Wir wissen zufällig, von wo aus auf unsern dichter, um seine eigenen worte zu gebrauchen, der geist gefallen ist. Pope ging es nämlich bei abfassung seines Essay on man ähnlich wie dem wilden jäger in der bekannten Bürger'schen ballade, nur dass ihn mehr als zwei engel in gestalt seiner freunde begleiteten; der am wenigsten harmlose von ihnen war der dämonisch geniale Bolingbroke, dem Pope auch in gerechter würdigung dessen, was er ihm verdankte, sein gedicht gewidmet hat. Die oben angeführten verse sind, abgesehen von der versification, Bolingbroke's eigentum. Er sagt in seinen Fragments (57): »Christian divines complain that good men are often unhappy, and bad man happy. They establish a rule, and are not agreed about the application of it; for who are to be reputed good christians? Go to Rome, they are papists. Go to Geneva, they are calvinists. If particular providences are favourable to those of your communion they will be deemed unjust by every good protestant, and God will be taxed with encouraging idolatry and superstition. If they are favourable to those of any of our communions they will be deemed unjust by every good papist, and God will be taxed with nursing up heresy and schism.<< Der allgemeinste ausdruck von Pope's kirchlicher gleichgültigkeit findet sich in seinem vielbewunderten und vielgetadelten Allgemeinen gebet (Universal prayer), das er gewissermaassen als quintessenz der in dem Essay on man vorgetragenen religionsansichten veröffentlichte, und das mit den worten beginnt: »Father of all! in ev'ry age, In ev'ry clime adored, By saint, by savage and by sage, und in dem eine andere strophe lautet: >>Let not this weak, unknowing hand And deal damnation round the land On each I judge thy foe.< Nach dem, was wir bisher aus Pope's eigenem munde gehört haben, kann kein zweifel darüber bestehen, dass er kein kirchlich gläubiger katholik war, wenn er auch gelegentlich seine glaubensgenossen gegen unbegründete beschuldigungen in schutz nimmt 1). Die frage, welche stellung er überhaupt zum christentume eingenommen habe, ist weitschichtiger und schwieriger zu beantworten. Wenn wir seine weltanschauung darauf hin prüfen wollen, ob sie noch eine christliche genannt werden könne, so zeigt sich bald, dass wir den begriff »christlich nicht zu weit fassen dürfen. Nennen wir eine gesammtansicht eine christliche, weil sie wesentlich von der zugehörigkeit eines einzelnen zur christlichen kirche, von seiner christlichen umgebung und erziehung beeinflusst erscheint, und wenn sie nicht ausdrücklich das christentum als irrtum und thorheit verachtet, so können wir auch Pope eine christliche weltansicht zuschreiben, haben aber so gut wie gar kein seinen standpunkt charakterisirendes merkmal gewonnen. Es handelt sich doch wohl darum, ob und wie er das christentum als historische erscheinung begriffen hat. Mit dieser frage werden wir an ihn herantreten müssen; und was er uns darauf antwortet, sowie das, was er uns von der mit recht und wohl überlegt geforderten antwort schuldig bleibt, das wird seine denkart charakterisiren. Wir werden nicht erwarten, dass er das christentum als geschichtliche thatsache, gedacht als erlösung des menschengeschlechts vom ewigen verderben durch den opfertod Christi, also in der formulirung der rechtgläubigen theologie aller christlichen kirchen, angesehen habe, aber er könnte doch in den grenzen rein menschlicber betrachtungsweise das christentum zu würdigen gewusst haben. Wir werden von Pope und seiner zeit nicht eine einsicht in die geschichtliche bedeutung des christentums verlangen, wie wir sie heute bei gelehrten theologen freierer denkart finden; aber jeder gebildete mann könnte geltend machen, Schiller sei kein kirchlich gläubiger mann noch ein gelehrter theologe gewesen, aber er habe das christentum z. b. in seinen > Vier weltaltern« als ein die welt umgestaltendes ereignis bezeichnet, wie könne ein so grosser uud dazu philosophischer dichter wie Pope darüber seine leser unbelehrt lassen? Es wäre gewiss nicht richtig, einzuwenden, Schiller sei auch ein grosser dichter und auch ein philosophischer, er habe sich aber nicht über die socialdemokratie geäussert; denn mit Pope liegt die sache anders; seine erörterungen über die entstehung und das wesen der religion sind die dunkelsten und 1) Vgl. Moral Essays III 339 ff. unentwickeltsten abschnitte seiner lehre, während das christentum zu seiner zeit eine deutlich wahrnehmbare bis in die kleinsten einzelheiten erkennbare und aller welt bekannte sache war. Nehmen wir uns die mühe, den abschnitt des Essay on man, der den in rede stehenden punkt betrifft, genauer zu betrachten! Der dichter hat hier (III 199 ff.) die religion als geschichtliche erscheinung im engsten zusammenhange mit der entwickelung der gemeinschaftsformen der menschen behandelt. Die natur, führt er vorher aus, die grosse lehrerin, welche den menschen anregte, sich die zum culturleben erforderlichen geschicklichkeiten und kenntnisse anzueignen, wies ihn auch auf geselligkeit und gemeinschaft hin. >>Die grosse natur sprach, voll aufmerksamkeit gehorchte der mensch. Städte wurden gebaut, gemeinschaften gegründet. Hier erhob sich ein kleiner staat, ein anderer wuchs durch dieselben mittel . . . . Der name könig war unbekannt, bis das gemeinsame interesse einem einzigen die herrschaft übertrug. Es war allein die tüchtigkeit sei es in den künsten oder in den waffen, segen verbreitend oder leid abwehrend der in einem familienoberhaupte die söhne gehorchten, die einen fürsten zum vater des volkes machte1). Bis 2) dahin thronte ein jeder patriarch, von der natur gekrönt, als könig, priester und vater seines heranwachsenden staates; 1) Den folgenden abschnitt gebe ich in deutscher übersetzung, um darzulegen, wie ich die nicht seltenen schwierigen und dunklen stellen mit hülfe älterer und neuerer übersetzungen und anmerkungen auffasse und erkläre. Der beigefügte englische text wird dem kritischen leser freilich das nachschlagen der Elwin'schen ausgabe nicht ersparen, dient aber dem, der diese nicht zur hand hat, zur beurteilung, wie weit ich in den sinn der äusserst sententiösen, epigrammatischen und bilderreichen sprache Pope's eingedrungen sei. 2) v. 215. Till then, by nature crowned, each patriarch sat, King, priest, and parent of his growing state; v. 217. On him, their second Providence, they hung, von ihm, ihrer zweiten vorsehung, hingen sie ab, ihr gesetz war sein auge, ihr orakel seine zunge. Er rief aus der erstaunten Then, looking up from sire to sire, explored v. 227. Or plain tradition, that this all begun, Conveyed unbroken faith from sire to son; v. 239. True faith, true policy, united ran, That was but love of God, and that of man. Who first taught souls enslaved, and realms undone, That proud exception to all nature's laws, v. 235. Force first made conquest, and that conquest, law; Then shared the tyranny, then lent it aid, And gods of conqu'rors, slaves of subjects made: She, midst the lightning's blaze, an thunder's sound, When rocked the mountains, and when groaned the ground, v. 251. She taught the weak to bend, the proud to pray, v. 265. Then first the Flamen tasted living food; Next his grim idol smeared with human blood; furche die nahrung hervor, lehrte das feuer beherrschen, der fluth gebieten, die ungetüme aus dem tiefen abgrunde ziehen oder den adler der luft zum boden herabholen, bis welkend, hinsiechend, sterbend sie den als menschen zu betrauern begannen, den sie als gott verehrt hatten. Dann, von einem ahnherrn immer weiter zum andern hinaufblickend, entdeckten sie einen grossen ersten vater, und diesen ersten beteten sie an. Oder eine klare überlieferung, dass dieses all einen anfang habe, leitete den glauben unerschüttert vom vater zum sohne. Der schöpfer wurde von seinem werke deutlich unterschieden, und die einfache vernunft suchte niemals mehr als einen. Ehe der verkehrte menschenwitz So drives self-love, through just, and through injust, The same self-love, in all, becomes the cause v. 272. Of what restrains him, government and laws. What serves one will, when many wills rebel? All join to guard what each desires to gain. v. 279. Forced into virtue thus by self-defence, Ev'n kings learned justice and benevolence: T' was then the studious head or gen'rous mind, Poet or patriot, rose but to restore The faith and moral nature gave before; v. 287. Relumed her ancient light, not kindled new; If not God's image, yet his shadow drew: (v. 289.) Taught pow'r's due use to people and to kings; Taught not to slack, nor strain its tender strings, The less, or greater, set so justly true, That touching one must strike the other too; Till jarring int' rests of themselves create Th' according music of a well-mixed state. Such is the world's great harmony, that springs v. 296. From order, union, full consent of things; Where small and great, where weak and mighty made More pow'rful each as needful to the rest, And in proportion as it blesses, bless'd; Beast, man, or angel, servant, lord, or king. |