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c) The Empire of Pathia.

Der 19. brief des Spy (p. 152-162) gibt die übersetzung eines manuskriptes mit der überschrift: >A description oft the Empire of Pathia.<< Es ist die wörtlich durchgeführte übertragung des 93. stückes aus dem Patrioten: »die allegorische Vorstellung des Verhaltens der Leidenschaften im Reiche der Vernunft. Der Engländer verbreitert hie und da etwas ungeschickt einzelne ausdrücke seiner vorlage. Sprachlich fordern wohl die deutschen und englischen benennungen der allegorischen personen unser interesse heraus. Die fabel, auf dem satze der schule des Descartes errichtet, dass die vernunft im haupt und der willen mit seinen affekten im herzen wohnt, gliedert sich in drei teile. Die kaiserin Vernunft (Reason) hält sich in »Cephale«, der hauptstadt von »Pathia«, auf. Die namen sind durchsichtig genug. Der erste diener des staates ist der Freyherr von Wille (baron Will)«, der, mit »der Gräfin von Phantasey (Lady Fancy)< vermählt, nach schloss » Cardia« versetzt wird. Dieser ehe entstammen mehrere kinder, die »Fräulein Liebe (Lady Lovely), Hoffnung (Hope), Fröhlichkeit (Gay), Sorge (Anxiety), Furcht (Timorous) und der Junker Hass (Squire Splenetic).« Die Liebe« heiratet den Herrn von Wahrengut (Truegood)<, dem sie dann vier kinder, die Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Mitleid und Freundschaft, schenkt. So weit der erste abschnitt, der das einvernehmen zwischen der Vernunft und dem Willen samt seinem anhang schildert; ein fremder eindringling stört aber bald den frieden, > Herr v. Eigennutz (the Marquis of Self-Interest)<, der den » Wahrengut totschlägt und nun mit der »Liebe« drei andere kinder zeugt, »Junker Geiz (Lord Ambition, Junker Wollust (Squire Sensual) und den Geldgeiz (Avarice)«. Diese neue partei zettelt auch eine verschwörung gegen die kaiserin an, die dann von dem wankelmütigen volk bald abgesetzt wird; falsche münzen kommen in umlauf — ein vorspuk der revolution - alle laster sind losgelassen, bis endlich im dritten und letzten teil der erzählung die verblendete menge von einer matrone, der >> Erfahrung (this prudent and venerable Sybil, whose name was Experience)« über das treiben seiner herrscher aufgeklärt wird. Die dynastie Willen fällt, und die alte kaiserin Vernunft<< zieht wieder ein. In einem anhang setzt der verfasser J. Hoops, Englische Studien. 29. 2.

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noch auseinander, was er mit seiner freilich etwas verwickelten allegorie 1) gemeint habe. Der herausgeber der briefe des Spy aber führt eine ähnliche stelle aus dem Spectator (VI 49) an, der sich auch für ein anzustrebendes friedliches verhältnis zwischen der leidenschaft zur vernunft entschieden hatte: So werden aus der allgemeinen philosophierenden neigung der zeit heraus in England und Deutschland dieselben urteile, nur hier in anderer form als dort, gebildet und von land zu land verschleppt.

d) A philosophical Watch.

Unter den schätzen des Patrioten befindet sich (no. 52) auch eine >philosophische uhr«: Als das moralische gegenstück zu dem mehr auf die eigenschaften des geistes und des gemüts gestimmten thermometer giebt sie an, welche zeit seines lebens ein mensch wirklich gelebt hat. Im Spy p. 210-215 wird nach den deutschen angaben wörtlich derselbe gegenstand »a Philosophical Watch beschrieben; vgl. Tatler no. 264, 16. XII. 1710.

e) Universal Snuff for Refreshing the Memory.

Unter seinen wundermitteln führt der Patriot (no. 87) auch einen »Universal-Schnupfftoback für das Gedächt

1) Für eine geschichte der allegorie und ihrer mittel ist es nicht unwichtig, festzustellen, dass die Sorge« später in der litteratur allgemein anders und älter dargestellt wurde. Patriot: »Fräulein Sorge verbrachte gantze Stunden auf ihrem Zimmer in Einsamkeit und mit Weinen.<< Dagegen Goethe im 2. teil des Faust; und neuerdings Sudermann, Frau Sorge 1898, I: >>Frau Sorge, die graue, verschleierte frau, Herzliebe eltern, ihr kennt sie genau,

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Da kam eines abends mit

p. 290. »Das märchen von Frau Sorge.
der sinkenden dämmerung eine frau zu ihr ins haus, die hatte graue kleider
an und ein graues tuch um den kopf geschlungen. Und in der nachahmung
dieses romans: Jacobowski, gedicht Frau Sorge, vgl. Das magazin für
litteratur 1899, nr. 33 p. 776:

Kam das paar geschritten in die stadt hinein,
Sass frau Sorge mitten schon im kämmerlein.«

Goldene tage:

>>Die freude mög' erwachen,
Dass alles grau verschwinde!
Frau Sorge und frau Sünde,
Ich will sie leuchtend machen
Durch einen goldnen rand

P. Wertheimer, Deutsche dichtung 27, 4, 96.

nisse auf, der die eigenschaft hat, die leute von ihren thorheiten zu heilen; weiter wird von einem Clas von Glückbüll berichtet, der, von niedrigem herkommen, doch durch das glück begünstigt, sich alter freunde gar nicht mehr recht erinnern konnte, der aber nach dem gebrauch des pulvers auch wieder hergestellt wurde, und endlich von einem grafen Udeno, der alles versprach und nichts hielt und dadurch besonders einen gewissen Rudolf Leisegang benachteiligte. Der graf wird

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ebenfalls von seiner vergesslichkeit geheilt.

Dieses mittel »Universal Snuff for Refreshing the Memory« und die drei letzten personen Parvulus, Count Udeno und Jack Saunter tauchen im Spy p. 216-220 wieder auf. Der hamburgische Patriot hatte das recept zu seinem seltsamen wunderpulver im englischen Guardian no. 275, 21. IV. 1713 entdeckt. Dort wird ein schnupfmittel von ganz merkwürdigen eigenschaften gerühmt, die freilich nicht ganz dieselben wie bei dem deutschen »universaltabak«, mehr in der richtung der vorhin erwähnten zauberdinge, wie des wetterglases, liegen.

f) Chinese Eye-water.

Auch ein »besondres himmel-blaues Wasser « hatte der Patriot (no. 5) bereit gehabt; bei anwendung dieser flüssigkeit werden die augen so weit gestärkt, dass man eine beständige Ausdünstung aus dem Gehirn der Menschen, und in derselben die Leidenschaften des Gemüthes figürlich sehen, auch verschiedene Kreaturen in der Luft, welche darin, wie Fische im Wasser, schwimmen, auf das Kennbarste entdecken könnte«. Der Patriot erprobt die wirkung gelegentlich einer gesellschaft. Dasselbe kapitel wird dann im Spy p. 219-224 wiedergegeben.

Man beachte wohl, dass in diesen erzählungen die zauberstücke vielfach in Asien hergestellt sein sollen. Ein arabischer philosoph hat das künstliche thermometer, ein persischer >>Chimyst< das blaue wasser, Jaaphar Ebn Jophzdhail die merkwürdige uhr eingesandt. Andres stammt aus Japan; die pyramide ist mit Sinesischen Charakteren« bezeichnet und im reich der mitte verfertigt worden. Diese angabe würde mit unter die ersten zeichen einer teilnahme in Deutschland für den osten aufzuzählen sein, die der ernsten, wehrhaften

bethätigung dieses interesses am schlusse des 19. jahrhunderts langspurig voraufgezogen sind.

g) A curious Laterna Magica.

Im Patrioten wird (no. 115) von einer wunderbaren magischen laterne erzählt, welche allegorische figuren, wie den reichtum, betrug, wucher, verrat, glaube, liebe und hoffnung, kurz sämtliche laster und tugenden an dem zuschauer in ergreifenden bildern vorbeiführen kann. Der Spy bringt diese zaubervorstellung im 34. briefe p. 312-318: er meint aber zum schluss, dass die anregung zu diesem schauspiel wohl von England ausgegangen und auf verse (welche?) in den >Sheet - Almanacks« zurückzuführen sei:

Ein geschichtschreiber der allegorie darf sich diesen aufsatz des Patrioten, der unsere menschlichen verhältnisse eingehend personifiziert, nicht entgehen lassen. Verschiedene zeiten und völker werden sich ihre götter und teufel auch jedesmal anders vorgestellt haben. Einmal den wandel der figuren durch die jahrhunderte zu verfolgen, wäre aber eine kulturgeschichtlich lohnende aufgabe, die sich natürlich nicht allein von der litteratur aus, sondern nur in verbindung mit den andern künsten, der malerei und bildhauerei, lösen liesse.

h) The Return of Astræa.

Der letzte brief des Spy bringt p. 427 die übersetzung einer arbeit seines gelehrten freundes«, unter dem titel: »The Vision or the Return of Astræa, die sich in der that im Patrioten nr. 153 unter dem gleichen motto des Vergil »Jam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna« findet. Diese erzählung ist aber nichts weiter als die vielfach veränderte übersetzung einer im Tatler II 264 ff., 275 ff. unter derselben überschrift erschienenen abhandlung.

Der erste verfasser hatte im Tatler eine ganz allgemeine einleitung gewählt: Er will eines tages über die unaufrichtigkeit der welt nachgedacht und auch am abend weiter darüber gegrübelt haben, bis ihn endlich der anblick der sterne wieder fröhlicher und vertrauender stimmte. In der nacht aber hatte er einen seltsamen traum: Er sah in der gegend der wage den himmel sich öffnen und Astraea, die göttin der gerechtigkeit,

mit einem spiegel heraustreten, den sie wie einen gewaltigen scheinwerfer auf die ganze welt richtete. Leute sammeln sich an, unter denen das licht verschiedene änderungen hervorbringt. Den männern werden dabei drei sprüche zugerufen: Alles eigentum soll seinen regelmässigen besitzern zufallen, das verdienst nach gebühr belohnt werden, und alle kinder sollen sich zu ihren rechtmässigen vätern versammeln. Die folge ist eine grosse verwirrung: arme werden reich, und reiche werden. arm; familienväter verlieren ihre kinder, die auf die junggesellen zulaufen, und viele unbekannte, aber würdige rücken bei der sonderung nach dem verdienste in die ersten reihen ein. Tatler 2, 267: "It was a very melancholy spectacle to see the fathers of very large families become childless, and bachelors undone by a charge of sons and daughters."

Nun kommen aber die frauen dran, die sich bislang etwas geräuschvoll bei der ganzen gelegenheit benommen hatten. Sie werden nach der schönheit des charakters geordnet. Die satire ist unverkennbar bei diesen geboten, wo es erstens heisst, alle verleumderinnen sollen ihre sprache verlernen, und es nun augenblicklich sehr ruhig wird, und wo zweitens befohlen wird, dass alle, die je ihre tugend preisgegeben, auf der stelle schwanger erscheinen sollten, und nun der platz auf der grossen ebene des gerichts fast zu eng für die menge und den umfang der sich ganz plötzlich verbreiternden gestalten wird.

Aber diese vision, die mit solchen schärfsten mitteln einer fast verletzenden satire arbeitet, klingt doch ebenso, wie sie artig eingeleitet war, zuletzt auch freundlich wieder aus; denn als der dichter so wird man den geist- und phantasievollen träumer wohl nennen dürfen erwacht ist, lenkt er versöhnlich in die verse Adam's aus Milton's Paradise Lost, in das lob der Eva ein. Er schliesst mit der behauptung: »If Virtue in men is more venerable, it is in women more lovely,« und reiht sich damit unter die vorgänger der Schiller und Humboldt ein, in denen die idealistische bestimmung des würdigmännlichen und anmutig - weiblichen charakters im 18. jahrhundert ihren höchsten punkt erreichen sollte.

Der schöne rahmen dieser vision wurde im deutschen Patrioten von einem schmucklosen ersetzt. Ein freund des herausgebers benutzt nämlich ein kräuterkissen, das ihn in

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