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lebnisse Roger's I. von Toëni mit dem zunamen des Spaniers er ist in der ersten hälfte des II. jahrhunderts bis ca. 1040 verfolgbar und war der vater des ersten englischen Tony und der grossvater der ersten gemahlin Balduin's von Boulogne durch eben diesen ersten englischen Tony - erfuhren zur zeit des ersten kreuzzugs und kurz nachher die seltsame umbildung in die sagenzüge vom Schwanritter. Da ich in der zeitschr. f. rom. phil. bd. 25, I ff. (vgl. ebd. bd. 21, 176 ff.) ausführlicher über das geschlecht gehandelt habe, so darf ich mich hier kurz referierend auf das wichtigste beschränken.

Für die Tony sprechen, soweit mir bekannt ist, zwei zeugnisse.

Im Juli 1300 bricht der englische könig Edward I. nach Schottland auf, um das schloss Carlaverock auf der nordseite des Solway-Firth zu belagern. Kurz darauf verfasst ein augenzeuge ein heraldisches gedicht, in welchem er die barone, ritter und edeln verzeichnet, die den zug mitmachten, und beschreibt nicht nur ihre wappen, sondern bietet auch manche charakteristische besonderheit der teilnehmer. Von dem noch nicht zwanzigjährigen baron Robert von Tony, der in der vierten heeresabteilung unter dem siebzehnjährigen Edward, dem sohn des königs, stand, giebt er folgende beschreibung 1): 'Blanche cote et 2) blanches alettes 3), Escu blanc et 2) baniere blanche Avoit 4) o la vermeille manche Robert 5) de Tony ki bien signe

Ke il est du chevalier a cigne' 6).

1) N. H. Nicolas, The Siege of Carlaverock, s. 42, London 1828. Nicolas' ausgabe ist der abdruck der kopie, welche Glover, der berühmte herold, im jahre 1587 von dem gedicht machte, und welche sich jetzt in der bibliothek des College of Arms befindet. Nicolas giebt am fuss der seiten die varianten des Ms. Cott. Caligula A. XVIII des Brit. Mus., welches, ohne autograph zu sein, doch der zeit, in welche die ereignisse fallen, sehr nahe steht. S. Th. D. Hardy, Descript. Catal. of Materials relating to the History of Great Britain and Ireland, vol. III, s. 265, London 1871. Th. Wright legte seiner ausgabe des gedichtes, London 1864, das Cott. Ms. zu grunde. Wright's ausgabe habe ich nicht einsehen können. Nach dem Cott. Ms. war das gedicht schon abgedruckt · allerdings sehr unzuverlässig im jahre 1809 in Grose's Antiquarian Repertory t. IV, s. 469-498.

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Das wappen der Tony war seit dem auftreten der erblichen wappen in England im letzten viertel des 12. jahrhunderts) ein roter ärmel in silber 2). Robert von Tony hatte also die farben des geschlechtswappens bei seiner ausstattung zu grunde gelegt und seine kleidung ganz weiss genommen mit dem roten ärmel im schild oder sonst noch irgendwo, um durch seine äussere erscheinung an einen schwan und somit auch an seine herkunft zu erinnern. Und auch sonst findet sich seine spielerei mit der herkunft von einem Schwanritter. Im Februar 1301 gehörte er als Robertus de Touny, dominus de Castro Matil3) zu den baronen, die den berühmten brief an den papst Bonifaz VIII. abfassten. Sein siegel hat sich erhalten. Den wappenschild darauf umgeben löwen und schwäne, je einer um den anderen 4). Ob die Tony vor Robert diese eigentümlichkeit in ihrem siegel schon hatten, ist ohne ein siegel aus früherer zeit nicht zu ermitteln 5), da sogar der gebrauch von wappen auf siegeln in England noch im 14. jahrhundert nicht nach einem allgemein gültigen princip geordnet war), geschweige denn dass die ausschmückenden ornamente damals in gleicher gestalt vom vater auf den sohn übergingen.

1) Pusikan in der Vierteljahrsschrift f. heraldik, sphragistik und genealogie, IX. jahrg., s. 114. 140 f., Berlin 1881. Vgl. B. Burke, The General Armory of England, Scotland, Ireland and Wales, s. V f., London 1878.

2) d'argent ung manche de goules heisst es in dem ältesten zeugnis für das wappen der Tony, der wappenrolle von 1240/1245, deren inhalt nur noch in der gewissenhaften abschrift des Somersetheralds Glover von 1586 erhalten ist. S. auch die angeführten zeilen des 'Siege of Carlaverock': escu blanc . . . o la vermeille manche.

3) Radulf V. von Tony († 1239), der grossvater des vaters von Robert, hatte mit rücksicht auf seine geleisteten und noch zu leistenden kriegsdienste von Heinrich III. im jahre 1233 das Castrum Mathildis (castle Maud) in Wales zum erblichen besitz erhalten. Matth. Paris, Chronica Majora, ed. H. R. Luard, vol. III, s. 254, London 1876.

4) N. H. Nicolas, Siege of Carlaverock o. c. s. 250. 370.

5) Das Catalogue of Seals in the Department of Manuscripts in the British Museum by W. de Gray Birch, vol. I-VI, London 1887-1900, beschreibt von den Tony nur ein einziges siegel: vol. II, nr. 6469 aus den jahren 1140-1150, von Radulfus de Toinio, ohne heraldisches zeichen. Radulf IV. von Tony starb 1162. S. über ihn die kurzen notizen bei Robert de Monte s. a. 1162 und bei Gislebert von Mons in D. Bouquet XIII 553.

6) N. H. Nicolas in Archaeologia vol. XXI, s. 216, London 1827.

Nach dem gedicht glaubte Robert von Tony, dass er abstammte von dem gefeierten, sagenhaften grossvater Gottfried's von Bouillon. Und allerdings mag es dem geschlecht in den augen der damaligen aristokratischen gesellschaft ein höheres ansehen verliehen haben, wenn es sich auf den in der dichtung besungenen ritter als ahnherrn berufen konnte, als wenn es einen sonst nicht ferner bekannten vorfahren aufführte. Aber nach der genealogie der sage, wie wir sie aus der französischen dichtung kennen, und nach der genealogie des hauses Boulogne, sowie nach der abstammung im eigenen geschlecht konnte ein Tony nicht vom blute des Schwanritters sein. Der Schwanritter der tradition erzeugt nur eine tochter. Diese, welche identisch gemacht wird mit Ida, der gemahlin Eustach's II. von Boulogne, gebiert, wie die historische boulognische Ida, nur drei kinder, die bekannten drei brüder Eustach III. von Boulogne († ca. 1125), Gottfried von Bouillon († 1100) und Balduin († 1118), könig von Jerusalem nach dem tode Gottfried's. Die gedichte vom Chevalier au Cygne und ihre ableitungen sprechen in der zeit, die für die Tony in betracht kommt, ferner von keinen nachkommen. Wir wissen, dass Gottfried und Balduin in der that keine nachkommen hatten und Eustach III. nur eine tochter1), die Mathilde, die gemahlin Stephan's von Blois, der 1135-1154 könig von England war. Die Tony hätten also nachkommen dieses ehepaars sein müssen. Und dies ist unmöglich, wie sich aus der genealogie Boulogne's und der der Tony ergiebt. Wie das verhältnis zu einem Schwanritter ursprünglich war, zeigt die betrachtung des zweiten zeugnisses für den ursprung der Tony von einem Schwanritter.

In den Vitae der 23 ersten äbte des klosters St. Alban durch Matthaeus Paris lässt sich deutlich ein älterer teil unterscheiden, der vermutlich schon unter dem 16. abt, Gaufredus (1119-1146), niedergeschrieben ward 2). In der diesem älteren teil durchaus angehörigen vita des 7. abtes Leofstan (nach

1) Eustach III. von Boulogne hatte 1122 noch einen sohn, der in diesem jahre als Rodulfus filius comitis Eusthathii eine urkunde zeichnet, in welcher Eustach III. als erster unterzeichner erscheint. S. A. Miraeus, Op. Dipl. t. I2 s. 84. Der sohn muss vor 1125 gestorben sein, da Mathilde ihrem vater bei dessen tode nachfolgte.

2) Über dieses und folgendes s. angeführten artikel in der Zeitschr. f. rom. phil. bd. 25, s. 33 ff.

1046-1064) wird berichtet, dass der Tony, der mit der eroberung (1066) nach England kam, den hof Flamstead in der nähe des klosters erwarb. Dieses Flamstead war einst besitz

des klosters gewesen. Aber nach der genannten vita hatte Leofstan den hof einem tapfern ritter Turnothus und seinen beiden genossen Waldef und Thurman abgetreten, ihnen dafür die verpflichtung auferlegend, die wälderreiche umgebung St. Alban's von räubern und wilden tieren freizuhalten, damit die frommen sich nicht abgeschreckt fühlen möchten, das kloster zu besuchen. Turnothus und die seinen kamen ihrer verpflichtung treu nach, bis zur Eroberung, als der hof infolge des loses der verteilung in die hände Roger's (1. Radulf's) von Thoni kam. Dieser Tony entzog sich der verpflichtung dem kloster gegenüber nicht. Von diesem ersten normannischen besitzer Flamstead's dem vorfahren des Robert von Tony von 1300 heisst es nun in der vita also: erat Normannus, ab illis famosis militibus trahens propaginem, qui a Cygni nomine intitulantur.

Eine betrachtung der umstände, unter denen dieser passus entstand 1), der befund, dass die kontinentale sage von der herkunft Gottfried's von Bouillon keine alte vorgottfriedische lothringische tradition oder ein ausfluss einer solchen sein kann 2), sondern ihren ursprung gehabt haben muss in der vermählung Balduin's von Boulogne mit Godehilde von Toëni3), d. h. der tochter des ersten normannischen besitzers von Flamstead, führen dazu, dass wir uns den Radulf von Tony, der seine abstammung von den rittern, 'qui a Cygni nomine intitulantur', ableitete, vorstellen müssen mit einem schwan als unterscheidendes zeichen, und dass der vater Radulf's von Toëni — Roger geheissen, † ca. 1040 und bei den normannischen chronisten noch den zunamen des Spaniers 4) führend der urtypus des Schwanritters der sage ist. Dieser Roger von Toëni befreite um 1018 durch sein unerwartetes erscheinen die verwitwete gräfin von Barcelona von den sie hart bedrängenden Mauren, heiratete ihre tochter 5), hatte als zeichen einen schwan) und 1) a. a. o. s. 34 ff.

2) ebd. s. 1-23.

3) ebd. s. 26 ff.

4) ebd. bd. 21, s. 181 ff.

5) ebd. bd. 21, s. 182 f.; bd. 25, s. 30 ff.

6) ebd. bd. 25, s. 37-42.

wurde der grossvater der Godehilde von Toëni, die kurz vor dem aufbruch zum ersten kreuzzug die gemahlin Balduin's von Boulogne wurde 1).

Die entwicklung der herkunft in dem geschlechte der Toën haben wir uns daher also vorzustellen:

Im 11. jahrhundert hatten die Toëni als unterscheidendes zeichen einen schwan und erhielten daher den namen 'schwäne', ebenso wie die könige von England aus dem hause Anjou nach dem ginsterstrauch den namen 'Plantagenets' bekamen. Die Toëni des 12. jahrhunderts wählten andere individuelle abzeichen, gaben jedenfalls den schwan auf, denn als die wappen in England erblich wurden, was erst im letzten viertel des 12. jahrhunderts geschah, nahmen die Toëni nicht einen schwan, sondern einen ärmel in ihr wappen. Als nun die französische dichtung um 1160 sich der lothringischen sage von der herkunft Gottfried's von Bouillon bemächtigt hatte und der stoff dann nach England drang, mag auch zuletzt bei den Tony wieder lebendig geworden sein, was nur als dunkle tradition in ihrer familie lebte, d. h. dass einst einer ihrer vorfahren und die seinen einen schwan als abzeichen führten. Und unter dem einfluss der bedeutenderen tradition von dem Schwanritter der sage schmiegte die erinnerung der Tony sich an die glänzendere vorstellung der herkunft an, als eine folge der nur unklar fortlebenden erinnerung an ihren einstigen vorfahren.

Die Tony nehmen also in der entwicklung des sagenkomplexes vom Schwanritter eine ganz eigentümliche stelle ein. Einer von ihren normannischen vorfahren giebt durch seine thaten, deren erinnerung ausgeschmückt in der zweiten hälfte des II. jahrhunderts als tradition des geschlechtes in der familie Toëni und deren weiterer umgebung 2) fortlebt, das material ab zu der sagengestalt in einer branche der kreuzzugsepen. Unabhängig von dem geschlecht vollzieht sich sodann die entwicklung dieser sagengestalt auf ganz fremdem gebiet. Eine erinnerung an das einstige schwanenzeichen ihrer vorfahren besteht noch bei den englischen Tony des 12./13. jahrhunderts, und diese bringt sie sodann dazu, sich zu betrachten als nachkommen der gefeierten festländischen sagengestalt.

1) ebd. bd. 25, s. 31.

2) Vgl. den zunamen 'der Spanier'.

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