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Funfzehntes Capitel.

Reise von Oster-Eiland nach den Marquesas. Aufenthalt im Hafen Madre de Dios auf der Insel Waitahu. Reise von da über die flachen Inseln nach Tahiti.

Von Oster-Eiland segelten wir mit so schwachem Winde, daß wir uns am folgenden Mittage noch im Angesichte der Insel und kaum 15 Meilen weit vom Ufer befanden. Das Wetter war schwůl und Capitain Cook bekam ein Recidiv seines Gallenfiebers, weil er in den Stunden der heftigsten Mittagshihe sich am Lande zu stark angegriffen hatte. Alle diejenigen, welche ihn auf dem langen beschwerlichen Marsch quer über die Insel begleitet, hatten von der Sonnenhiße Blasen im Gesicht bekommen, die täglich empfindlicher wurden, je mehr die Haut sich abschalte. So kurz auch unser Aufenthalt am Lande gewesen und so wenig frische Gewächse wir da genossen; so hatten sich dennoch unsre Kranken vom Scorbute ziemlich erholt, und klagten zum Theil nur noch bloß über Mattigkeit. Die wenigen Erfrischungen auf Oster - Eiland hatten aber unsern Appetit gleichsam noch mehr gereizt und uns auf die Inseln des Marquese de Mendoza, nach denen wir jest hinsteuerten, desto begieriger gemacht. Zum Glück bekamen wir am nächsten Tage frischern, dauernden Wind, welches unsern Hoffnungen mehr Zuverläßigkeit und uns selbst mehr Heiterkeit und Muth gab, als wir seit einigen Monaten empfunden hatten. Desto beunruhigender dünkte es uns aber, als ein paar Tage nachher verschiedene unsrer Leute von neuem zu krånkeln und besonders über Verstopfungen und Gallenfieber, diese tödtlichen Krankheiten der heißen Himmelsstriche, zu klagen anfingen. Unter diesen

Kranken war auch unser Wundarzt selbst mit begriffen. Ein Umstand, der uns die größte Besorgniß verursachte. Das Betrübteste aber war, daß unsre Patienten die süßen Kartoffeln, die wir erhalten, als eine für ihren schwachen Magen allzu schwere -Speise, nicht genießen konnten.

Eine Windstille, von der wir am 24. unterm 17. Grade südlicher Breite überfallen wurden, schien bei unsern Kranken sehr unangenehme Folgen hervorzubringen. Viele verschlimmerten sich dabei augenscheinlich. Selbst Capitain Cook mußte, wegen einiger höchst gefährlichen Zufälle, von neuem das Bette hüten. Zum Glück stellte sich schon am Nachmittag wieder guter Wind ein und weil er binnen ein paar Tagen immer frischer wurde, so ward auch die Luft sehr angenehm abgekühlt: Für die Gallenfieber-Patienten ein ungemein heilsames Wetter! Sie erschienen halb aufgelebt wieder auf dem Verdecke und suchten, so viel die erlittne Entkråftung es gestatten wollte, von neuem herumzugehen, oder vielmehr zu schleichen.

Mein Vater ließ seinen tahitischen Hund, den einzigen der noch lebend am Bord war, abschlachten, und Capitain Cook wurde damit einige Tage hintereinander beköstiget. Er durfte es nicht wagen, von dem gewöhnlichen Schiffsproviant zu essen, und wir hielten es für einen sehr glücklichen Zufall, daß wir etwas dazu beitragen konnten, das Leben eines Mannes zu erhalten, auf den das fernere Glück der ganzen Reise zu beruhen schien.

Nachdem wir Oster-Eiland verlassen hatten, sahen wir täglich tropische und Sturmvögel (Shearwaters or Puffins of the Isle of Man. *) scheuchten auch manchen Schwarm fliegenger Fische zum Wasser heraus. Lettere zeigten sich am 27. auBerordentlich häufig; sie waren aber alle klein, der größte nicht über einen Finger lang, die kleinsten hatten kaum die Långe von einem oder anderthalb Zoll. Wir befanden uns damals zu Mittag unter 13° 13′ füdlicher Breite.

Seit der Meeresstille vom 24. hatten wir einen beståndigen starken Ostwind, der unsern Lauf sehr begünstigte. Das Wetter war zugleich so heiter, daß das Seewasser, welches immer mit der Farbe der Luft in genauem Verhältniß zu stehen pflegt, in einer schönen, hochblauen Farbe glänzte. Wir sahen

*) Procellaria Puffinus.

von Zeit zu Zeit Doraden, Boniten und Haifische, und eine große Mannigfaltigkeit von Vögeln, die auf die fliegenden Fische Jagd machten, belebten die Aussicht.

Ein großer Vortheil war es, daß die Sonnenhiße durch die schnelle Bewegung der Luft gemäßigt und erträglich gemacht wurde, so daß man mit Vergnügen auf dem Verdecke herumgehen konnte. Dies stärkte wenigstens einigermaßen unsern Muth und erquickte unsre Kranken, die jest im eigentlichen Verstande von Wind und Hoffnung lebten; denn sie hatten sonst nichts, woran sie sich hätten laben können. Der Vorrath von Pflanzen- und Kräuterwerk, den wir auf Oster-Eiland hatten einlegen können, war verzehrt, und also mußte man entweder von neuem mit dem elenden Pöckelfleisch vorlieb nehmen, das während der dreijährigen Reise Saft und Kraft verloren hatte, oder, sich entschließen, bei schmalen Portionen von trocknem Brot, Hunger und Kummer zu leiden. Wir wünschten daher recht sehnlich von allen diesen Unannehmlichkeiten so bald als möglich befreiet zu werden, und das Thermometer unsrer Erwartungen stieg und fiel nach den Graden des ab- oder zunehmenden Windes. Alle vorräthigen Nachrichten von Mendanna's Reisen wurden sorgfältig zu Rathe gezogen. In sofern die darin angegebene unbestimmte Entfernung der Marquesas von der pe= ruanischen Küste einem jeden Freiheit ließ, seinen Hoffnungen, Wünschen und Vermuthungen nachzuhängen, hatten wir auch sicher alle Tage, wenigstens eine neue Berechnung ihrer Långe vor uns. Fünf Tage hintereinander durchsegelten wir die unterschiednen Lagen, die unsre neuen Geographen diesen Inseln angewiesen. Einige unsrer Reisegefährten, die entweder schlau genug gewesen waren, ihre eignen Meinungen heimlich zu halten, oder auch freimüthig gestanden, daß der Inhalt jener Nachrichten viel zu unbestimmt wäre eine Hypothese darauf bauen zu können, schienen sich darüber lustig zu machen, daß von unfern, auf dergleichen Muthmaßungen gegründeten Hoffnungen, eine nach der andern zu Wasser wurde.

Während dieser Fahrt hatten wir einige schöne Abende, vornehmlich bemerkten wir am 3. April, bei untergehender Sonne, daß Himmel und Wolken in mannigfaltig spielendem Grün erschienen. Eine gleiche Bemerkung hatte Frezier schon vorher ge= macht, und im Grunde sind Erscheinungen dieser Art nichts AuBerordentliches, wenn die Luft mit häufigen Dünsten erfüllt ist,

welches zwischen den Wendezirkeln oft sich zu ereignen pflegt. An demselben Tage fingen wir einen kleinen Saugefisch (Echineis Remora), der an einem fliegenden Fische hing, womit eine Angel geködert worden war. Es ist also ein Irrthum, wenn man glaubt, daß diese kleinen Thierchen sich bloß an die Haifische hången. Um eben die Zeit bemerkten wir einen großen Fisch von der Rochen-Art, die von einigen Schriftstellern SeeTeufel genannt werden. Er glich demjenigen vollkommen, den wir am 1. September 1772 im atlantischen Meere wahrge= nommen hatten. (Siehe im ersten Bande S. 61.) Die Meerschwalben, Fregatten- und tropischen Vögel wurden täglich håufiger, je weiter wir gegen Westen liefen und uns den Inseln nåherten, die wir zu finden gedachten.

Endlich erblickten wir am 6. April Nachmittags eine kleine steile Insel; sie war aber zum Theil in Nebel gehüllet, welche sich verstärkten, je weiter wir heran kamen. Man konnte also das Land vorläufig noch nicht näher betrachten, oder aus dem Ansehn desselben urtheilen, ob vielleicht Erfrischungen darauf anzutreffen sein möchten. Quiros, den man für den Verfasser der im Jahr 1595 unternommenen Reise des spanischen Utelantado oder General - Capitains Don Alvaro Mendanna de Neyra ansiehet, gibt von der Gruppe von Inseln, die damals entdeckt worden, eine vortheilhafte Beschreibung. Sie wurden zur selbigen Zeit die Inseln des Marquese de Mendoza genannt, zu Ehren des Vice-Königs von Peru, Don Garcia Hurtado de Mendoza, Marquis von Eagnete, als welcher jene Expedition veranstaltet hatte. Wir studirten diese Reisebeschreibung auf das sorgfältigste, um uns von dem Lande, das nun vor uns lag und unsre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, einen, so viel möglich, deutlichen Begriff zu machen.

Um folgenden Morgen ließen wir es uns eifrigst angelegen sein, auf das Land loszusegeln; die Luft war zwar voller Dünste, wir konnten aber dennoch die verschiedenen Inseln bald unterscheiden, welche von den Spaniern Dominica, St. Pedro und St. Christina genannt worden. Wir wurden zugleich überführet, daß die steile Insel, auf die wir zuerst gestoßen, von Mendanna nicht war bemerkt worden. Capitain Cook nannte sie also HoodsEiland, dem jungen Seemanne zum Andenken, der sie von unferm Schiffe aus zuerst wahrgenommen hatte. Dominica, eine hohe bergigte Insel, deren nordöstliche Spiße ungemein steil und

unfruchtbar ist, war uns am nächsten. Auf der Nordseite der= felben gab es einige waldige Thäler und hin und wieder einzelne Hütten. Gleich nach Verschwindung der Nebel entdeckten wir viele thurmähnliche, spißige Felsen, auch mitten in der Insel einige hohle Bergspigen, die zu beweisen schienen, daß feuerspeiende Berge und Erdbeben an der jebigen Gestalt und Beschaffenheit des Landes vielen Antheil haben. Der ganze östliche Theil besteht aus einer fürchterlich steilen, hohen Felsenwand, die dem Auge wechselweise schroffe Bergspißen und aufgerissene Abgründe zeigt.

St. Pedro ist eine kleine Insel von mindrer Höhe; sie kam uns aber weder sonderlich fruchtbar, noch stark bewohnt vor. St. Christina hingegen, die am weitesten gegen Westen liegt, schien unter allen das meiste zu versprechen. Ob sie gleich hoch und steil ist, so findet man doch verschiedne Thaler, die gegen die See hin sich erweitern, und die Wälder reichten bis an die Spike der Berge hinauf. Um 3 Uhr kamen wir zwischen dem südlichen Ende von Dominica und dem nordöstlichen Theile von St. Christina in die Straße, die hier ungefähr zwei Meilen weit ist. Wir entdeckten auf beiden Inseln, zwischen den Bergen, einige angenehme Thåler; solche Ebenen aber, dergleichen die Societats-Inseln verschönern, suchte man hier vergebens. Bei alledem sah die Küste von St. Christina doch so anmuthig aus, daß sie uns, wie jeden andern eben so ausgemergelten Seefahrer, mit neuer Hoffnung belebte. Wir fuhren bei verschiedenen kleinen Buchten vorüber, auf deren Strande die See eine hohe Brandung schlug. Die beiden vorspringenden Spigen dieser Buchten schlossen ein Thal ein, das uns, seiner schönen Wälder und Pflanzungen und des lebhaft grünen Bodens wegen, ungemein gut gefiel. Auf dem Strande sahen wir einige Einwohner hin und herlaufen, welche das Schiff neugierig angafften. Einige brachten ihre Canots ins Wasser und versuchten uns nachzukommen; der starke Wind aber trieb das Schiff so schnell fort, daß sie weit zurückbleiben mußten. An der Westseite der Insel fanden wir einen reizenden Hafen und wünschten sehnlich, darin Anker werfen zu können. Als wir uns aber eben drehten, um darin einzulaufen, sauste ein starker Windstoß über die hohen Berge mit solcher Gewalt herab, daß das Schiff ganz auf die Seite zu liegen kam, die mittlere Bramstange verloren ging, und wir selbst mit genauer Noth der Gefahr entka

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