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In kap. IV (s. 87-98) werden die sogen. etymologiae, d. h. die jedem heiligenleben beigefügten vorreden, und ihre wiedergabe durch Caxton abgehandelt. Zur illustration des gesagten erhalten wir in kap. V diplomatische abdrücke einzelner legenden aus handschriften in englischer und franz. fassung und zwar St. Cuthbert, St. Aldelme, St. Swythyn, St. Donston, St. Thomas of Canterbury, The 7 Sleepers, St. Marine (frz. u. engl.), St. Patrick, St. Patrice (frz. handschriften und gedruckte Vignay-fassung), The Holy Cross.

Kap. VI, Remarks on the texts. Results, fasst das ergebnis zusammen, das kurz mitgeteilt werden möge. Zu grunde legte Caxton die dritte fassung der de Vignay-version (Ms. Stowe = druck); für 14 kapitel entnahm er seinen stoff der bibel, aber unter benutzung von Josephus, des Polychronicon etc. Von 19 neu hinzugekommenen englischen heiligen stammen 8 aus den erwähnten engl. handschriften, besonders aus Addit. 11 565, die anderen wahrscheinlich aus dem verlorenen original dieser handschriften. 5 legenden beruhen auf der lat. fassung, während die ursprüngliche franz. fassung von de Vignay nicht benutzt ist. Über die redaktionsthätigkeit Caxton's im einzelnen erhält man aus Butler's darstellung eigentlich kein ganz klares bild.

Denn wie auf s. 98 von ihm selbst bemerkt wird, ist seine behandlung des themas keine erschöpfende; ein grosses stück arbeit bleibt hier noch zu leisten; vor allem wird auf eine vertiefung der untersuchung, auf übersichtliche gruppierung um feste gesichtspunkte und aufzeigung der gründe, die bei Caxton für beibehaltung oder veränderung massgebend waren, bedacht zu nehmen sein. Was wir dem verf. aber als grosses verdienst anrechnen müssen, ist, dass er die grundlinien gezogen und die wege angegeben hat, auf denen weiterzuarbeiten ist, und ferner, dass er auf die quellen zurückgegriffen und wertvolles material aus den handschriften beigebracht hat. Da ihm ohne zweifel der stoff sehr vertraut ist, wäre zu wünschen, dass er seine arbeit uns dereinst in einer vollständigen fassung präsentierte.

Berlin, November 1900.

Heinrich Spies.

Leonard Cox, The arte or crafte of rhetoryke. A reprint edited with an introduction, notes and glossarial index by Frederic Ives Carpenter Ph. D. Chicago, The university of Chicago press 1899. A. u. d. t. English Studies No. V. 177 ss. 8°.

Es muss als eine verdienstliche arbeit bezeichnet werden, dass durch diesen neudruck die nur in zwei exemplaren (Britisches museum und Bodleian) vorhandene rhetorik von Leonard Cox, die noch dazu verschiedene ausgaben darstellen, der wissenschaft allgemein zugänglich gemacht wird. Sie hat für uns nicht nur deshalb interesse, weil sie die erste ihrer art in England ist und nebenbei ein nicht uninteressantes sprachliches denkmal darstellt, sondern auch darum, weil sie ihre hauptquelle in dem werke eines deutschen humanisten findet, in Melanchthon's Institutiones Rhetoricae 1521, wie Carpenter bereits Mod. Lang. Notes Mai 1898 mitgeteilt hatte.

In der dem abdruck vorangestellten einleitung sind unter I die aus dem leben des späteren schoolmaster von Reading bekannten thatsachen und vermutungen auf grund der quellen fleissig zusammengetragen, aus denen wir uns wenigstens im allgemeinen ein bild seiner äusseren lebensschicksale machen können. Besonderes interesse darf hierbei die thatsache beanspruchen, dass Leonard Cox einer grossen anzahl bedeutender männer seiner zeit freundschaftlich näher trat, so Erasmus, Melanchthon, Leland, Palsgrave, Bale, Faringdon, dem drucker Toy und John Hales. Dem lebensabriss folgt eine willkommene bibliographie der werke von Cox, zwölf an der zahl, von denen jedoch vier zweifelhaft sind. Unter III wird dann (s. 22-33) die bedeutung der rhetorik erörtert, unter bezugnahme auf ihre vorgänger und nachfolger. Die rhetoriken der renaissance beruhten in ihren wesentlichen bestandteilen auf Hermogenes, Quintilian und besonders auf Cicero. Leonard Cox verweist die wissbegierigen unter seinen lesern auf Hermogenes und Trapezuntius, der, von geburt ein Kreter, von 1396-1486 lebte und in Venedig und Rom lehrte. Die erste in England gedruckte rhetorik war eine lateinische abhandlung von Traversanus, zugleich das erste (1480) in St. Albans gedruckte buch. In englischer sprache ist der erste abriss einer rhetorik gedruckt in Caxton's Myrrour and dyscrypcyon of the worlde, 1481, und Stephen Hawes' Pastime of pleasure widmet der rhetorik volle sieben kapitel. Dass die rhetorik als ein teil des Trivium der artes liberales natürlich auch sonst in der mittelalterlichen eng

lischen litteratur behandelt wird, wird in Carpenter's einleitung nur ganz nebenbei gestreift. Ein rückblick hierauf würde sich entschieden gelohnt haben. Carpenter erwähnt zwar Gower (der übrigens nicht nach der wenig zugänglichen ausgabe von Chalmers citiert werden sollte), aber wenn er Gower erwähnt, musste er auf die Secreta Secretorum überhaupt und ihre englischen übersetzungen bezw. bearbeitungen aufmerksam machen, von denen die Lydgate's und Burgh's leider eine methodisch anfechtbare und im abdruck höchst ungenaue ausgabe durch Steele erfahren hat.

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Leonard Cox tritt mit eigenen absichten auf den plan. Sein zweck ist im grunde ein rein praktischer, ein schulmeisterlicher. Seine rhetorik soll teils ein hilfsbuch abgeben für rechtsanwälte, gesandte, prediger, sowie überhaupt für solche, die öffentlich als redner aufzutreten haben; insbesondere aber ist sein büchlein als ein schul- und elementarbuch gedacht für die, welche "haue by neclygence or els false persuasyons be put to the lernynge of other scyences or euer they haue attayned any meane knowledge of the latyne tongue". Über seine quelle bemerkt er "I haue partely traunslatyd out of a werke of Rhetoryke wrytten in the lattyn tongue, (and partely compyled of myne owne), . und an anderer stelle 'But nowe I haue folowed the facion of Tully, who made a seuer all werk of inuencion. Seine vorlage, Melanchthon's Institutiones rethoricae, mit namen zu nennen, war nicht angängig zu einer zeit, wo man in den massgebenden kreisen Englands auf die thätigkeit der deutschen reformatoren mit misstrauischer voreingenommenheit herabsah. Mehr als ein drittel hat Cox aus Melanchthon direkt übersetzt; ein weiteres drittel bildet teils eine erweiterung einzelner stellen daraus, teils übersetzung von stellen aus Cicero, Melanchthon's De rhetorica oder anderen autoren. Die behandlung der übersetzten stellen ist eine sehr freie; selten nur hat Cox wörtlich übertragen. Es lässt sich dies in Carpenter's ausgabe sehr gut verfolgen, da er aus Melanchthon's wercken einen grossen teil mit abdruckt und auch in den anmerkungen an vielen stellen auf die quellen verweist.

Der neudruck der englischen rhetorik beruht im wesentlichen auf der undatierten ersten ausgabe, etwa aus dem jahre 1530, und macht durchweg den eindruck der zuverlässigkeit. Vereinzelte druckfehler, wie z. b. s. 49 z. II v. u. 1. must st. muft und s. 81 z. 91. that st. tha, sind wohl nicht original, sonst wären sie vom herausgeber gebessert worden. Über die angabe der varianten sagt

der verfasser s. 19, "all the more important variations in (B) have been noted"; ich nehme an, dass m. d. anderen nur die auf s. 5 erwähnten "few corrections in punctuation introduced in B❞ gemeint sind; sonst wäre darin ein methodischer fehler zu erblicken. An die textbehandlung selbst dürfen wir den massstab strenger kritik nicht anlegen - Carpenter will ja auch nur einen "reprint" geben. Das material haben wir also wenigstens in händen; zu bedauern bleibt allerdings, dass nicht der versuch einer kritischen ausgabe gemacht ist, wobei natürlich möglichst konservativ hätte verfahren werden müssen. Aber auch so will es mir scheinen, als ob der verfasser besser daran gethan hätte, die zweite ausgabe der rhetorik (das jahr des erscheinens 1532 ist hier durch angabe auf dem titelblatt gesichert) zu grunde zu legen; ich lasse mich dabei von folgender erwägung leiten: Voranzuschicken ist, dass beide ausgaben zu lebzeiten des dichters erschienen sind, wir aber nicht wissen, ob und wie weit der verfasser irgendwelchen einfluss dabei gehabt hat. Nach der orthographie zu urteilen, hat sich der drucker eng an das manuskript angeschlossen und wenig normalisiert. Nun beruht die zweite ausgabe vielleicht auf der ersten oder diese ist wenigstens mit benutzt worden. Denn "of the changes noted in B, some one hundred and ten are corrections and improvements upon A.” Daran, dass diese änderungen zum teil modernisierungen sind, hat der herausgeber anscheinend anstoss genommen und darum den ersten druck zu grunde gelegt und besserungen aus B eklektisch herübergenommen. Würde er streng kritisch verfahren sein, so hätte er noch mancherlei mehr ändern müssen, so s. 67 z. ΙΟ V. u. audacitie (B) für audicitie (A) nach audacite (A und B) s. 76 z. 15; s. 69 z. 11 Carthaginoys (B) für Caraginoys (A) nach Carthaginois (A und B) s. 68 z. 6 v. u.; ebenso s. 69 z. 15 Carthagene (B) für Cartagene (A) nach Carthagene (A und B) s. 69 z. 3 etc. etc. Oder, um auf die principielle frage zu kommen, er hätte genau untersuchen müssen, in welchem verhältnis die beiden drucke zu einander stehen, ob B direkt aus A geflossen ist oder aus dem manuskript von A, eventuell mit benutzung von A, und was dergleichen möglichkeiten mehr sind. Voraussichtlich wäre er dabei zu dem schluss gekommen, dass dem texte von B doch der vorzug gegenüber dem von A zu geben sei. Für die textbehandlung ist die vorherige lösung dieser fragen unerlässlich und ausschlaggebend. Dass eine solche Untersuchung keine gerade leichte aufgabe ist, liegt auf der hand, aber die

schwierigkeit einer frage kann den forscher nicht ihrer erörterung überheben, zumal sie unter allen umständen auch methodisch förderlich sein wird. Eine solche arbeit hätte aber im vorliegenden falle allerdings eine genaue sprachliche untersuchung der rhetorik von Cox vorausgesetzt, und darauf hat der herausgeber verzichtet, denn die wenigen sprachlichen bemerkungen in den anmerkungen erwecken nur den eindruck, als ob sie für ein weiteres publikum < berechnet seien; für wissenschaftliche Zwecke genügen sie nicht; die sprachliche verwertung der rhetorik von Leonard Cox steht noch aus. Aber abgesehen davon werden wir den neudruck dankbar entgegennehmen. Leider vermissen wir eine zeilenzählung, was beim citieren sehr störend wirkt.

Berlin, ende Oktober 1900.

Heinrich Spies.

Richard Koppel, Verbesserungsvorschläge zu den erläuterungen und der textlesung des Lear«. Zweite reihe der >Shakespearestudien von Berlin, E. S. Mittler & Sohn, 1899. 156 pp. 8°.

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> Ein ernstliches bemühen, zu vermehrter Erkenntnis beizutragen, hat, wo es sich um das verstehen und die rechte lesung eines grossen geisteswerkes handelt, sein recht auch in kleinen dingen«. Und >>kleine dinge« behandelt Koppel allerdings sehr oft, doch dann gleich so, dass man im allgemeinen sagen muss, dass durch seine behandlung jene von ihm geforderte berechtigung am schlagendsten bewiesen wird! Zwar wird es schwerlich einen kopf geben, in dem sich das verständnis des Lear ganz ebenso gestaltet, als bei Koppel, aber, und das ist schon sehr viel, in einer ganz bedeutenden anzahl von fällen wird sich die Shakespearekritik fortan auf seinen standpunkt zu stellen haben.

Aus dem reichen inhalt des kleinen buches greife ich empfehlend und nachtragend einiges heraus:

Eine sehr ansprechende vermutung ist die, welche K. auf p. 6 anm. I vorbringt, dass nämlich die karte schon von I 1, I an auf der bühne sich befindet und Gloster und Kent mit ihr und den auf ihr vorher abgegrenzten teilen beschäftigt sind. Die worte in neither in I 1, 6 setzt K. in neither of the dukes; er fasst es also = »de la part de«, eine bedeutung, die in sehr häufig und noch z. b. bei Sheridan hat. Der alten interpunktion in F I und J. Hoops, Englische Studien. 29. 2.

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