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dieses stetige licht gebrochen hatte, sah der mensch so, wie der ihn gemacht, dass alles gut war. Er wandelte auf dem pfade des vergnügens zur tugend und bekannte einen vater, wenn er einen gott bekannte. Glaube und unterthanentreue war damals nichts als liebe, denn die natur kannte kein göttliches recht bei den menschen; sie konnte in gott kein übel fürchten und verstand unter einem höchsten wesen nur ein höchstes gut. Wahrer glaube und wahre staatsweisheit gingen hand in hand; jener war nur liebe zu gott und diese zu den menschen.

Wer lehrte zuerst geknechtete seelen und zerrüttete königreiche den entsetzlichen glauben, dass viele für einen gemacht seien, die übermütige ausnahme von allen gesetzen der natur, um die welt umzustürzen und ihrer grundursache entgegenzuarbeiten? Gewalt machte zuerst eroberungen, und diese eroberungen wurden zu gesetzen; dann lehrte der aberglaube den tyrannen sich fürchten, machte dann mit der tyrannei gemeinsame sache, lieh ihr seine hülfe und machte aus den eroberern götter, aus den unterworfenen sklaven. Er lehrte beim leuchten des blitzes und beim schall des donners, wenn die berge wankten und der erdboden stöhnte, die schwachen sich beugen und die stolzen beten zu einer gewalt, unsichtbar und weit mächtiger als sie. Er sah von dem sich öffnenden himmel götter herabsteigen und aus der geborstenen erde höllische feinde sich erheben. Hier bestimmte er den ort des grauens, dort den der seligkeit. Furcht schuf seine teufel und schwache hoffnung seine götter, götter, parteiisch, wankelmütig, voll leidenschaft, ungerecht, deren eigenschaften wut, rachsucht oder wollust waren, so wie sie die seelen von feiglingen begreifen mochten, und an die, da sie wie tyrannen gebildet waren, tyrannen zu glauben bereit waren. Da wurde der fanatismus, nicht menschenliebe der führer, und die hölle ward auf hass, der himmel auf hochmut gegründet. Da erschien das gewölbe des äthers nicht mehr heilig; altäre erhoben sich, dampfend von blut; der opferpriester kostete damals zuerst lebende nahrung, und bald benetzte er seinen scheusslichen götzen mit menschenblut, machte die welt hienieden erzittern durch den donner des himmels und setzte den gott als kriegsmaschine gegen seinen feind in bewegung.

So führt die selbstliebe durch recht und durch unrecht hindurch zu eines mannes macht, ehrgeiz, gewinn, wollust; die nämliche selbstliebe in allen wird ursache davon, was ihn (den mon

archen) einschränkt, regierung und gesetze. Denn wenn, was einem gefällt, die andern ebenso gern hätten, was hilft ein wille, wenn viele willen sich gegen ihn auflehnen? Wie soll er das behalten, was, mag er schlafen oder wachen, ein schwächerer heimlich erhaschen, ein stärkerer offen wegnehmen kann? Seine sicherheit muss seine freiheit einschränken; alle vereinigen sich, um das zu bewachen, was jeder zu gewinnen wünscht. So lernten selbst könige, zur tugend durch selbstverteidigung gezwungen, gerechtigkeit und wohlwollen; die selbstliebe verliess den pfad, den sie zuerst verfolgte, und fand das wohl des einzelnen in dem öffentlichen.

Damals geschah es, dass der nachdenkende kopf oder das edle herz, ein jünger gottes oder ein freund des menschengeschlechtes, ein dichter oder ein patriot aufstand, um glauben und moral nur wiederherzustellen, die schon früher die natur gegeben hatte; er liess ihr altes licht wieder aufleuchten, wenn er es auch nicht neu anzündete, er zeichnete, wenn auch nicht gottes bild, doch seinen schattenriss, lehrte volk und könige den pflichtmässigen gebrauch der macht, lehrte ihre zarten saiten weder schlaff werden lassen noch (allzusehr) spannen; die kurzen oder langen (saiten) stellte er so genau an ihren richtigen platz, dass die berührung der einen sich der andern mitteilen musste, bis die gegen einander laufenden interessen die musik eines wohlgemischten staats hervorbringen. Von dieser art ist die grosse harmonie der welt, welche aus ordnung, vereinigung, vollständiger einhelligkeit der dinge hervorgeht, wo klein und gross, schwach und mächtig dazu da sind, um zu nützen, nicht zu leiden, zu kräftigen, nicht anzugreifen; jedes um so mächtiger, als es für die andern nötig ist, und in demselben maasse gesegnet, als es segen spendet; auf einen punkt zusammenzuziehen und um einen mittelpunkt zu ordnen tier, menschen oder engel, knecht, herren oder könig.<

Wenn wir die hier in schöner, poetischer form dargelegten gedanken auch dem stile nach in prosa zu übertragen und, was Pope sagt, auf die bei uns und zu unserer zeit übliche weise mit schlichten und klaren worten wiederzugeben versuchen wollen, so ist es sehr zweifelhaft, ob der versuch bis in's einzelne gelingen wird. Eines aber steht wohl im allgemeinen und vor allem fest, nämlich dass der dichter in der politischreligiösen entwicklungsgeschichte der menschheit drei perioden

unterscheidet. Die erste periode ist die der patriarchalischen regierungsform und der reinen gotteserkenntnis und gottesverehrung, die zweite die des erobernden despotismus in verbindung mit polytheistischen, grausamen und abergläubischen götzendiensten; die dritte die der einrichtung gesetzlich regierter staaten, wo sich regierende und regierte das gleichgewicht halten und zugleich die wiederherstellung eines reineren glaubens und gottesdienstes statthat. Am klarsten sind Pope's gedanken in bezug auf den von ihm angenommenen ersten zeitabschnitt. Wenn er die entstehung des glaubens an einen Gott entweder aus der vergötterung guter und grosser menschen oder aus einer heiligen überlieferung herleitet, so ist deutlich, dass sich das eine auf die heiden, das andere auf die Israeliten bezieht. Auch die heiden sind zum götzendienste erst durch abfall von der reinen erkenntnis Gottes, welche übrigens auch sache der gesunden vernunft ist, gelangt. Man kann von den etwaigen unmittelbaren und mittelbaren quellen seiner vorstellungen ist hier nicht die rede hierzu wohl sagen, dass sich Pope nach seiner auffassung im guten glauben befunden haben mag, der bibel und der kirchenlehre gemäss zu denken und zugleich sowohl mit genügend erwiesenen historischen thatsachen als auch klaren erkenntnissen der menschlichen vernunft zu thun zu haben. Die vermutung, sein scharfer verstand sei doch wohl darauf gekommen, dass diese drei autoritäten im grunde durchaus nicht gleichartig seien, dass er sich absichtlich auf diese erwägung nicht weiter eingelassen, aber sich etwas darauf zu gute gethan haben dürfte, sich die sache so schön zurechtgelegt zu haben, ist wohl erlaubt, weil durch die kenntnis seiner sinnesart eingegeben und förderlich für das tiefere eindringen in den gedankenzusammenhang seiner eigenen natürlichen theologie und der seines zeitalters.

Wenn wir uns nun bei der weiteren verfolgung der in der vorliegenden stelle erörterten gedanken unseres dichters etwas leidlich bestimmtes vorstellen wollen, müssen wir wohl annehmen, dass er gemeint habe, die verschiedenen einzelnen völker hätten die grenzen der drei perioden zu verschiedenen zeiten überschritten, die perioden sich also hier so, dort so abgetheilt. Despotismus, mit aberglauben und götzendienst hand in hand gehend, würde er vielleicht seinem sinne nach mit Nebukadnezar, Alexander, der ihm und der aufklärung über

haupt ein wahrer greuel ist') und den römischen cäsaren exemplificirt haben, da diese herrscher sich selbst für götter zu halten geneigt waren oder dafür erklärt wurden. Aber ausser dem flamen, der nach Rom weist, fehlt jede beziehung auf eine bestimmte zeit, und man darf wohl nicht ohne grund annehmen, dass Pope sich grösserer historischer anschaulichkeit absichtlich enthalten habe, um nicht in widersprüche zu gerathen oder wenigstens sich andern gegenüber blössen zu geben. Was in seinem bilde von der dritten periode am meisten auffällt, ist die nichterwähnung, man könnte sagen die ausschaltung des christentums. Man muss doch wohl fragen, auf welche weise er dies gethan hat, wie er sich die sache vorgestellt, indem er die ausdrückliche bezeichnung des christenthums umging. Entweder meint er mit den begründern staatlicher ordnung und wiederherstellern einer reineren religion männer, die vor der entstehung des christentums wirkten, wie Zoroaster, Confucius, vielleicht Solon und die andern weisen der Griechen, oder aber er betrachtet die einführung des christentums bei den verschiedenen völkern eben als jene segenbringenden thaten grosser und guter menschen. Sein commentator Warburton scheint das erstere angenommen zu haben 2), aber in den worten des dichters liegt sicher kein zwingender grund für das eine noch für das andere. Es bleibt nur eines deutlich und gewiss: dass Pope sich hier schweigend zu dem punkte verhält, über den man seine ansicht am liebsten hören möchte; dass er gerade die frage nicht beantwortet, zu der er durch seinen gesamten gedankengang am meisten auffordert und anreizt, Zweifellos oder mindestens in hohem grade wahrscheinlich ist aber auch, dass diese verschweigung, dieses darüber-hinweg-gehen nicht unabsichtlich ist, und dass die gründe dazu für jeden, der Pope genauer kennt, in seinem persönlichen charakter und den obwaltenden umständen zu suchen sind. Er hätte sich unfehlbar in die ärgerlichsten streitigkeiten verwickelt und, was für ihn noch schlimmer war, zahlreiche anhänger und verehrer eingebüsst, hätte er überhaupt zum christentume als historischer thatsache stellung genommen. Er entschloss sich also zu einem auswege, nämlich die entwick

1) Vgl. Temple of fame 151 f. Essay on man I 160, IV 220.
2) S. anhang I.

lung der religion als durchaus eng verbunden mit den politischen einrichtungen der völker und staaten zu fassen, wodurch es einigermaassen gerechtfertigt erschien, religion und gottesdienst nur so weit heranzuziehen, als sie in engem bezuge zu der politischen entwicklung stehen. Dieser ausweg wurde ihm durch zwei umstände nahegelegt. Der gedankengang seines philosophischen gedichtes führte darauf hin oder liess sich so einrichten, dass er dies that, und das kam ihm trefflich zu statten, um sich nicht in die heikle sache tiefer einzulassen, als ihm heilsam war. Zweitens aber war ihm diese wendung der gedanken als einem mitten in den politischen strömungen seiner zeit stehenden und mit der neueren geschichte seines vaterlandes bekannten Engländer an die hand gegeben, und zwar war seine betrachtungsweise dadurch beeinflusst und geschärft, dass er katholik war, zwar nicht seiner denkart nach, aber durch gemeinsam erlittene unbilden mit seinen glaubensgenossen verbunden. Seitdem so etwa musste sich ihm die sache darstellen durch die freche unthat Heinrich's VIII. an seiner ersten gemahlin in England dem protestantismus freie bahn gemacht worden war, waren religion und gottesdienst von den politischen geschicken Englands nie zu trennen gewesen, und zwar so, dass der glaube des volkes meist als ein spielball in den händen der machthaber erschien. Allerdings hat, wenn es auch nicht zu verwundern ist, dass ein katholischer Engländer in den dreissiger jahren des vorigen jahrhunderts so dachte und empfand, die verallgemeinerung dieser aus der englischen geschichte abstrahirten ansicht von dem engen zusammenhange der religion mit der politik ungefähr so viel anspruch auf wahrheit, wie wenn ein Engländer von ganz Europa oder von der ganzen erde behauptete, das wetter sei im winter meist nebelig, aber es ist gewiss nicht uninteressant, sich hier zu erinnern, dass es für einen Engländer charakteristisch ist, behauptungen, die in bezug auf sein vaterland richtig sind, als normen für die ganze welt hinzustellen, mögen sie nun religion, politik, sociale verhältnisse, kleidung, speisen oder getränke betreffen 1).

Das bisher erörterte hatte den zweck, nachzuweisen, wie sich Pope darin als teilnehmer an der aufklärungsbewegung seiner zeit zeigt, was er von sich ablehnt. Um aber sein ver

1) S. anhang II.

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