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heit streiten könnte, so ist doch der nachweis im ganzen als durchaus gelungen zu bezeichnen. Verdienstlich ist auch der hinweis auf die genaue bekanntschaft der hier in betracht kommenden gruppe von dichtern und schriftstellern mit den alten, in diesem besondern falle mit Ovid. Dergleichen kann nur dem unkundigen als kleinigkeitskrämerei erscheinen, weil er nicht sieht, welches licht dadurch auf die ursachen der geschmacksrichtungen verschiedener litteraturperioden fällt. Wie viele gebildete männer sind heut zu finden, die, ohne gerade »klassische« philologen zu sein, griechische oder lateinische dichter zu ihrer unterhaltungslektüre wählen?

Von interesse sind auch die nachweise, welche der verfasser über die benutzung des Dispensary durch Pope in seiner Dunciad giebt. Es scheint, als ob die neigung, seinen litterarischen freunden durch fast wörtliche entlehnung einzelner stellen ein kompliment zu machen denn so wurde dies sicher aufgefasst -, in besonderem masse Pope eigentümlich wäre, denn man begegnet solchen entlehnungen, wie z. b. von Schenk s. 101 eine aufgeführt wird, in allen seinen schriften.

Breslau.

F. Bobertag.

Unpublished Letters of Dean Swift, edited by George Birkbeck Hill. Illustrated. London, J. Fisher Unwin, 1899. XXVII + 269 ss. Gr. 8°.

Die quellen über Swift's leben fliessen sehr reich und voll, aber trotzdem werden wir mit freuden alles neue begrüssen, was über diesen merkwürdigen mann an die öffentlichkeit dringt. Einen neuen beitrag zu seiner umfangreichen korrespondenz bilden die vorliegenden briefe, die bisher durchaus unbekannt waren. So werden zwar erwähnt von W. R. Wilde in seinem buche The Closing Years of Dean Swift's Life (Dublin 1849), aber dieser giebt nur zwei kurze auszüge davon, und John Forster, der den ganzen briefwechsel einsah und von dem besitzer eine abschrift erhielt, starb, ehe er sein leben Swift's bis zu dem zeitpunkte fördern konnte, wo die briefe beginnen, und nach seinem tode wurde die abschrift an den besitzer der originale zurückgegeben. Dr. Birkbeck Hill, der bekannte litterarhistoriker, hat nun die briefe zuerst in einer amerikanischen zeitschrift, der Atlantic Monthly (August bis Dezember 1897), und dann als buch mit

zahlreichen wertvollen anmerkungen und illustrationen in glänzender ausstattung veröffentlicht.

Es sind 58 briefe, 54 von Swift und vier an ihn, gewechselt mit Knightley Chetwode, einem landedelmanne, der 50 meilen südwestlich von Dublin in der nähe von Portarlington in Queen's County auf seinem gute Woodbrook wohnte. Die briefe umfassen die zeit von 1714-1731, d. h. die ersten 17 jahre nach der ernennung Swift's zum dechanten der St. Patrickskirche in Dublin. Der briefwechsel ist im anfange sehr lebhaft. Swift steht dem etwas hitzigen jüngeren freunde, der in eine jakobitische verschwörung verwickelt war, mit seiner frau in streit lebte und sich schliesslich von ihr trennte, mit der erziehung seines sohnes nicht fertig werden konnte und sich durch bauten in schulden stürzte, durch rat und jede hilfe ausser pekuniärer bei. Am ende aber kommt es bei dem argwöhnischen charakter Chetwode's und dem stolze und der empfindlichkeit Swift's zu einem zerwürfnis und völligen bruche, so dass die freundschaft mit anklagen, vorwürfen und sticheleien endigt. Uns interessiert hauptsächlich, was die briefe über Swift's stellung, persönlichkeit und charakter enthalten.

>>Die person,« so beginnt der erste brief vom 27. September 1714, »welche mir ihren brief brachte, gab ihn so ab, dass ich dachte, ich wäre wieder bei hofe, und dass der überbringer eine stelle wünsche . . . Aber ich war beruhigt, als ich ihre unterschrift sah, und ich erinnerte mich dann, dass ich in Irland war, dass die königin tot, das ministerium gestürzt, und ich der arme dechant von St. Patrick war.<< In diesen worten liegt gewissermassen das leitmotiv der briefe. Swift war unzufrieden. Er hatte auf ein bistum als lohn für seine politischen dienste gehofft, und er fühlte sich in Dublin nach dem verkehr in dem glänzenden kreise der Londoner dichter, schriftsteller und staatsmänner verbannt und vereinsamt. Dublin schien ihm der unangenehmste ort in Europa, die gesellschaft der ungebildeten irischen landjunker und der geistlichen konnte ihm nichts bieten, und er zog sich immer mehr auf sich selbst zurück, führte »ein mönchisches leben und wurde melancholisch und verbittert. Ausrufe, wie >>welch ein lächerliches geschöpf ist der mensch!« und »ich verabscheue die welt finden sich oft in den briefen. Manchmal wird der ausdruck seines menschenhasses abstossend in seiner leidenschaftlichkeit. »Ich liebe die menschen so wenig und denke

so schlecht über sie, wie die meisten, und möchte ebenso gerne jeden morgen drei stunden in einen abtritt blicken, « schreibt er am 24. Juni 1730. Dabei ist er der treueste freund seiner freunde, und sein urteil über einzelne personen ist immer wohlwollend, milde und leidenschaftslos.

Seine amtspflichten versah er auf das gewissenhafteste. »Ich höre, schreibt er am 3. Januar 1715, »man hält mich für einen tüchtigen dechanten und glaubt, dass ich gutes thun will. Meine meinung ist, dass, wenn ein mann die welt nicht bessern kann, er alte schuhe ausbessern sollte, falls er nichts besseres thun kann, und deshalb bestrebe ich mich, in dem kleinen kreise, in den ich gestellt bin, alles gute zu thun, dessen ich fähig bin.« Er verteidigte seine gerechtsame gegen übergriffe des erzbischofs, führte ein strenges regiment über sein kapitel und seinen kirchenchor, war seinen untergebenen ein etwas barscher, aber wohlwollender herr und den armen seines sprengels ein unermüdlicher und aufopfernder wohlthäter. Auch machte er gartenanlagen und bauten, besonders in seinem vikariat zu Laracor.

Oft klagt Swift in den briefen über seine gesundheit. Er litt seit seinem jünglingsalter an zeitweiliger taubheit, ohrensausen und schwindel, leiden, die mit dem alter zunahmen und schliesslich zum vollständigen verfall seiner geistigen kräfte führten. Die mittel, die er hiergegen anwandte, waren körperliche übungen, gehen, rudern und besonders reiten, enthaltsamkeit von angestrengtem denken und beschäftigung mit kleinigkeiten.

Über seinen von der legende so vielfach ausgeschmückten lebensroman, die doppelliebe zu Stella und Vanessa, erfahren wir in den briefen einiges. Sein verhältnis zu Esther Johnson, seiner Stella, die mit ihrer gesellschafterin in Dublin oder auf seinem vikariate zu Laracor wohnte, war ein ganz öffentliches. Er spricht von den frauen einmal als » den damen meiner bekanntschaft << (20. Oktober 1714) und erwähnt Stella noch einmal im jahre 1726 als »eine dame meiner alten bekanntschaft, die sehr krank war«. Zu der frage, ob Swift und Stella verheiratet gewesen sind, liefern die briefe den einen beitrag, dass er sich ausdrücklich als jemanden bezeichnet, der die ehe nie gekannt habe (12. Februar 1730). Im grunde ist es nicht von grosser wichtigkeit, ob die ceremonie vollführt worden ist; jedenfalls hat Swift immer als junggeselle gelebt. Seine beziehungen zu Miss Hester Vanhomrigh, der Vanessa der Swift-legende, die Swift ebenfalls nach Irland gefolgt

war, und mit einer schwester erst in Dublin und dann auf dem lande in Celbridge wohnte, hält er auch vor Chetwode geheim. . Doch scheint dieser dahinter gekommen zu sein. Swift schreibt ihm am 17. Dezember 1715: »Sie haben mich in meiner kleinen privatbekanntschaft ausgespürt, aber das muss entre nous bleiben. Das beste an der sache ist, dass Sie sie nicht alle auffinden können.<< Von der tragischen katastrophe, die durch die eifersucht und leidenschaft Vanessa's im jahre 1723 herbeigeführt wurde, und die so oft mit romanhafter ausschmückung erzählt worden ist, hören wir in den briefen nichts. Dagegen wird die sache noch einmal erwähnt, als im jahre 1726 das gedicht Cadenus and Vanessa, welches handschriftlich schon einige jahre kursiert hatte, ohne Swift's wissen gedruckt worden war. Swift thut, als ob die sache ihm ziemlich gleichgültig wäre. »Es ist mir einerlei,< schreibt er, »>was damit geschieht, denn der druck kann es nicht bekannter machen, als es ist, und, was mich angeht, so habe ich vergessen, was darin steht, aber ich glaube, es ist nur eine galanterie (a cavalier business), und die, welche keine nachsicht üben wollen, mögen es thun, und wenn sie mich damit kränken wollen, so werden sie enttäuscht werden, denn das habe ich lange erwartet.<< Er fügt hinzu, dass er das gedicht selbst, seit er es geschrieben, nie gesehen habe, und dass auch der ernsteste charakter nicht verantwortlich gemacht werden könne für ein privates launiges ding, das durch einen unvermeidlichen zufall und die gemeinheit besonderer bosheit veröffentlicht worden sei, und will weiter nicht mit berichten darüber belästigt sein, »wo es doch nichts hilft und mir nur die undankbare aufgabe giebt, über die gemeinheit der menschen nachzudenken, die ich schon vorher genügend kannte (19. April 1726). Zunächst geht hieraus hervor, dass das gedicht Cadenus and Vanessa nicht, wie man bisher annahm, im jahre 1723, sondern erst 1726 gedruckt worden ist, und dass Swift es seit der abfassung nicht gesehen hatte. Der kavaliermässige ton, in dem Swift von dem ganzen verhältnis spricht, kann auf seinen stolz und jene eigenschaft, die Bolingbroke seine umgekehrte heuchelei« (inverted hypocrisy) nannte, zurückgeführt werden, aber es scheint doch wohl daraus hervorzugehen, dass das verhältnis kein platonisches und ideales war, wie die meisten biographen angenommen haben. Dieser ansicht scheint auch Chetwode gewesen zu sein, der in seinem letzten briefe, um Swift zu ärgern, noch einmal auf dasselbe an

spielt. Durch Swift's charakter ging eben bei aller mannhaftigkeit und grösse doch ein zug von brutalität und cynismus.

Was das öffentliche leben Swift's angeht, so hielt er sich während der ersten sechs jahre seines aufenthaltes in Irland ganz von der politik fern. »Ich bin der einzige mann in diesem königreiche,<< schreibt er (2. September 1718), «der kein politiker ist.<< In der that waren die umstände auch wenig günstig. Der herzog von Ormond und Lord Bolingbroke waren des hoch verrats angeklagt und nach Frankreich geflohen, der graf von Oxford schmachtete im strengsten gewahrsam im Tower. Die Tories wurden ihrer ehrenstellen und ämter beraubt, und jede post brachte nachrichten von verfolgungen und belästigungen der freunde Swift's. Die regierung fürchtete besonders jakobitische verschwörungen und umtriebe, nicht ohne grund, wie der aufstand des grafen von Mar und die landung des prätendenten in Schottland im jahre 1715 bewiesen. Swift selbst, der vertraute und die rechte hand der gestürzten minister, wurde verdächtigt, seine briefe geöffnet, und seine freiheit und sicherheit bedroht. Doch blieb er, schon als strammer Anglikaner, allen jakobitischen verschwörungen fern, während sein freund Chetwode allerdings in eine solche verwickelt gewesen zu sein scheint. Er leistete auch den geforderten »eid der abschwörung und riet seinen freunden dazu, da das wort > gesetzlich bedeute nach den gegenwärtig geltenden gesetzen«, und jeder diesen gehorsam schuldig sei, vorausgesetzt, dass sie nicht gegen den glauben oder die moral verstiessen (29. April 1721).

Vom jahre 1720 an trat er wieder politisch auf, und zwar als vorkämpfer des geknechteten Irland, dessen leiden sein gerechtig keitsgefühl und sein mitleid tief erregt hatten. Auf seinen häufigen reisen im lande sah er die entsetzliche armut und das elend der eingeborenen keltischen bevölkerung, die zu dieben und bettlern herabgesunken war, und die zunehmende verarmung der englischen kolonisten, deren handel und industrie durch ausfuhrverbote und zölle im interesse Englands systematisch vernichtet wurde. Hierüber schrieb er eine grosse anzahl politischer pamphlete und balladen, durch das feuer seiner entrüstung auch die gedrückten Iren zum widerstande entflammend. Die wichtigsten unter diesen schriften, von denen auch in diesen briefen die rede ist, sind der »vorschlag nur irische fabrikate zu gebrauchen« (1720), eine abwehr gegen die englische handelspolitik und besonders » die briefe eines tuchJ. Hoops, Englische Studien. 29. 3.

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