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ist ausdrücklich bezeugt, daß die „,heilige Hochzeit" der Hera wie eine menschliche Hochzeit gefeiert wurde, desgleichen für Aegina '.

Dieser vorbildliche Charakter der Hera-Hochzeit war wohl auch der Grund dafür, daß vor jeder Hochzeit der Hera in ihrer Eigenschaft als Braut und Ehefrau der Hera Τελεια oder Ζυγία Zvyía Opfer dargebracht wurden, daß der Bräutigam der Braut bei Hera und Zeus Treue schwören mußte und daß die Frauen nach der Hochzeit ihren Brautschleier der Hera darzubringen pflegten 2.

Die Athener verlegten die heilige Hochzeit" in den Monat Gamelion, der der zweiten Hälfte unseres Januar, der ersten des Februar entspricht, wahrscheinlich weil in Attika in diesem

Monate die meisten Hochzeiten gefeiert zu werden pflegten 3. Um das Verhältnis des Zeus und der Hera richtig zu würdigen, muß man abzusehen wissen von den bekannten, im Epos oft mit behaglicher Laune ausgemalten ehelichen Zwistigkeiten, welche, gewiß jüngeren Ursprungs, dem Dichter willkommenen Stoff zu ergötzlicher Schilderung boten. Der Bund dieser beiden hohen Götter erscheint im Kultus durchaus als ein hoher und heiliger, und auch im Epos wird von ihm mit der größten Ehrfurcht gesprochen, wie denn auch Zeus mit Vorliebe der mächtig donernde Gemahl der Hera" genannt wurde. Dieser Bund der beiden himmlischen Lichtgötter, er gab als hohes Vorbild dem menschlichen Ehebunde die höhere Weihe.

Hera als bräutliche Gattin des Zeus ist,,der göttliche Vorstand des weiblichen Lebens, wie es in ehelicher Zucht und Sitte blüht und reift". Daher geht ihr Kultus auch vorzugsweise die Frauen an und wird von priesterlichen Frauen besorgt. Ihr zu Ehren hielten die Jungfrauen in Olympia einen Wettlauf, ihr brachten die Frauen dort alle vier Jahre einen Peplos dar?. Die Schönheit der Hera ist eine ,,keusche, strenge und würdige, und wie

1 Vgl. Roscher a. a. O., S. 2101. 2102.

2 Vgl. Roscher a. a. O., S. 2104.

· ἐρίγδουπος πόσις Ηρης.

3

Vgl. Roscher a. a. O., S. 2100.

5 Als τελέια, γαμηλία, ζυγία, συζυγία, νυμφευομένη.

Vgl. Preller a. a. O., S. 137.

7 Vgl. Preller a. a. O., S. 135.

sie selbst in ihrer ersten jungfräulichen Blüte dem Zeus vermählt wurde und von keiner anderen Liebe weiß als von der seinigen, so daß es das Äußerste von Wahnsinn und Lust hieß, der Hera zu begehren, so fordert sie die gleiche Treue und gleiche Keuschheit von allen Vermählten“ 1.

In der bildenden Kunst erscheint Hera gewöhnlich thronend, wie eine Braut verschleiert oder als Ehefrau prächtig gekleidet, immer mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Peplos 2. Sie offenbart sich also auch hier als die himmlische Braut, die himmlische Ehefrau xar' ozýv, wie Sûryâ dies bei den Indern, die Sonnentochter es bei den Letten ist. Das große, ruhig strahlende Auge der himmlischen Lichtgöttin tritt natürlich auch in den Bildwerken sehr charakteristisch hervor; besonders aber möchte ich noch auf die von Roscher bemerkte Tatsache hinweisen, daß die auf unteritalischen Münzen den Kopf der Hera Lakinia strahlenförmig umfliegenden Haare eine merk würdige Ähnlichkeit mit der bekannten Haartracht des Helios' besitzen und ebenfalls die Bedeutung einer Strahlenkrone zu haben scheinen. Es zeugt das, wie mich dünkt, ebenfalls für ihren Charakter als Sonnengottheit.

Die häuslichen Zwiste zwischen Hera und Zeus sind, wie ich schon angedeutet habe, jedenfalls späteren, speziell griechischen Ursprungs und kommen für die Vergleichung nicht in Betracht. Sie ergeben sich fast mit Notwendigkeit aus der Eifersucht, die bei dem keuschen Eheweibe angesichts der zahlreichen Liebschaften ihres königlichen Gemahls sich entwickeln mußte. Wir kennen bereits den tieferen Grund dieser Liebesgeschichten, die, ursprünglich nichts weniger als frivol, nur die unerschöpfliche Zeugungskraft des Himmelsgottes zeigten. Und so wenig wir uns durch dieselben das hehre Bild des Zeus, wie das griechische Volk ihn glaubte, trüben lassen dürfen, ebensowenig darf uns das Bild des in der „heiligen Hochzeit“ (dem iɛgòs yάuos) ver

Vgl. Preller a. a. O., S. 138.

2

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Vgl. Preller a. a. O., S. 139.
Vgl. Roscher, Myth. Lex., Bd. I, S. 2097.

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mählten himmlischen Paares durch Eifersuchtsgeschichten herabgesetzt und getrübt werden 1.

Die Person des göttlichen Gemahls ist freilich nicht dieselbe wie im Mythus der Sûryâ. Aber wir sahen ja bereits, daß bei den Indern sowohl wie bei den Letten der himmlische Bräutigam und Ehemann der Sonnentochter vielfach wechselt. Nur ein himmlischer Lichtgott mußte es sein. Und das ist Zeus, ja sogar der höchste und oberste himmlische Lichtgott. Wir dürfen diese Fassung des Mythus bei den Griechen sogar für eine besonders glückliche und anmutende halten; denn dadurch, daß der bräutlichen Lichtgöttin der oberste Himmelsgott zum Gemahl gegeben wurde, erhob sie selbst sich zu dem Range einer Königin des Himmels und ihr gesamtes Wesen erhielt damit nur um so mehr Nachdruck, Bedeutung und Würde.

Lichthimmelgott und Sonnenjungfrau passen gewiß gut als ein Paar zusammen, und die griechische Fassung des Mythus geht vielleicht in ihren Wurzeln auf eine urzeitliche Variante der himmlischen Hochzeitsgeschichte zurück, die auch in den verwandten, gleich zu erörternden germanischen Mythen sich widerspiegelt. Ihre Entstehung läßt sich aber auch noch von einer anderen Seite her veranlaßt finden. Wir wissen, daß der altarische Himmelsgott sich bei den Griechen in Uranos und Zeus gespalten hatte. Die zweifellos uralte Vorstellung von der Gattenschaft des Himmels und der Erde haftete an Uranos fest und ist einer der wenigen, diesen Gott bestimmt charakterisierenden Züge. Des Uranos Weib ist Gaea, die Erde. Schon darum aber brauchte Zeus, der Lichthimmelgott, ein anderes Weib und es bot sich ihm sehr natürlich in der schönen Sonnenjungfrau dar.

1 Die Sage von Heras Witwenschaft halte ich für eine jüngere, ebenso wie die vom Tode des Zeus. Sie ergänzte Brautschaft und Eheleben der Himmelsgöttin und ergab sich von selbst, sobald die Sage vom Tode des Zeus sich geltend machte. Über die letztere vgl. Bd. I, S. 464.

2 Bedenkt man übrigens, daß Zeus den Lichthimmelgott mit dem Donnerer in sich vereinigt und daß der lettisch-litauische Perkunas von dem alten Himmelsgott dieser Völker nicht streng geschieden ist, sondern oft geradezu mit ihm identisch scheint (vgl. Bd. I, S. 533 ff.), dann berührt sich die Verbindung des Zeus mit der Sonnenjungfrau vielleicht auch mit der lettischen

Ob Hera in einer älteren Zeit auch bei den Griechen mit den Dioskuren verbunden wurde, wie Sûryâ mit den Açvinen, die lettische Sonnentochter mit den Gottessöhnen, das müssen wir zunächst dahingestellt sein lassen. Ich komme auf die Dioskuren später zu sprechen. Für jetzt müssen wir zusehen, ob uns noch weitere Parallelen des himmlischen Hochzeitsmythus bei anderen arischen Völkern entgegen treten.

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Es kann keinem Zweifel unterliegen und gilt bei allen Kennern des Gegenstandes als eine feststehende Tatsache, daß die Römer, die Italiker überhaupt, in ihrer großen Göttin Juno eine in allem Wesentlichen der griechischen Hera entsprechende Göttergestalt besaßen und verehrten. Ebenso unzweifelhaft aber ist es ferner, daß Juno nicht wie so manche andere der römischen Göttergestalten von Griechenland entlehnt, von dort nach Rom herübergekommen ist, daß sie vielmehr als eine unzweifelhaft alte und echte italische Göttin zu gelten hat, der ältesten und echtesten eine 1. Überall, wo Jupiter verehrt wird, steht neben. ihm seine erhabene Gemahlin Juno. Alte gefeierte Stätten ihres Kultes lassen sich an den verschiedensten Orten, in den verschiedensten Gegenden Italiens nachweisen, wenn auch Latium und Rom in dieser Hinsicht besonders kräftig hervortreten, und es galt als besonders bedeutsamer Umstand, daß nicht nur Rom in seinem Junius einen dieser Göttin speziell geweihten, nach ihr benannten Monat besitzt, sondern daß auch die Kalender von Aricia, Tibur, Praeneste, Laurentum, Lanuvium und anderen Orten einen solchen Monat kennen, mag derselbe nun Junius, Junonius, Junonalis oder sonstwie heißen. Der Name der Göttin kennzeichnet sie nach der bisher geltenden Auffassung als die Gattin des großen Lichthimmelgottes Jupiter und gehörte darnach aufs engste zusammen mit dem alten Namen Dione, den Hera, die Gattin des Zeus, in Dodona und bei den Epiroten trug.

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Variante, nach welcher auch Perkun ausnahmsweise als Freier der Sonnentochter auftritt.

1 Vgl. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, S. 113 ff.; Preller, Röm. Mythol., 3. Aufl., S. 271 ff.; Roscher, Mythol. Lex., Bd. II, S. 574 ff. 2 Vgl. Roscher a. a. O., S. 575. 576; Wissowa a. a. O., S. 114.

Nichts anderes als eben diese Gattenschaft besagen, wie es scheint, die verwandten Namen Juno-Dione 1. So ist denn schon längst der Schluß gezogen worden, daß bereits die gräco-italische Vorzeit neben dem Himmelsgott Jupiter-Zeus eine Himmelsgöttin und Gemahlin desselben, Juno-Dione-Hera, besaß. Für uns aber ergibt sich aus diesem Verhältnis mit zwingender Notwendigkeit die Vermutung, daß auch in Juno, ebenso wie in Hera-Dione, eine alte Sonnengottheit zu suchen sein möchte, die junge Sonne, die Sonnentochter, die sich in bräutlicher Schönheit dem Lichthimmelgotte vermählt, um mit ihm zu fester Gemeinschaft verbunden, das aller menschlichen Ehegemeinschaft vorbildliche himmlische Gattenpaar darzustellen, wie Hera und Zeus.

Es ist ein Verdienst von W. H. Roscher, dieses vorbildliche eheliche Verhältnis der Juno zum Jupiter als ganz analog demjenigen von Hera und Zeus, dem iɛgòs yάuos des griechischen Götterpaares, in überzeugendster Weise klar dargelegt zu haben 2. Bezüglich der ursprünglichen Naturbedeutung der beiden Göttinnen Hera und Juno weicht aber sein Urteil von dem unserigen wesentlich ab, da er von Juno ausgehend diese mit Bestimmtheit als alte Mondgöttin zu erkennen glaubt und daraus auch für Hera den gleichen Charakter als Mondgöttin erschließen will, obwohl sich dieser bei der griechischen Göttin in keiner Weise überzeugend dartun läßt. In völligem Irrtum aber befindet sich der verdiente Forscher, wenn er glaubt, daß auch die verwandten Mythen der Inder und der Litauer diese Auffassung bestätigen 3. Es ist

Juno aus Jounon-, Diounon-, von Jupiter, Jov-is, Diov-is, ebenso abgeleitet wie Διώνη von Ζεύς, Διός. Über eine neuere Etymologie vgl. Vgl. Roscher a. a. O., S. 577–594.

weiter unten.

2

3 Vgl. Roscher, Mythol. Lex., Bd. I, S. 2098. Er stützt sich hier auf ,,die eigentümliche, bei mehreren indogermanischen Völkern, z. B. den Indern, Litauern, Griechen und Italikern, nachweisbare Vorstellung, daß die Stiftung der Ehe auf die Hochzeit der Mondgottheit entweder mit dem Himmelsgott (Zeus, Jupiter) oder dem Gott der Sonne zurückzuführen sei". So formuliert ist die Sache aber nicht richtig. Nicht die Mondgottheit ist das wesentliche bei dem Mythus der himmlischen Hochzeit, sondern die Sonnengottheit, die als bräutliche Jungfrau gedachte junge Sonne, die Sonne, - die einmal im Jahr sich erneuert nach weit verbreitetem Glauben

und

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