Page images
PDF
EPUB

scheint mir fraglich, ob das ergebniss der aufgewendeten zeit und mühe entspricht. Der variantenapparat enthält vielfach nur andre schreibungen, die für den Shakespeare'schen text und seine interpretation gleichgültig sind. Was liegt daran, ob wir wissen, dass

2

[ocr errors]

1

sayd in F für said in F, steht (s. 8), dass Fg parallell für paralell der F1 schreibt (s. 9), dass closeness in F1 ersetzt wird durch closenesse in F (s. 9), dass in F2 clowdes für clowds in F1 (s. 15) geschrieben wird? In seinem streben nach vollständigkeit (auch interpunktionsunterschiede der späteren ausgaben werden verzeichnet) scheint mir der herausgeber den endzweck etwas ausser auge verloren zu haben. Die erste folio ist voller versehen und im allgemeinen eine sehr mangelhafte ausgabe, und die übrigen folios haben keinen vorzug vor ihr. Wer sich mit dem elisabethanischen druckverfahren bekannt gemacht hat (man lese hierüber Van Dam und Stoffel, W. Shakespeare's Prosody and text cap. VIII), kann und wird sich auch nicht wundern, dass es so ist. Eine auch nur annähernd einheitliche orthographie gab es im 16. und in der ersten hälfte des 17. jahrhunderts nicht; 'the taste and fancy of the speller' hatte noch einen sehr weiten spielraum, und dazu kam, dass der autor mit dem drucke seines werkes häufig gar nichts zu thun hatte. Die druckbogen wurden von einem korrektor durchgesehen, der ebenso wie der setzer die autorität des manuskripts in vielen dingen (interpunktion, orthographie) nicht anerkannte und eigenmächtige änderungen vornahm. Es waren also fehlerquellen gegeben, die zu verfolgen man gar nicht in der lage ist. Jedenfalls hat man immer mit der möglichkeit, wenn nicht mit der wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass in einem text aus der ersten hälfte des 17. jahrhunderts, über dessen drucklegung man nicht unterrichtet ist, die orthographie und interpunktion des autors nicht zum ausdruck kommen, und deshalb haben diese dinge verhältnismässig geringen wert im vorliegenden falle. Einige verderbte stellen der F, werden durch die späteren folios richtig gestellt; aber was letztere in dieser hinsicht zu bessern vermögen, sieht auch der moderne leser. Auf der andern seite werden durch die späteren ausgaben auch wieder versehen eingeschleppt. Das licht, das sie auf die ursprüngliche textgestalt werfen, ist äusserst gering. Das moment der leichten und raschen übersicht des variantenapparats, der knappheit und praktischen verwertbarkeit desselben sollte in einer textausgabe für studierende immer im auge behalten werden. Die hauptsache bleibt immer

der text selbst, und in der mangelhaften gestalt der folio giebt er dem anfänger genug stoff zu philologischer bethätigung. Man kann es nur billigen, wenn der herausgeber unnütze konjekturen zu dunklen stellen nicht aufgenommen hat. Er legte sich diese beschränkung auf, um den kritischen apparat nicht zu komplizieren. Aber ich glaube, er hätte auch eine menge der varianten der übrigen folios, unbeschadet der güte seiner arbeit, auslassen können. Es ist entschieden enttäuschend, oft in den variantenapparat zu schauen und dort vielfach nichts zu finden als belanglose schreibungen. Indessen ist die arbeit, die Wagner in der variantenzusammenstellung geliefert hat, nicht ohne wert. Und deshalb muss auch das zuviel, das er bietet, mit dank anerkannt werden. An der hand desselben kann der student bequem verfolgen, wie die orthographie allmählich die feste gestalt angenommen hat, die das moderne Englisch aufweist. F4 ist in dieser beziehung besonders instruktiv. Von einzelheiten abgesehen tritt hier dem leser die sprache ungefähr in der modernen gewandung entgegen. Wichtiger als dieses ist, zu konstatieren, wie die formen, die ausdrucksmittel grammatischer beziehung, syntaktische und phraseologische gebilde, der wortschatz sich im laufe des 17. jahrhunderts geändert haben. Die entwicklung der sprache ist in jener zeit eine sehr rasche, und es wäre eine recht dankbare aufgabe, wenn die menge der verschiebungen, die sich damals vollzogen, im zusammenhang dargestellt würden. Eine vergleichung der verschiedenen folios untereinander würde auf die hauptetappen der entwicklung hinweisen. Die modernisierungen, die sich hier finden, sind ja keineswegs konsequent, aber sie geben doch eine spur und deuten auf die wesentlichsten erscheinungen hin, die an der hand weiteren materials leicht definitiv festgestellt werden könnten. Wenn der Wagner'sche Shakespeare-text hierzu den ausgangspunkt geben sollte, so würde das plus des variantenapparats sich in werte umsetzen, die die zukunft zwar erst abschätzen könnte, die aber jedenfalls für die sprachgeschichte nicht unbedeutend sein würden. Deshalb will ich auch mit dem herausgeber weiter nicht über die prinzipien der einrichtung des kritischen apparates rechten. Es ist jedenfalls sehr erfreulich, dass ein Shakespeare-text in der originalen form vorliegt, der für jedermann erreichbar ist. Er präsentiert sich in einem klaren, sauberen druck und ist nach den stichproben, die ich angestellt habe, mit einer peinlichen sorgfalt und genauigkeit reproduziert, so dass er das original zuverlässig

ersetzt. Die ausgabe kann zur benutzung bei seminarübungen für solche ist sie in erster linie bestimmt bestens empfohlen werden.

Tübingen, 22. Februar 1901.

W. Franz.

Ferris Greenslet, Joseph Glanvill. A Study in English Thought and Letters of the Seventeenth Century. (Columbia University Studies in English. Vol. I.) New York, Columbia University Press. The Macmillan Co., Agents. 1900. Preis 1,50 $.

Joseph Glanvill gehört zu denen, welche, trotzdem sie für die geschichte des geistigen fortschritts eine sehr geringe bedeutung besitzen, in einer behandlung des geistigen lebens durchaus nicht fehlen dürfen. Ihm hat die nachwelt kein neues prinzip, keine fördernde vermittelung alter prinzipien zu verdanken; zu dem imposanten bau der modernen wissenschaft hat er überhaupt keinen stein und auch keinen balken beigetragen. Zwar findet man bei ihm eine zusammenstellung heterogener ideen, deren bizarre wirkung eine gewisse originalität beanspruchen darf; aber es war die originalität eines vielseitigen eklektikers, der die gabe in ungewöhnlichem grade besass, gedanken, welche die natur und die logik gesondert hatte, zusammenzubringen und die verbotenen ehen salbungsvoll zu feiern. Desto besser vertritt er den von grundverschiedenen anschauungen wirr durchsetzten geist der intellektuellen kreise des damaligen Englands, in denen Bacon und Plato, Gassendi und Descartes, materialismus und kabbalistik, dogmatismus und skeptik, naturwissenschaft und hexenglaube gleichzeitig wirkten. In Oxford waren die unternehmungslustigen forscher der 'Royal Society' und Aristoteles, der die grenzen des omne scibile schon gezogen hatte, zugleich zu hause. Das bestreben, sich in diesen mannigfachen geistigen strömungen zurechtzufinden, spiegelt sich kaum in einem andern so lebhaft wieder wie in Glanvill. Bisher hat man in Glanvill fast ausschliesslich den skeptiker den verfasser der Scepsis Scientifica und The Vanity of Dogmatizing hervorgehoben. Greenslet versucht es, auch den sonstigen regungen seines eifrigen geistes gerecht zu werden. Besonders seine nahen beziehungen zu den Cambridge Platonists hat er betont und sachgemäss dargestellt; die Platonic side of his work<< will er überhaupt zum erstenmal behandelt haben. Als

[ocr errors]

specifisch platonisch vermag er jedoch nur sehr geringe und für Glanvill's wesen wenig, bedeutende züge zu bezeichnen. Dem Plato hat Glanvill beständig gehuldigt; aber die gedanken, die er ihm verdankte, waren vorübergehende hypothesen, die zu seiner geistesart nicht vollkommen passten; raffinierte werkzeuge, die er eine zeitlang freudig benutzte, auf die länge aber mit der gewöhnlichen abneigung des britischen arbeiters gegen subtile maschinen verwarf, um sie dann durch die bewährten waffen seines orthodoxen glaubens oder orthodox gewordenen aberglaubens zu ersetzen. Die unsterblichkeit der seele z. b. wollte Glanvill in seiner Lux Orientalis mit den bekannten platonischen argumenten verteidigen, fand aber später einen kürzeren weg, indem er auf die im damaligen England überall spukenden geister hinwies. Überhaupt mischen sich praktische rücksichten gern bei ihm mit spekulativen gründen; er war nicht umsonst ein eifriger, kühner polemiker, nicht umsonst ein hofprediger, der viel anklang fand. Treffend genug bezeichnet ihn Greenslet als einen im grunde liberalen und aufgeklärten geistlichen, der die am nächsten liegenden übelstände mit den ersten besten waffen angriff. Wenn seine darstellung von Glanvill's philosophischer thätigkeit dennoch einen etwas konfusen und verwirrenden eindruck macht, so liegt das zum teil in der natur der sache und ist ihm nicht allzusehr anzurechnen. Es hätte die deutungs- und darstellungsgabe eines Renan gefordert, einen mann wie Glanvill im rahmen seines zeitalters klar und scharf hervortreten zu lassen. Er trug wie Carlyle einmal von dem jungen Tennyson gesagt hat - ein stück chaos mit sich herum, und es ist ihm nicht, wie diesem, gelungen, dasselbe nach und nach in einen kosmos zu verwandeln. Einen bescheideneren zweck als die philosophischen teile des buchs hat die behandlung (im letzten kapitel) der sprach- und stileigentümlichkeiten Glanvill's. Wie die meisten, welche die Restauration noch nel mezzo del cammin ihres lebens traf, lässt er als schriftsteller den übergang deutlich erkennen, den die englische prosa nach 1660 erlebt hat. Interessant ist die vergleichung des Vanity of Dogmatizing (1661) und der bearbeitung desselben (Scepsis Scientifica) 1665 in bezug auf ihren wortschatz. Überall werden im letzteren gelehrte und studentische durch einfachere, gemeinverständliche redensarten ersetzt: ingenious, perspicill wird zu telescope, phrentick zu crasie, hegemonicall zu leading, terraqueous magnet zu earth und dergl. mehr. Hatte doch die Royal Society, der Glanvill seine begeisterte

huldigung im begriff war darzubringen, indem er ihr die Scepsis selbst widmete, den gebrauch eines einfachen, klaren stils auf das ausdrücklichste empfohlen und eingeschärft! Als vollständig gelungen kann Gr.'s buch nicht bezeichnet werden, es enthält jedoch viel nützliches und ist durchaus brauchbar.

The Owens College, Manchester.

C. H. Herford.

Sir Samuel Garth und seine stellung zum komischen epos. Von Theodor Schenk. (Anglistische forschungen. Herausgegeben von Johannes Hoops. Heft 3.) Heidelberg, Carl Winter's universitätsbuchhandlung, 1900. 114 SS. 8°. Preis M. 3,00.

Die vorliegende untersuchung hat referent mit um so grösserem interesse gelesen, als sie eine sehr dankenswerte ergänzung zu einer erörterung bietet, die er vor langen jahren veröffentlicht, und auch punkte berührt, für die er sich neuerdings interessiert hat. Selbstverständlich erschöpft sich darin nicht der inhalt und der wert der schrift. Sie zerfällt in zwei hauptteile, von denen der erste über Garth's leben und dichtungen handelt. Der zweite betrifft »das komische epos und Garth's stellung zu demselben«. Er gliedert sich in die abschnitte: 1. begriff und vorgeschichte des komischen epos; 2. Dryden's Mac Flecknoe (1682); 3. Garth's Dispensary (1699) und Boileau's Lutrin (1674); a. inhalt des Dispensary, b. das Dispensary als komisches epos, c. das Dispensary als direkte nachahmung des Lutrin; 4. Pope's Rape of the Lock (1712) in seinem verhältnis zum Lutrin, Dispensary und Mac Flecknoe; 5. Pope's Dunciad (1728 ff.) und Garth's Dispensary; 6. Wolcot's Lousiad (1785); 7. schluss. Hierauf folgen litteraturangaben.

Im ersten teile lernen wir Garth als hochangesehenen arzt, dichter und freund bedeutender männer, zu denen in erster linie A. Pope gehört, kennen. Er war, obgleich katholik, mitglied der Wighpartei und stand seiner weltauffassung nach durchaus auf dem boden der aufklärung. Die darstellung des verfassers ist klar, anschaulich und zeigt seine grosse belesenheit und sorgfalt. Das wichtigste ergebnis der folgenden abschnitte dürfte sein, was der verf. am schlusse des ganzen mit den worten ausdrückt: >> Eine wichtige vermittlerrolle aber zwischen Boileau und Pope spielte das Dispensary des Sir Samuel Garth.< S. 85-96 wird dies eingehend nachgewiesen, und wenn man vielleicht über diese oder jene einzel

« PreviousContinue »