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dichtergaben zuweist. Trotz straussenmagen scheint ihnen aber anderes, wie viele der neuen erscheinungen des englischen romans bei Tauchnitz, unverdaulich. Schlechte romane könnten aber dem referenten willkommenen anlass bieten, um an ihnen die mängel der gattung darzulegen. Selbst das erschiene mir in diesem falle zu viel der ehre. Solchem balderdash gegenüber ist nur ein verfahren berechtigt: ihn totzuschweigen. Percy White darf mit den übrigen nicht in einen topf geworfen werden, weil er höheres angestrebt hat, und H. G. Wells mit seinen phantastischen short stories, den kürzlich ein überschwenglicher lobredner als nachfolger Jules Verne's ausgab, hat in seinen noch phantastischeren romanen wenigstens proben eines gediegneren könnens abgelegt.

Wer von Mrs. Alexander, der rastlosen greisin, einen roman gelesen hat, kennt auch ihre andern. Nirgends ein individueller charakter, nirgends ein eigener gedanke. Was sie schildert, ist nicht aus dem vollen menschenleben aufgegriffen, sondern aus der belletristik herausdestilliert. Es sind nur second hand-abdrücke der wirklichkeit. Sie bedarf einer aussergewöhnlichen begebenheit, um die sie das gefüge ihrer handlung schichtet. Nicht die personen als solche reizen sie, nicht die freude an dem menschlichen charakter als solchem giebt ihr die feder in die hand, sondern sie geht von einem ausgefallenen fall aus. Diesmal ist es eine feuersbrunst. Kann sich jemand ungestraft für tot ausgeben und dann unter anderm namen das leben weiterführen? Nein, die vergangenheit ist nicht tot; plötzlich taucht Jack Staunton auf, der schon Cara Leigh die totgeglaubte leidenschaftlich geliebt hat und Miss Fitzalan, die von ganz London umschwärmte schauspielerin, nicht minder liebt. Der arme Jack macht in seiner wilden eifersucht einen mordanschlag auf einen bevorzugten nebenbuhler und wird als wahnsinniger eingesperrt; Cara aber heiratet Herbert Trevelyan, den Rastaquouère. So rächt sich das leben. Die gouvernanten scheinen für Mrs. Alexander die dankbarsten geschöpfe zu sein; der Rastaquouère ist eine lieblingsfigur der zeitgenössischen novellistik. Wer schenkt uns seine biographie?

Frances Mary Peard, von der die Tauchnitz-sammlung bereits 14 romane aufgenommen hat, wusste kein anderes thema zu finden als das von dem einen mann und den beiden schwestern, eine komplizierte variante des typus: ein mann und zwei frauen. Der Strassburger student Wolfgang Goethe schwankte so zwischen Emilie und Lucinde, den beiden töchtern seines tanzmeisters;

von Schiller und Grillparzer zu schweigen; Hermann Sudermann hat auf diesem konflikt seine novelle Ein Wunsch aufgebaut; George Paston hat in A fair Deceiver den geschichtsprofessor Anthony Travers in dieses doppelfeuer gerückt; und viele andere haben sich gewiss den ergiebigen stoff nicht entschlüpfen lassen. Walter Wilbraham liebt die kluge Donna Teresa, die junge witwe des Marchese di Sant' Eustachio, und verlobt sich mit Sylvia Brodrick, ihrer nichtssagenden, viel sprechenden schwester. So ist das leben. Sylvia aber merkt, dass ihr nicht sein herz gehört, und entlobt sich. So gefällig ist das leben nicht immer. Kurz darauf wird sie von einem rachsüchtigen Italiener erschossen. Aber Donna Teresa verzeiht Mr. Wilbraham nur, und er verlässt sie zur selbigen stunde. Nach der eigenen note hab ich vergeblich in dieser geschichte ausgeschaut.

Offenbar war es Robert Hichens darum in seinem über alle maassen weitschweifigen roman The Slave zu thun. Zwei bände, zusammen 619 seiten, braucht dieser verfasser; ein anderer hätte auf 19 seiten dasselbe erledigen können. Wer ist die sklavin, die den titel skrupellos mit Ludwig Fulda's ibsenschwangerem schauspiel teilt? Eine brillantensklavin, Lady Caryll Knox, deren wohl und wehe an einem smaragden hängt, die wegen dieses steins » von unschätzbarem wert« den ausgetrockneten früheren juwelenhändler Sir Reuben Allabruth heiratet und nach seinem tode einen verwegenen abenteurer Vernon Demetrius Esq., der ihr den smaragd vorher zu nachtschlafender zeit gestohlen hat. Aubrey Herrick ist der unentwegte liebhaber, der zweimal leer ausgeht, weil er nur seine liebe und keine diamanten zu bieten vermag. Was soll uns diese dem kolportage-roman ebenbürtige fabel? Der smaragd wird zu einem lebewesen erhoben, mit symbolischer bedeutung ausgestattet. I, 245 f. heisst es: > Juwelen können, wie wir wissen, tausenderlei geben licht, farbe, glanz, vergnügen, qual, verzweiflung, neid, gier, eifersucht. Angenommen, ein weib liebt einen juwel, kann der juwel in seiner härte, in seiner glitzernden starrheit diese liebe gänzlich zurückstossen? . . Giesst das weib nicht einen teil seiner selbst in die tiefen des juwels, zieht sie nicht einen teil des juwels in sich selbst ein? Denn das gesetz der reciprocität beherrscht die welt und webt die taue, die das universum zusammenhalten.< Hier haben wir den kern des buchs blossgelegt; musste er in eine schale von 619 seiten gehüllt werden? Sonst ist viel die rede

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von einer für Wagner schwärmenden dame. Der englische Wagnerkult ist, aus den romanen zn schliessen, nur eine modesache. George Moore als einziger darf als ein adept des meisters gelten.

Ganz in der übersinnlichen welt bewegt sich H. G. Wells mit The Plattner Story and others. Die short story 17 sind in diesem band vereinigt bedarf heute, da sie so überwuchert, einer besonders bestimmten physiognomie, wenn sie sich einprägen soll. Ich finde H. G. Wells nüchtern und trocken, ohne den saftigen humor oder den eindringlichen stil, der solche kleinigkeiten würzen könnte. "In the modern Vein" z. b. bespöttelt er einen modischen poeten, der zu sanft ist, um mit seinem lieb auf- und davonzugehen; ebenso sanft, zaghaft und zahm ist die parodie selbst ausgefallen. Auch in diesem band wie in seinen zukunftsromanen macht er von der unmöglichen voraussetzung allzu reichen gebrauch. Angenommen, es gäbe wirklich einen erwachsenen, der noch nie das theater besucht hat, obwohl er nicht auf einem verödeten eiland, sondern in dem bühnenvollen London lebt und auch sonst alle bedingungen erfüllt, d. h. nicht gerade ein idiot ist und das nötige kleingeld besitzt: so ist es noch unmöglicher, dass dieser theatralische analphabet plötzlich zum kritiker einer angesehenen zeitung aufsteigt, und das unmöglichste von allem, dass das schauspielerpathos solche verheerungen bei ihm anrichtet. Wer mit solchen übertriebenheiten und verstiegenheiten schalten will, muss den mut zur rücksichtslosigkeit haben.

Den besitzt Percy White in vollstem masse, und er ist sich dessen wohl bewusst. Er prahlt mit seiner aufrichtigkeit, die zarte gemüter verletzt. »Angenommen, Livius hätte uns ein solches dokument seines lebens hinterlassen, wie viel mehr würde er uns belehrt haben als durch die historischen werke, deren überflüssige bekanntschaft ich in der schule und auf der universität machen musste! Keiner weiss, was ein Römer zu Cäsar's zeit wirklich dachte, weil keiner von ihnen je den mut hatte, die wahrheit zu sagen. Aber ich hab' ihn.« Man sieht nur nicht recht, wozu dieser mut nötig ist: denn am ende wird uns nur die geschichte einer unglücklichen ehe erzählt; einer ehe, die unglücklich werden musste, weil Percival Bailey-Martin ein hohler egoist, ein ekler streber ist und Lady Gertrude Barton, die einzige tochter des Earl of Marlington, nur deshalb heiratet, um durch den namen seiner frau in höhere sociale kreise und sogar ins parlament zu kommen. Die art und weise, wie sich der ruhmeslüsterne bourgeois

an die adlige dame herandrängt, ist mit einer grausamen offenheit dargestellt. Doch verrät sich auf schritt und tritt, dass der verfasser über den personen und der handlung steht. Er treibt eigentlich ein frivoles spiel mit dem leser. Seine absichtlichkeit verstimmt. Aber dem englischen publikum kann es nicht schaden, wenn es einmal »vom weichen flaumenbette des schlaffen indifferentismus aufgegeisselt wird.

Und so bleibt von diesen fünf büchern nur die beichte des Percy White übrig, die der »straussenmagen der litteratoren « verträgt. Berlin, 20. Oktober 1900. Max Meyerfeld.

SCHULGRAMMATIKEN UND LEHRBÜCHER.

First

A. Baumgartner, The International English Teacher.
Book of English for German, French, and Italian Schools.
Zürich, Orell Füssli, 1898. X u. 244 ss.

Dieses büchlein zerfällt in drei teile: I. "Lessons and Exercises” (s. 3—140), II. “Grammar” (s. 143—169) und III. “Alphabetical Vocabulary, with the German, French, and Italian translations" (s. 173-244). Der erste teil besteht aus 50 lektionen, deren jede einen einfachen englischen text, die daraus abzuleitende partie der grammatik, fragen zur beantwortung, sowie entwürfe zu grammatischen aufgaben bringt. Dem grundsatze folgend, dass beim unterricht nur die fremde sprache zu gebrauchen sei, sind alle bemerkungen des ersten teiles, sowie der ganze zweite teil englisch abgefasst; übersetzungen aus der muttersprache sind gänzlich verpönt. Ungenau ist die fassung folgender regel: "Abstract nouns, names of substances, and nouns in the plural do not take the article if they are used in a general sense" (s. 158). Statt 'nouns ist class-nouns (gattungsnamen) einzusetzen. Im alphabetischen wörterverzeichnis findet der lernende neben jedem englischen worte eine angabe der aussprache nach Webster, ferner die deutsche, französische und italienische bedeutung; in vielen fällen werden auch in klammern etymologische winke und autonyme angegeben.

Das buch verdient, auch ausserhalb der Schweiz, für welche es wohl in erster linie bestimmt ist, dem anfangsunterricht im Englischen zu grunde gelegt zu werden.

Wien, Juni 1899.

J. Ellinger.

O. Börner und O. Thiergen, Lehrbuch der englischen sprache. Mit besonderer berücksichtigung der übungen im mündlichen und schriftlichen freien gebrauch der sprache. Gekürzte ausgabe C. Bearbeitet von O. Schöpke. 108 ss. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. Preis M. 2,-.

O. Thiergen, Grammatik der englischen sprache im anschluss an das lehrbuch der englischen sprache. Gekürzte ausgabe C. Bearbeitet von O. Schöpke. 172 ss. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. Preis M. 1,80.

Die englischen unterrichtsbücher von Börner erfreuten sich bisher schon einer weiten verbreitung. Das werk verdankt diesen erfolg vor allem seiner vermittelnden methode, die in geeigneter weise die vorzüge der neuen und der alten methode zu vereinigen weiss. Die auswahl des lesestoffes ist eine äusserst glückliche; der schüler wird an der hand desselben rasch und angenehm in die englische sprache und in englische kulturverhältnisse eingeführt. Die grammatischen regeln sind knapp und klar gefasst; dieselben werden durchweg von sorgfältig ausgewählten mustersätzen abgeleitet. Wenn neben den von Börner und Thiergen besorgten ausgaben A und B noch eine ausgabe C notwendig geworden ist, so ist der grund darin zu suchen, dass von zahlreichen fachgenossen an anstalten, wo dem Englischen nur ein beschränktes mass von zeit zugewiesen ist, der wunsch nach einer kürzung geäussert wurde. Was den übungsstoff anbelangt, so hat ihn Schöpke nach umfang und schwierigkeit auf das mass beschränkt, welches auch von anstalten mit gekürztem englischem unterricht eingehalten werden muss, wenn bei gleichmässigem fortschritt ein gewisser abschluss erreicht werden soll. Aus der grammatik sind vergleichende hinweise auf das Lateinische, sprachgeschichtliches, abseits liegende ausnahmen, lediglich der sprache der poesie angehöriges u. dgl. ausgeschieden worden.

Der schwächste teil des ganzen werkes scheint mir die lautlehre zu sein. Die aussprachebezeichnung ist eine ganz ungenügende. Wenn die o in origin und other mit dem gleichen bögchen versehen sind, so erfährt der schüler dadurch wohl etwas über die quantität, nicht aber über die qualität dieser o-laute. Dass organ auf s. 31 des wörterverzeichnisses dasselbe bögchen hat, scheint nur ein druckfehler zu sein. Dasselbe ist wohl s. 33 bei purple und purpose der fall, die für das u dasselbe zeichen wie pump und punish aufweisen. Ganz unzulässig ist die erklärung:

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