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lich, während nicht weiter hervorragende geister nur durch besonders günstige gelegenheit, z. b. durch jahrelange thätigkeit als ärzte oder pädagogen, sich gewöhnen, einen ausserordentlich bescheidenen massstab an die intelligenz der menschen anzulegen. Die wenig schmeichelhafte anrede »fool ist bei Pope sehr gebräuchlich, wenn er sich an die menschheit im ganzen oder an den menschen an sich wendet. Auch ist der begriff der narrheit bei ihm aus reicher erfahrung geschöpft und frei in verschiedene arten und unterarten gegliedert. Die glänzendsten abschnitte in seinen satirischen gedichten sind die, wo er die arten der narrheit als geiz und verschwendung, eitelkeit, geschmacklosigkeit, sammelwut, launenhaftigkeit u. s. w. anschaulich und witzig schildert. Auch hier, so sehr er auf eigenen wegen geht und sich mit darlegung von allgemeinen regeln nicht viel aufhält, hat er seine berührungspunkte mit dem zeitgeiste, namentlich indem er den gesunden sinn, gesunden menschenverstand im weitesten sinne (good sense) der mannigfaltigen menschlichen thorheit entgegenstellt. Bezeichnend für den Engländer ist die vorliebe, mit der er auf die beziehungen des gebildeten oder sich gebildet dünkenden menschen zum gelde eingeht, bei dessen erwerbung er sich, wenn er auch oft vom pelf (schund) redet, sehr praktisch, bei dessen verwendung er sich musterhaft gezeigt hat.

In genauer zu bestimmende beziehungen tritt Pope zu einem andern hauptpunkte, der in der aufklärungszeit mit im vordergrunde des interesses stand, nämlich zu der lehre von der fortdauer der menschlichen persönlichkeit nach dem tode. Man kann nicht sagen, dass die stellung, welche er zu dieser seit jahrtausenden die menschheit beschäftigenden frage einnimmt, viel anziehendes hätte. Wenn wir Deutschen mehr nationale eitelkeit besässen, so könnten wir im hinblick auf das, was unsere aufklärer darüber vorgebracht haben, uns sehr vortrefflich dünken im vergleich zu den berühmtesten vertretern dieser richtung unter den Engländern. Denn mag man auch den ansichten Lessing's, Mendelssohn's und Kant's weder nach ihrem inhalte noch nach ihrer begründung beistimmen, man muss doch den ernst, mit dem diese männer die sache auffassten, und die tiefe ihrer gedanken anerkennen.

Pope's mehrfach deutlich genug ausgesprochene grundansicht ist, dass wir nur von dem menschen im diesseits etwas

wissen, dass das menschliche erdenleben für sich allein als eine abgeschlossene sache zu betrachten ist, dass wir über das jenseits ganz im dunkeln tappen. So sicher nun auch hieraus der schluss zu ziehen wäre, dass wir das jenseitige leben in rücksicht auf die beweggründe unserer handlungen und unser urteil über die natur und die bestimmung der menschen gänzlich ausser der rechnung zu lassen hätten, so gewiss wird doch jeder kenner Pope's annehmen, dass er diesen schluss nicht ausdrücklich gezogen haben wird. Das hatte er auch gar nicht nötig; um seinen gedanken eingang zu verschaffen, brauchte er nur nicht das gegenteil zu sagen. Pope wäre auch nicht Pope gewesen, wenn er anders als gelegentlich und im vorbei. gehen auf die in rede stehende sache zu sprechen gekommen wäre. Er thut dies auch wirklich, und die wenigen stellen, wo er der unsterblichkeit der seele erwähnt, sind so merkwürdig und in verschiedener hinsicht so charakteristisch, dass es sich verlohnt, sie etwas genauer zu betrachten.

Der dritte abschnitt des ersten briefes des Essay on man hebt mit dem gedanken an, dass dem menschen zu seinem glücke die kenntnis eines jenseitigen zustandes versagt sei. Von v. 91 an heisst es dann weiter:

>>Hope humbly then; with trembling pinious soar;
Wait the great techer death, and God adore.
What future bliss he gives not thee to know,
But gives that hope to be thy blessing now.
Hope springs eternal in the human breast;
Man never is, bud always to be blessed.
The soul, uneasy, and confined from home,
Rests and expatiates in a life to come.<<

Die letzten worte dieser schönen stelle scheinen in der that keinen zweifel daran übrig zu lassen, dass Pope der menschlichen seele nicht allein unsterblichkeit zuschreibt, sondern sogar ihr eigentliches vaterland in das jenseits verlegt. Der scharf nachdenkende leser wird nicht wenig überrascht durch dieses bekenntnis der lehre, die, schon vor Plato vorhanden, doch von diesem am geistreichsten vorgetragen, von philosophen und theologen mit dem namen präexistenzianismus bezeichnet wird. Ist der leser aber auch etwas philologe und fragt auch bei schönen und erhabenen worten eines ihm vor

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liegenden textes nach solchen dingen wie lesarten und varianten, so wird seine verwunderung über unseres dichters plötzlichen platonismus sehr vermindert. Das wörtchen from nämlich in v. 97 taucht das erste mal in der ausgabe von 1743 auf; vorher stand an der stelle ein at, und der sinn war: »Die seele, beschränkt auf ihre heimat« (die erde) u. s. w. Sapienti sat!1) Pope fährt unmittelbar fort:

>Lo, the poor Indian! whose untutored mind
Sees God in clouds, or hears him in the wind;
His soul proud science never taught to stray
Far as the solar walk or milky way;
Yet simple nature to his hope has giv'n,

Beyond the cloud-topped hill, an humbler heav'n;
Some safer world in depth of woods embrac'd,
Some happier island in the wat'ry waste,

Where slaves once more their native land behold,
No fiends torment, no christians thirst for gold.
To be, contents his natural desire;

He asks no angel's wing, no seraph's fire;
But thinks, admitted to that equal sky,
His faithful dog shall bear him company.«

Im vierten abschnitte fährt der dichter fort (v. 113):
>> Go, wiser thou! and in thy scale of sense,
Weigh thy opinion against Providence ;
Call imperfection what thou fanci'st such,
Say, Here he gives too little, there too much!
Destroy all creatures for thy sport or gust,
Yet cry, If man's unhappy, God's unjust;
If man alone ingross not heav'n's high care,
Alone made perfect here, immortal there:
Snatch from his hand the balance and the rod,
Re-judge his justice, be the god of God.<<

1) Vgl. auch The works of Pope. New edition . . . by Rev. Whitwell Elwin. Vol. II p. 355 note 4. >> All editions till that of 1743 had 'at' for 'from'. The home of the soul was this world according to the first reading, and the next world according to the second. The alteration was made under the auspices of Warburton to get rid of the imputations that Pope doubted or disbelieved the immortality of the soul.<<

Auch das, was wir hier hören, lässt die fortdauer der menschlichen seele in einem höchst eigentümlichen lichte erscheinen. Ihre erwähnung wird den tadlern gottes, den gegnern von gottes richtig verstandener weltregierung in den mund gelegt. Es ist ein ausfluss ihrer anmassung und kurzsichtigkeit, dass sie von gott verlangen, er solle den menschen vollkommen und unsterblich gemacht haben, sonst sei er ungerecht.

Pope geht von der eben citierten stelle an zu anderen gedanken über, kommt aber auf die sache noch einmal im vierten briefe des Essay on man (v. 167) zu sprechen, wo die fortdauer der seele mit der vergeltung für gutes und böses in interessante verbindung gesetzt wird:

>What nothing earthly gives or can destroy,

The soul's calm sunshine, and the heartfelt joy,
Is virtue's prize. A better would you fix?
Then give humility a coach and six,
Justice a conqu'rors sword, or thruth a gown,
O public spirits its great cure, a crown 1).
Weak foolish man! will heav'n reward us there,
With the same trash mad mortels wish for here?
The boy and man an individual makes,
Yet sigh'st thou now for apples and for cakes?
Go, like the Indian, in another life

Expect thy dog, thy bottle, and thy wife,
As well as dream 2) such triffles are assigned
As toys and empires, for a god-like mind:
Rewards, that either would to virtue bring
No joy, or be destructive of the thing:
How oft by these at sixty are undone

The virtues of a saint at twenty-one ! <<

Es ist von nur nebensächlicher bedeutung, dass die zu letzt angeführte stelle (genau v. 173–180) zuerst in der ausgabe von 1743 erschien, dann augenscheinlich auf Warburton's

1) Mit diesem satirischen stiche ist Georg II. gemeint, der als prinz von Wales zur oppositionspartei gehörte, diese aber bei seiner thronbesteigung verliess und die minister Georg's I. beibehielt.

2) Ich fasse dream ebenso wie go und expect als imperativ auf, übersetze also: Geh . . . erwarte . . . oder träume auch, dass u. s. w. Die setzung eines kommas nach dream könnte einem Deutschen bei dieser auffassung erforderlich erscheinen, ist es aber nach englischem gebrauche nicht.

veranlassung weggelassen wurde und dann von 1797 an, zuerst in Warton's ausgabe, wieder auftauchte, welcher letztere ausdrücklich dazu bemerkte, dass sie dem verfasser keine ehre mache; vielmehr fällt ins gewicht, dass, wie es thatsächlich geschehen, ein jeder daraus den gedanken lesen kann, es sei eines weisen mannes nicht würdig, im jenseits vergeltung für die tugend, die er im leben geübt, zu erwarten, der weise beschränke daher sein streben und den zweck seiner tugenden auf das diesseits; dass man aber dem dichter kaum vollkommen und genügend nachweisen kann, er habe das sagen wollen, besonders den letzten gedanken, der weise verzichte auf das jenseits. Ebenso verhält es sich mit dem zweimal zur sprache gebrachten Indianer. Pope würde sich ernstlichst verwahrt heben, wenn man ihm vorgerückt hätte, man lese zwischen den zeilen, dass es sache eines von der kultur ganz unberührten, geistig kindischen menschen sei, sich überhaupt ein jenseits vorzustellen, aber was wollen wir auf die bestimmte frage antworten hat er die möglichkeit oder wahrscheinlichkeit einer solchen auffassung bei seinen lesern angenommen? 1)

Wenn wir die stellung unsers dichters zu den hauptartikeln der aufklärung nunmehr als ganzes betrachten, so wird sich vielleicht im rückblick auf seine lehre von gott die vermutung geltend machen, dass uns seine ideen von den grundlagen der moral und von der fortdauer der menschlichen persönlichkeit nach dem tode dahin leiten müssten, auch seine ansichten über gott einerseits mehr pantheistisch, andererseits mehr deistisch aufzufassen, als es seinen worten nach auf den ersten augenschein hin geschehen. In der that liegt aber die sache so: Wir drücken mit dieser erwägung nur die thatsache aus, dass wir die hauptlücke in der gesammtheit seiner gedanken, sagen wir in seinem system, wenn wir das wort in so weitem sinne nehmen dürfen, entdeckt haben. Es wird vielleicht mancher sagen: wer so über gott dachte wie Pope, der konnte über die menschliche willensfreiheit und über die unsterblichkeit der seele nicht so denken wie er. Das ist unsers erachtens that

1) Mit recht ist schon früher bemerkt worden, dass die stelle am ende des ersten briefes des Essay on man (v. 285 f. Submit: in this, or any other sphere, Secure to be as blessed as thou canst bear.), wo der dichter auf ein jenseitiges leben hinzuweisen scheint, dem hier ausgeführten nicht wirklich entgegensteht. Vgl. Elwin's Pope vol. II p. 370 note 3 und anhang II.

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