymi, wurde auf dem „Goldplatz“ von Cuzco das neue Feuer der Sonne entzündet 1. Es stammt dieser wichtige Brauch in den schon höher entwickelten Religionen Perus und Mexikos aber ohne Zweifel aus primitiven Zeiten her, denn gerade bei primitiven Völkern finden wir vielfach die Sitte des Neufeuers, welches einmal im Jahre meist durch Reibung von Holz feierlich neu erzeugt wird, und es scheint, daß dieser weitverbreiteten Sitte die Vorstellung zu Grunde liegt, die Sonne oder das Sonnenfeuer, die Kraft der Sonne müsse einmal im Jahre erneuert werden und das geschehe eben durch die feierliche Erzeugung des Neufeuers. Wir haben der Sitte des Neufeuers bei den Creek-Indianern bereits gedacht, auch des dort damit verbundenen charakteristischen Gebotes, zuvor alle vorhandenen Feuer zu löschen. Das alte Feuer muß tot sein, ehe das neue entspringt, der alte Gott muß sterben, um dem neugeborenen, lebenskräftigen Platz zu machen. Es drängt sich uns fast unabweisbar die Vermutung auf, daß auch bei den Ariern in der Urzeit eine ähnliche Sitte und ähnliche Vorstellung lebendig gewesen sein müssen.

Was uns vorliegt und was wir bei einzelnen arischen Völkern bereits bemerkt und besprochen haben, sind freilich nur trümmerhafte Reste solchen Brauches, aber sie sind sehr bedeutsam. Wir sahen, daß das Feuer der Vesta in Rom einmal im Jahre, zur Zeit des alten Jahresanfangs, am 1. März erneuert wurde, und zwar nach der autoritativsten Quelle durch Reibung von Holz, während eine andere Quelle die Entzündung des neuen Feuers an der Sonne berichtet 2. Wir sahen, daß die Sitte des germanischkeltischen Notfeuers oder Reibungsfeuers, wenn sie auch nur ganz

1 Vgl. Tylor a. a. O., II, S. 291.

2 Vgl. Preller a. a. O., II, S. 167.

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vereinzelt noch alljährlich, und zwar am Sonnwendfeste zu Johannis, geübt wird, in derselben Richtung hin deutet und eine ursprünglich jährlich geübte Erzeugung des Neufeuers durch Holzreibung wahrscheinlich macht. Das Löschen aller vorhandenen alten Feuer galt auch hier als Bedingung für die Entstehung des neuen, heilkräftigen Feuers. Solches Löschen der alten Feuer übten auch die Griechen auf Lemnos, wo einmal im Jahre das neue Feuer vom Altar des Apollon aus Delos hingebracht wurde. Auch dieser Sitte aber dürfte eine noch ältere Form derselben zu Grunde liegen, bei welcher das Neufeuer durch Reibung erzeugt ward. Noch erzählt der homerische Hymnus, daß Hermes zuerst den Menschen Hölzer zur Erzeugung des Feuers durch Reibung verliehen habe1, — auch hier offenbar das älteste Feuergerät. Ganz anders wiederum war die Entwicklung bei den Indern. Hier hat sich die Erzeugung des Feuers durch Reibung von Hölzern zu einem oftmals geübten Ritus erweitert, der allein das heilige Opferfeuer zu liefern vermag. Der Brauch ist hier nicht mehr auf einen Tag des Jahres beschränkt, sondern weiter ausgedehnt, ursprünglich aber dürfte es auch bei den Vorfahren der vedischen Opferer nicht anders gewesen sein wie in Mexiko, Peru und bei den primitiven Völkern. Die ungeheure, ins Riesenhafte gesteigerte Ausbildung des Opferwesens mit dem heiligen Opferfeuer dürfte in Indien diese besondere Entwicklung veranlaßt haben. Eine Nachwirkung. altarischen Brauches ist wahrscheinlich auch darin noch zu erkennen, daß die römische Kirche den Ritus des Neufeuers unter ihre Osterzeremonien aufgenommen hat. Auch hier wird noch jetzt in Europa beim Osterabendläuten alles Feuer feierlich ausgelöscht und das neue heilige Feuer in zeremonieller Weise angezündet 2.

1 Vgl. den homer. Hymnus auf Hermes, V 108 ff. 111.

2 Vgl. Tylor a. a. O., II, S. 297. 298. In Jerusalem glauben die dortigen Christen, daß am Ostersonnabend, in der Stunde der Auferstehung, in der Grabeskirche heiliges Feuer vom Himmel herab komme, ein unmittelbar gottgeschenktes Neufeuer. Vgl. die lebendige Schilderung von Rudolf Knopf, Griechische Ostern in Jerusalem, Ostdeutsche Rundschau, Wien 5. April 1912 (Feuilleton).

Trotzdem wir also nur Trümmer der alten Sitte des jährlichen Neufeuers bei den Ariern wahrnehmen können, wird es doch für höchst wahrscheinlich gelten dürfen, daß dieselbe in der Urzeit lebendig war, daß sie entweder am Jahresanfang im Beginn des Frühlings oder zu Johannis geübt wurde und daß sie wohl, ebenso wie in Mexiko und Peru, mit dem Sonnenkultus in Zusammenhang stand, resp. ursprünglich in zauberhafter, magischer Weise neues Sonnenfeuer, neue Sonnenkraft schaffen sollte, um dann weiter allgemeiner magisch-kultlichen, lebenschaffenden Charakter zu gewinnen. Ebenso ist es gewiß wahrscheinlich, daß dies Feuer ursprünglich durch Reibung von Hölzern erzeugt wurde1.

1 Nur vereinzelt steht die bei Plutarch, Numa 9, berichtete Gewinnung des Neufeuers vom Sonnenfeuer (Preller a. a. O., II, S. 167). Vereinzelt ist es auch, wenn bei den Palilien der Römer die Flamme von den Hirten aus dem Stein geschlagen wird (vgl. Grimm a. a. O., S. 520). Für das höhere Alter des Reibungsfeuers vgl. noch Tylor a. a. O., II, S. 281. Die Veddas, dieses allerprimitivste und unkultivierteste Volk, machen Feuer mit der einfachsten Form des Feuerbohrers, den sie mit der Hand drehen, Tylor a. a. O., I, S. 51.

DER GEWITTERGOTT UND SEIN KULTUS.

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S sind uns bei der Betrachtung der altarischen Sonnen-, Feuer- und Lebensfeste öfters schon Tatsachen entgegen getreten, welche auch die himmlischen Mächte des Gewitters und Regens an diesen Festen wesentlich mitbeteiligt erscheinen ließen. Die Wasserbräuche spielen bei denselben eine so wichtige Rolle, daß man geradezu von Feuer- und Wasserfesten reden könnte, und dies erschien um so natürlicher, als ja doch erst das himmlische Feuer und das himmlische Wasser im Verein jenes Gedeihen der Vegetation und damit alles Lebens auf Erden zu Stande bringen, das als der letzte und wesentlichste Endzweck dieser alten,,Lebensfeste" sich deutlich herausstellte. Der Regenzauber in mannigfaltigster Form bildete darum ganz naturgemäß einen wichtigen Bestandteil derselben. Bisweilen war dabei speziell auf das Gewitter hingedeutet, in symbolischer Form, wie z. B. beim Mahâvrata-Fest in Indien, wo die Trommeln zweifellos den Donner nachahmen und durch solche Nachahmung herbeiführen sollen. Ebenso haben wohl auch die Forscher recht, welche in einigen der Feuerbräuche dieser Feste eine Beziehung auf das Gewitter, resp. den Blitz erkennen wollen, speziell in dem Schwingen oder Schleudern brennender Fackeln. So erwünscht aber das Gewitter nach der einen Seite durch den reichlichen Regenguß erschien, so bedenklich und gefährlich war es den Menschen nach der anderen Seite, weil der Blitz einschlagen und zünden, ein begleitender Hagelschlag der Vegetation, den Feldern schweren Schaden bringen konnte. Sehnte man das eine herbei, so mußte man doch vor dem anderen sich nach Möglichkeit zu schützen

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