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Nun hatte ich in meinem früheren aufsatz (a. a. o. s. 231) schon darauf aufmerksam gemacht, dass ähnlich wie im Deutschen im wortauslaut sich früher diphthonge entwickelt haben als im inlaut.

Dementsprechend finden wir denn sogar in schottischen mundarten, die sonst u durchweg monophthongisch erhalten, regelmässig diphthonge [u] in wörtern wie cow, how, thou, now entwickelt (Ellis V 718, 723; vgl. V 712).

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Luick hat s. 90 betont, dass me. й und auf dem nordhumbrischen boden ein völlig verschiedenes verhalten zeigen: jenes ist (bis auf einige südliche striche) bewahrt, dieses ist überall diphthongiert. Das ist ein künstlich konstruierter gegensatz; oben zeigte ich bereits, dass die zweite hälfte der these unrichtig ist; nunmehr sehen wir auch, dass die erste hälfte auf einer ungenauen beobachtung des thatbestandes beruht.

In wirklichkeit zeigt sich in der abneigung gegen di phthonge im wortinlaut, in der vorliebe für diphthonge im wortauslaut sogar ein auffallender parallelismus in der nordenglischen entwicklung dieser beiden vokale. Da die auslautsdiphthonge also bis nach Schottland gedrungen bezw dort voll entwickelt sind, müssen wir in ihnen gleichsam eine ältere schicht erkennen.

Die

Im Spätmittelschottisch finden wir regelmässig now, cow etc. geschrieben gegenüber hous, toun, schroud u. s. w. (vgl. Curtis, Clariodus p. 161); dieselbe differenz muss also schon damals bestanden haben. Ähnliches gilt für das Mittelenglische, wie ich schon früher bemerkt habe (a. a. o. s. 230, 235). auslautdiphthonge sind also jedenfalls sehr früh, wahrscheinlich schon vor 1400, wenigstens im ersten stadium entwickelt gewesen. Auch Chaucer scheint sie schon zu kennen. Damit erledigt sich Luick's einwand gegen meine auffassung von mittelenglischen reimen, wie plow thow, ganz von selbst. Solche reime brauchen nicht monophthongisch, sie können sehr wohl diphthongisch aufgefasst werden; ja, sie sind nach ausweis der schreibung wahrscheinlich diphthongisch zu deuten.

Ich muss nun bei der besprechung der auslautsdiphthonge auf meine hypothese, die ursachen der diphthongierung betreffend (Archiv f. n. spr. CI 81 ff.), und auf Luick's einwände dagegen (Archiv f. n. spr. CIII 297 ff.) etwas näher eingehen,

da die frage des ursprungsgebiets damit zusammenhängt. Luick meint, dass die diphthongierung in isolierten einsilbigen wörtern wie I, thou entschieden gegen meine theorie spreche, welche die diphthongierung mit dem morenverlust (abfall oder schwächung des end-e) in verbindung bringt.

Ich hatte diesen einwand vorausgesehen, und auf die 'wirkung des systemzwanges' hingewiesen. Wir dürfen solche wörter nicht aus dem satzgefüge herausreissen, sondern wir müssen an die lebendige rede denken, in welcher geschriebene wörter und sprechtakte durchaus nicht immer gleichbedeutend sind. Auf wörter wie I, thou etc. folgten im satzgefüge sehr häufig wörter, die ursprünglich mit einem vollen präfix (ā-, be-, ge-) begannen, sehr häufig auch schwachbetonte wörtchen wie 'ne', 'have', 'am', 'had', 'wille.

Es sollte doch nun sprachforschern klar sein, dass in der entwicklung solcher ganz gewöhnlicher sprachtakte wie I saw aus I (y-)saugh, me. I ne saugh, I've seen aus I have seen, I 'gan aus I began, I'm ill aus I am ile ganz dieselbe bedingung des morenverlustes der folgesilbe obwaltet wie bei ursprünglich zweisilbigen wörtern. Und es ist andererseits leicht begreiflich, dass von solchen häufigen wörterbindungen aus circumflektierte, bezw. diphthongierte wortformen weiter übertragen und allgemein üblich werden konnten.

Mit den einsilbigen, auf einen vokal auslautenden wörtern hat es aber offenbar noch eine besondere bewandtnis, da hier, in manchen mundarten wenigstens, der diphthong besonders früh entwickelt zu sein scheint. Hier ist es allerdings gar nicht einmal nötig, einen ersatz für morenverlust anzunehmen, weil solche wörter in der emphase leicht zweitonig (zweisilbig) werden (vgl. z. b. die deutsche aussprache von wie?!, ja?, du!!, da?!, so?).

Endlich ist noch bei den einsilbigen, auf langen vokal ausgehenden wörtern an den vor vokalischem anlaut eintretenden hiatus zu denken, der ebenfalls circumflektierte betonung und diphthongierung veranlasste. Bekanntlich haben auch solche deutsche mundarten, die im allgemeinen keine diphthongierung kennen (Alemannisch, Schweizerisch), diese im hiatus und wortauslaut eintreten lassen. Diese wörter können also gegen meine theorie ebensowenig beweisen wie die ent

sprechenden deutschen wörter gegen die übereinstimmende theorie Wrede's für die entstehung der deutschen diphthonge1).

Von solchen einsilbigen wörtern müssen wir, da sie auf dem ganzen sprachgebiet (auch im norden!) diphthongiert sind, absehen, wenn wir nach der heimat der diphthonge fragen. Wenn nun unsere theorie über die gewöhnliche ursache der diphthongierung richtig ist, so können die diphthonge sich nur

1) Die übrigen argumente Luick's gegen meine theorie (Archiv f. n. spr. CIII 273) sind ebenso wenig stichhaltig. Bei wörtern wie idle, housel, die Luick für unvereinbar mit meiner Morenverlust-theorie hält, muss man natürlich zur erklärung von frühmittelenglischen dreisilbigen formen (idele, houselen etc.) ausgehen, die durch synkope des mittelvokals zweisilbig werden; wörter wie ivy, doughty, bounty, vital etc. kommen nicht in betracht, weil ihre aussprache offenbar nicht aus der volkssprache stammt (ivy wird z. b. noch jetzt in mehreren mundarten mit kurzem oder langem i ausgesprochen: Ellis, OEP V 88, 180, 186, 326, 343, 363, 442, 444), sondern durch die schriftsprachliche form beeinflusst ist.

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Einige der anderen von Luick gegen mich angeführten wörter sind ganz unzutreffend in either liegt nicht diphthongierung von ursprünglichem, sondern entweder erhaltung des mittelenglischen diphthongs oder ganz späte sekundäre diphthongierung vor; das wort ousel geht auf me. oosel, ae. ôsle zurück und wurde noch zu anfang des 19. jahrhunderts regelmässig mit u gesprochen (Walker); giant passt ebenso wenig, da es auf me. geaunt zurückzuführen ist. Mit solchen sekundär entwickelten diphthongen muss man offenbar noch vielfach rechnen (shire ae. scire, tire =ae. teorian, tiny, früher teeny [nach Skeat zu ‘tine' kufe gehörig?], Býron, früher Býron). Oft hat gewiss auch volksetymologische anlehnung oder analogie auf die vokalisierung eingewirkt tyrant dürfte z. b. frühzeitig mit me. tyren, ne. tire, zerfleischen, in verbindung gebracht worden sein (Mids. I 2, 35 'my chief humour is for a tyrant: I could play Ercles rarely, or a part to tear a cat in, to make all split); rival konnte durch arrival beeinflusst werden, bounty durch das von count abhängige county u. s. w.

Nachdem einmal mit den schreibungen i, y, ou, ow sich die aussprachevorstellung der üblichen diphthonge verbunden hatte, wurde sehr begreiflicherweise diese aussprache öfters durch analogie auf übereinstimmend geschriebene, minder übliche, mehr schriftsprachliche wörter übertragen. Übrigens könnte man ja auch bei wörtern wie tyrant, silence, bounty, doughty in der verkürzung oder schwächung des vokals der endsilbe einen morenverlust sehen, so dass auch von diesem gesichtspunkte aus meine theorie anwendbar wäre. Ich habe nie behauptet, dass morenverlust und silbenverlust gleichbedeutend und dass nur der silbenverlust eines wortes die vorbedingung zur diphthongierung wäre. Vorbedingung ist meiner ansicht nach nur das schwinden eines kurzen oder die starke verkürzung eines ursprünglich langen vokals der endsilbe. [Über either vgl. jetzt Hempl, Amer. Journ. of Philol. 21, 441. Hoops.]

in einer mundart entwickelt haben, in welcher das auslautende e im allgemeinen zur zeit schon geschwunden war.

Wie steht es in dieser beziehung mit dem westmittelländischen dialekt? Morsbach hat in seiner Mittelengl. gram. § 78 bei besprechung des 'auslautenden -e' leider zwischen dem östlichen und dem westlichen mittellande nicht unterschieden. Er sagt nur vom mittellande im allgemeinen: »Um 1200 ist das end-e noch im ganzen fest, um 1300 kann es in den meisten fällen fakultativ verstummen, und um die mitte des 15. jahrhunderts scheint es gänzlich verstummt zu sein.<< Im westmittelländischen dialekt dürfte indessen das auslautende e schon um 1400, vielleicht schon um 1350, verstummt sein; wenigstens zeigen reime und versbau einer westmittelländischen dichtung wie Ipomedon A. (ed. Kölbing), welche nach K. etwa in der mitte des 14. jahrhunderts gedichtet wurde (Einleitung s. CLXXIII), dass schon damals dem end-e in dieser mundart kaum noch irgendwelche lautliche geltung zukam.

Etwas länger dürfte sich das end-e in dem mehr südlichen dialekt des Piers Plowman (Shropshire) erhalten haben (vgl. Klapprott, Das end-e in W. Langland's buch von Peter dem pflüger, Gött. 1890); aber auch hier zeigt sich gegenüber der Londoner sprache Chaucer's schon (s. 44) ein weitergehender verfall der flexionsendungen: das end-e war in gesprochener prosa< schon damals (1377) »im verstummen begriffen«. Morsbach wird daher gewiss auch für diese mundart recht haben, wenn er sagt, dass im mittellande um die mitte des 15. jahrhunderts das e gänzlich verstummt sei. Aber auch in südlichen mundarten, insbesondere in der von Wiltshire (S. Editha), zeigt sich um 1400-1420 schon eine solche regellosigkeit in der schreibung des end-e, dass wir annehmen dürfen, dass damals die lautung höchstens noch fakultativ war. Im osten ging dieser process, wie noch nicht genügend betont worden ist, offenbar langsamer vor sich, - ein unterschied, der besonders zu tage tritt, wenn man die sprache Langland's mit der Chaucer's vergleicht.

Jedenfalls waren nicht nur in westmittelländischen, sondern auch in südwestlichen mundarten um 1400-1450 die vorbedingungen für den eintritt der diphthongierung nach meiner theorie vollauf gegeben.

Die anfänge der diphthongierung aber fallen, auch nach

Luick (Anglia XIV 285, Archiv f. n. spr. CIII 271) 'etwa in die erste hälfte des 15. jahrhunderts', also genau in dieselbe zeit.

Wie die apokope des end-e so wird sich auch die diphthongierung im laufe des 15. jahrhunderts weiter verbreitet haben, bis beide ergebnisse der lautentwicklung um 1500 etwa das gesamtgebiet der englischen sprache (mit ausnahme des nordens) beherrschten. Das chronologische verhältnis zwischen beiden erscheinungen spricht durchaus nicht gegen, sondern für meine theorie.

Nun sagt Luick weiter, die bewahrung des me. ū auf nordhumbrischem boden spreche gegen meine theorie von der ursache der diphthongierung. Die diphthongierung müsste auch auf diesem gebiet durchgeführt sein, weil hier das end-e ebenso wie sonst (ja sogar noch früher) abgefallen sei. Dagegen erwidere ich, dass nach meiner theorie zwar reduktion der endsilbe vorbedingung für die diphthongierung ist, aber diphthongierung durchaus nicht die unumgänglich notwendige folge der reduktion.

Diese unlogische folgerung wäre natürlich unzutreffend. Die reduktion der endsilbe bewirkt zunächst nur als ersatz circumflektierte betonung des stammvokals; ob daraus sich diphthongierung entwickelt, hängt von besonderen umständen ab.

Diese umstände waren gerade im westlichen mittellande besonders günstig, im äussersten norden und im äussersten süden, auch im äussersten osten weniger günstig; sie begünstigten in dem einen falle die diphthongierung von i, in Idem anderen die von й mehr..

Dass die diphthonge sich in mehreren englischen mundarten nicht vollständig parallel entwickeln, ist ein bemerkenswerter, aber leicht zu erklärender umstand. Es ist nur nötig, die diphthongierungen im zusammenhang der ganzen englischen vokalentwicklung ins auge zu fassen. Und hier hat Luick gewiss auf den richtigen weg der erklärung hingewiesen. Es lassen sich zwei vokalverschiebungen, beide vom a-vocale ausgehend, in der entwicklung der englischen sprache unterscheiden: die eine ursprünglich mehr im süden (genauer wohl südwesten, vgl. Morsbach, Mittelengl. gr. § 135 anm. 1) zu hause, nach der o-richtung; die andere ursprünglich mehr im norden (genauer wohl nordwesten) heimisch, nach der e-richtung hin. Die o-verschiebung begann erheblich früher (um 1200) als die

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