Page images
PDF
EPUB

händlers«<, die von 1724 an erschienen und sich gegen die verleihung eines patentes für die prägung von kupfermünzen an einen gewissen Wood richteten. Wir hören, dass ein preis von 300 auf die entdeckung des verfassers innerhalb sechs monate gesetzt wurde, den aber keiner verdienen wollte, obgleich es allgemein bekannt war, dass Swift der verfasser der briefe sei. Swift, vorher so verhasst, wird der abgott des volkes; eine legende bildet sich um ihn, unzählige geschichten werden von ihm und seinem auftreten für das volkswohl erzählt, die er aber selbst als thörichte erfindungen bezeichnet (18. Januar 1725). Mitten während des sturmes, den er erregt hatte, zog er sich für einige monate in das in einsamer haide gelegene haus seines freundes dr. Sheridan zu Quilca zurück, wo er ländliche arbeiten vornahm, seinen finsteren gedanken nachhing und Gulliver's reisen verfasste.

Teils um dieses werk drucken zu lassen, teils um wieder fühlung mit seinen englischen freunden zu gewinnen, ging er im jahre 1726 nach England. Er wurde ausserordentlich gefeiert, am hofe der prinzessin von Wales mit auszeichnung empfangen und von dem premierminister Walpole über irische angelegenheiten zu rate gezogen.

»Ich würde gerne hier wohnen bleiben,« schreibt er (19. April 1721), »aber die unbequemlichkeit und die kosten, nur ein besucher zu sein, sind nicht so angenehm wie ein leidliches heim; und das aufheben, das die leute mit mir machen, gewährt mir weder befriedigung noch vergnügen.« Er fand, dass seine anschauungen sehr wenigen leuten mehr gefielen, und kehrte deshalb, wenn auch ungern, nach Irland zurück. Gulliver's reisen erschienen unterdessen und machten ungeheures aufsehen. » Was kapitän Gulliver angeht,« schreibt er, »so finde ich, dass sein buch in diesem königreich, das an ausgezeichneten beurteilern reich ist (ironisch zu verstehen!), sehr getadelt wird, aber in England, höre ich, hat es einen buchhändler fast reich genug gemacht, ein Aldermann zu sein« (14. Februar 1727). Er beklagt sich, dass es beim drucke verstümmelt sei, indem der verleger aus furcht vor verfolgung viele satirische anspielungen ausgelassen und gemildert habe. Im jahre 1727 ging Swift noch einmal nach London. Der tod des königs und die freundschaftlichen beziehungen zu dem hofe seines nachfolgers liessen ihn auf gunst und beförderung hoffen, und gar zu gerne hätte er Irland verlassen, das er als > einen schmutzigen, dunkelen winkel der welt, ein »elendes hundeloch und gefängnis« betrachtete. Aber er wurde enttäuscht.

>>Wenn sie dachten, schreibt er nach seiner rückkehr an Chetwode (23. November 1727), »dass ich gunst bei hofe hätte, so irrten się sich und waren falsch berichtet. Es verhält sich ganz anders, wenigstens was das ministerium angeht. Ich bin auch nie an den hof gegangen, ausser wenn man nach mir schickte und dann nicht immer.< Bei seiner rückkehr fand Swift seine Stella schwer krank, sie starb im anfange des folgenden jahres und liess den einsamen, vergrämten mann noch einsamer und verbitterter zurück.

Während des grössten teiles des jahres 1729 weilt er in Market Hill bei seinem freunde Sir Arthur Acheson. Klagen über körperliche leiden, über die schlechtigkeit und bosheit der menschen, über die wachsende verarmung des landes und eigenen mangel an geld füllen die nächsten briefe aus. Dann ging die freundschaft auseinander, hauptsächlich wohl, wie so viele freundschaften, infolge einer weigerung Swift's, dem freunde, der sich verbaut hatte, mit einem darlehn auszuhelfen. Der letzte brief Swift's vom 8. Mai 1731 und die antwort Chetwode's enthalten vorwürfe, bissige anspielungen und anklagen.

So schliesst dieser briefwechsel, der zwar nicht viele neue thatsachen über das leben Swift's bringt und auch keineswegs an litterarischem werte den übrigen briefen Swift's an Stella, an Gay, Pope, Arbuthnot und Bolingbroke gleichsteht, der aber doch auf das leben und den charakter dieses merkwürdigen mannes und die verhältnisse, in denen er lebte, ein volleres und helleres licht wirft. Berlin, April 1899. Ph. Aronstein.

Fielding's Tom Thumb. Mit einleitung herausgegeben von Felix Lindner. (Englische textbibliothek herausgegeben von Johannes Hoops.) Heft 4. Berlin, Felber, 1899. VIII + 11I SS. 8. Preis M. 1,60.

F. Lindner, der sich schon längere zeit eingehend mit den dramen Fielding's beschäftigt hat, bietet in dem vorliegenden buche eine kritische ausgabe der litterarisch satirischen posse Tom Thumb, die sich, wenn sie uns auch als ein buchdrama wie etwa Tieck's Gestiefelter kater erscheint, doch auf der bühne geltung zu verschaffen gewusst hat. Man sieht leicht, dass dies nur durch ihren durchaus burlesken inhalt und durch die genaue bekanntschaft des Londoner theaterpublikums mit der heroischen tragödie nach Dryden's geschmack möglich war. Denn den

heutigen leser erscheint der text an sich vollständig als in das reich des »höheren blödsinns« gehörig, ähnlich etwa den bierdramen, wie sie bei studentischen lustbarkeiten zum besten gegeben werden. Der wert, den dieses drollige schauspiel für die gegenwart noch beanspruchen darf, liegt in dem beiwerk, das Fielding in einer vorrede und einer menge von bemerkungen auftischt. Er fingiert einen überaus beschränkten und albernen pedanten H. Scriblerus Secundus, dessen urbild er Pope und Swift verdankt, um in einer fülle von geistreichem unsinn den leser nicht in zweifel über die tendenz seiner satire zu lassen. Nur um dieser karikierten ästhetik und gelehrsamkeit willen verdient der Tom Thumb das hervorragendste stück Fielding's genannt zu werden, weil eben gerade in diesem beiwerk sich der unübertreffliche humor des verfassers noch glänzender als im texte zeigen kann.

Es springt jedem in die augen, dass unter so bewandten umständen diese posse sich vortrefflich dazu eignet, studenten in die hand gegeben zu werden, und dass Lindner recht hat, wenn er sein vorwort beginnt: »Der Tom Thumb von H. Fielding eignet sich zu seminarübungen in hohem masse, da sich an ihn ohne weiteres ein repetitorium der zeitgenössischen litteratur - besonders dramengeschichte anknüpfen lässt. <<

[ocr errors]

Der herausgeber hat sich die mühe genommen, das buch zu dem angegebenen zweck so geeignet wie möglich zu machen, und ist dabei, wie uns dünkt, mit grosser umsicht und sorgfalt verfahren. In der einleitung werden ausser dem, was man sonst von einer solchen zu erwarten hat, die von Fielding im text und in den anmerkungen ironisch und parodisch herangezogenen dichtungen und dichter mit knappgehaltenen litterarhistorischen notizen und nachweisungen aufgeführt. Damit sind vortreffliche anhaltspunkte gegeben, wo die arbeit der mitglieder eines akademischen seminars bei den dort veranstalteten übungen einzusetzen hat; und wenn sich auch referent bei nicht bedeutender erfahrung in einem derartigen unterrichtsbetrieb reserve aufzuerlegen hat, so glaubt er doch, dass berufenere ihm recht geben werden, wenn er meint, Lindner habe mit dem, was er den studierenden an die hand giebt, und was er ihnen selbst zu thun überlässt, das rechte mass gehalten.

Bei herstellung des textes hat L. die lesart der ausgaben von 1731 und 1762 zu grunde gelegt, aber die moderne orthographie und interpunktion durchgeführt (vgl. s. 35 f.)

Das buch verdient auch denen warm empfohlen zu werden, die an Fielding's berühmten romanen den humor des grossen erzählers kennen und schätzen gelernt haben. Er wird sich ihnen hier in seinen ausgelassensten launen darstellen, im heutigen England aber vielleicht nicht besonderen beifall finden, da er sich sprünge erlaubt, welche für prüde schwer zu goutieren sind. Breslau. F. Bobertag.

»

NEUE ROMANE.

Frances Mary Peard, Number One and Number Two. Tauchnitz Edition, vol. 3490. Leipzig 1901. Preis M. 1,60. Charlotte M. Yonge, Modern Broods, or, Developments unlooked for. Desgl. vol. 3493. Preis M. 1,60.

Mrs. Alexander, A Missing Hero. Desgl. vol. 3480. Preis M. 1,60.

F. C. Philips, Eliza Clarke, Governess, and other Stories. Desgl. vol. 3494. Preis M. 1,60.

Maurice Hewlett, The Life and Death of Richard Yea-and-Nay. London, Macmillan & Co., 1900. Price 6 s. Auch in Tauchn Ed. vol. 3472/73. Preis M. 3,20.

Wie aus obiger titelreihe ersichtlich, habe ich heute drei romane aus weiblicher und zwei romane aus männlicher feder zu besprechen. Das zahlenverhältnis erscheint mir typisch für den anteil des schönen geschlechtes an der englischen erzählungslitteratur unsrer zeit. Da man die stimmen aber wägen und nicht zählen soll, so lege ich die drei damenromane in die linke und die zwei herrenromane in die rechte schale meiner rezensentenwage, und siehe da! allen physikalischen gesetzen zum trotz fliegt die wagschale der damen in die höhe, als wäre sie leer. Es hilft nichts, dass ich das gegengewicht der herrenromane um einen band vermindere, die linke schale bleibt in der höhe, auch wenn ich zu allem noch das ritterschwert der galanterie hineinwerfe. Man könnte dieses ergebnis — mit einer reservatio mentalis für Ouida und wenige andere den wert der heutigen litterarischen weiber- und männerleistungen im allgemeinen typisch finden.

für

Den gründen dieser erscheinung nachzugehen, ist mir an dieser stelle unmöglich, ganz abgesehen davon, dass das nachweisen von gründen, wie Jean Paul einmal witzig bemerkt, unnütz

und überhaupt ganz unchristlich ist. Auf einen einzigen punkt sei heute aufmerksam gemacht: es ist die frage des künstlerischen ausdrucksmittels, speciell der erzählungsform. Non ex quovis ligno fit Mercurius. Jenen damen gelingt es so selten, für ihre probleme die adäquate kunstform zu finden; sie haben etwas zu sagen und werden sich doch des rechten ausdrucksmittels nicht bewusst. Mit umkehrung eines bekannten wortes könnte man von ihnen bemerken, dass sie schrecklich viel gelesen haben, aber an das beste nicht gewöhnt sind. Sie würden beispielsweise probleme, die ein Philips in der zierlichen form von novellettchen darbietet, zu endlosen romanen aufbauschen und zu breiten bettelsuppen verkochen; daher dann wie gleich an beispielen zu sehen sein wird die bedenklichen flaws ihrer erzeugnisse: die zusammenschweissung heterogener geschichten zu einer romaneinheit, das verschleppen der handlung und des interesses durch betonung des nebensächlichen, die unwahrscheinlichkeiten und widersprüche in der durchführung.

[ocr errors]

wie

In Frances M. Peard's roman sind die beiden 'nummern' natürlich zwei liebhaber einer jungen dame, und es geht wir schon in diversen andern romanen gelesen haben so, dass die ehrliche nummer 2 die flatterhafte nummer 1 aussticht. Es thut einem nur leid, dass die beiden jungen liebesleute sich durch die ganze geschichte hindurch so gar verstellen, quälen und kränken müssen! Damit ist aber die fabel unseres opus erschöpft; man fragt sich eben nur, ob es eines romans von 287 seiten bedurfte, um die entwicklung dieses unglaublich einfachen vorwurfes verständlich und interessant darzustellen? Zu allem unheil ist das bischen handlung durchweg in konversation aufgelöst; so geht es denn von der ersten bis zur letzten seite in endlos seichtem geplauder fort, gerade als ob Voltaire seinen fundamentalsatz Tous les genres sont bons, hors le genre ennuyeux noch nicht aufgestellt hätte!

Die beiden titel von Ch. M. Yonge's roman gen die vermutung nahe, dass die verfasserin in ihrem werk eine zeitgemässe frage episch illustrieren wollte. In der that lassen sich die ersten kapitel nicht übel an: eine frühere erzieherin, die unerwarteterweise ein landgut geerbt hat, nimmt ihre vier stiefschwestern zu sich; die verwöhnten städterinnen aber finden schwester und aufenthalt gleich unausstehlich; die 17 jährige Vera beginnt eine liebschaft mit einem jungen maler u, s. w. So weit

« PreviousContinue »