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unbedenklich annehmen. Damals war es wohl ohne Zweifel der alte gewitternde Himmelsgott, an den man dachte und der sich auch in Griechenland und Rom in dieser Stellung behauptet hat, während bei Indern und Germanen die entsprechenden Gestalten des Parjanya und Fjörgynn allmählich ganz verblaßten und an deren Stelle die alten Gewitterriesen Indra und Thôrr, resp. DonarThunar, traten, auf die nun die alten Ehren übergingen.

SCHLUSSBETRACHTUNG.

AS Vorstehende ist schon vor einiger Zeit niedergeschrieben

Da

und in der Folge nur hier und da ergänzt und berichtigt worden. Es bleibt uns nun noch die Aufgabe übrig, nicht nur rückblickend den Kern der gewonnenen Ergebnisse uns zu vergegenwärtigen, sondern auch vorschauend ihre Weiterentwicklung unter neuen Gesichtspunkten anzudeuten. Denn darüber wollen wir uns und unsere Leser nicht täuschen: Hier handelt es sich nicht um die mehr oder minder vollkommene Darstellung von Resultaten einer im wesentlichen abgeklärten Forschung; sondern vielmehr um die Eroberung eines Neulandes, aus dem die verhüllenden Nebel nur Stoß um Stoß durch frischen Luftzug vertrieben werden können 1. Auf anderem Wege ist die hier angestrebte Kunde von der urzeitlichen Religion der Arier nicht zu erreichen.

DIE DREI GROSSEN LEBENSMÄCHTE.

Wir wollten den arischen Naturkult erforschen und gingen von der nahe liegenden Frage aus, welche Rolle in demselben wohl 1 Beiträge dazu habe ich zu bieten gesucht in meinen Büchern „Mysterium und Mimus im Rigveda", Leipzig 1908; „Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth", München 1911; „Reden und Aufsätze", Leipzig 1913, S. 348 ff. „Altarische Religion" und S. 407 ff.,,Der arische Naturkult als Grundlage der Sage vom heiligen Gral". Desgleichen in den akadem. Abhandlungen „Die Wurzeln der Sage vom heiligen Gral", Sitz.-Ber. der Kais. Akad. d. Wiss. in Wien 1911;,,Herakles und Indra", Denkschriften derselben Akademie 1914.

Eine

die Sonne und ihre Verehrung gespielt haben möchte. Fülle von Tatsachen drängte sich uns entgegen, die dafür zu zeugen schien, daß diese Rolle eine sehr bedeutende, eine beherrschende, zentrale war. Doch es zeigte sich im Laufe der Untersuchung immer deutlicher, daß die Verehrung der Sonne bei den Ariern sich gar nicht trennen ließ von der Verehrung anderer, großer, Leben wirkender Mächte in der Natur. So vor allem des Feuers, dessen Erzeugung dem Menschen schon auf primitivster Kulturstufe geglückt sein muß, da wir ihn nirgends ohne diesen Begleiter antreffen. Die Sonnenfeste der Arier ließen sich ebenso gut als Feuerfeste bezeichnen, so eng hing beides zusammen, so deutlich war ihnen offenbar schon in Urzeiten das Sonnenähnliche des Feuers, die Feuernatur der Sonne, die Wesensverwandtschaft des irdischen und des himmlischen Feuers aufgegangen.

Aber auch das Wasser und seine Verehrung zeigte sich mit denselben Festen so untrennbar verbunden, daß man sie ebenso gut auch als Wasserfeste bezeichnen konnte. Regenzauber trat neben den Sonnenzauber und Wasserbräuche neben die Feuerbräuche, und die Beteiligung des Gewittergottes an diesen Festen erschien nun nicht mehr auffallend.

Feuer und Wasser, Sonnenschein und Regen wirken vereint das Leben der Vegetation, die ihrerseits wiederum die Grundlage des animalischen Leben bildet. In unzähligen Bräuchen drängt sich die Vegetation so stark in jenen Festen hervor, daß man sie auch Vegetationsfeste zu nennen geneigt sein könnte, die gefeierten Mächte Vegetationsdämonen, Vegetationsgötter. Zur Entstehung und Fortpflanzung des tierischen und menschlichen Lebens gehört aber noch etwas anderes, eine ganz besondere, starke, geheimnisvolle Macht, die sich in dem geschlechtlichen Triebe, in der Liebe, in der Zeugung offenbart, zugleich dem Gipfelpunkte physischer Lust. Und dieselben Feste, von denen wir reden, werden weiter entscheidend charakterisiert durch eine ganze Reihe damit zusammenhängender Bräuche, der Generationsriten. Jene Feste, die wir zuerst als Sonnenfeste bezeichnen zu dürfen glaubten, haben sich damit vor unseren

Augen zu etwas viel Größerem ausgeweitet, zu Lebensfesten im weitesten Umfang. Um das Leben in weitestem Umfang zu wirken, werden auch alle jene vielen Bräuche geübt, die wir unter der Bezeichnung „Bewegungszauber" zusammengefaßt haben. Denn Leben ist Bewegung, das hat schon der primitive Mensch instinktiv begriffen.

das sind die drei großen

Feuer, Wasser und Zeugung Lebensmächte, die alles Leben hier auf Erden, in der Pflanzenwelt und in der Tierwelt, wirken. Feuer, Wasser und Zeugung bilden darum den Mittelpunkt und den wesentlichen Inhalt der alten arischen Lebensfeste und werden von der primitiven Philosophie unserer Vorfahren in mannigfacher Weise miteinander verwoben und mit den großen, den größten Naturerscheinungen in Zusammenhang gebracht. Wie das Feuer mit der Sonne, so brachte das primitive Denken unserer Vorfahren das Wasser mit dem Monde in geheimnisvollen Zusammenhang. Der Mond erschien ihnen als ein strahlendes, frei in der Luft schwebendes Gefäß, mit himmlischem Rauschtrank gefüllt, der ausgetrunken sich immer wieder auf wunderbare Weise von selbst erneuert und von dem letzten Endes auch das befruchtende Naß der Wolken herstammt. Und wie im Feuer ein Abbild der Sonne, so glaubte man im Meth, im Soma, im Rauschtrank der Feste ein irdisches Abbild des Mondes zu besitzen und wirkte Regenzauber mit ihm, wie Sonnenzauber mit dem festlichen Feuer. Wenn aber Sonne und Mond als ein Liebespaar sich vereinigten, wie der Mythus erzählte, wie die Lieder es sangen, dann fanden sich in solch himmlischer Hochzeit die drei großen Lebensmächte zusammen: Feuer, Wasser und Zeugung!

Im Gewitter aber, dem gewaltigsten Bewegungsvorgange der Natur, wird Feuer und Wasser zugleich geboren; das Feuer als Blitz, das Wasser als Regen. So kann es nicht wundernehmen, wenn der Gewittervorgang nicht nur als Kampf, sondern auch als ein himmlischer Zeugungsvorgang gefaßt wird und nun wiederum Zeugung, Feuer und Wasser in erhabener Dreieinheit

offenbart.

Das Feuer wird durch Quirlung gewonnen, Quirlung eines Holzes in dem anderen. Aber auch der Rauschtrank wird gequirlt, durch Quirlung zum festlichen Trunke bereitet. Manthanam nennen es die Inder. Hölzerne Scheiben, Räder, aus denen man das heilige Feuer quirlte, waren zugleich ein irdisches Abbild der Sonne wie auch des Mondes. Es wurde aber auch der Gewittervorgang als ein himmlisches Manthanam, ein himmlischer Quirlungsprozeß gedacht das lehren uns besonders deutlich die Inder und sein Ergebnis war, aller Augen sichtbar, himmlisches Blitzfeuer und himmlisches, die Erde befruchtendes Wasser. Quirlung und Zeugung, die irdische wie die himmlische, sind eines Wesens, sind eins und dasselbe. Diese Gedanken der Inder dürfen wir dreist für altarische Gedanken nehmen.

Der Gegenstand ist von zentraler Bedeutung für die altarische Religion, wir können ihn hier aber nicht weiter verfolgen, weil wir uns dabei bald in die Betrachtung der altarischen Mysterien vertiefen müßten, deren Behandlung wir uns für den dritten und letzten Band dieses Werkes vorbehalten haben 1.

Wohl aber ist hier der Ort, mit verehrungsvoller Dankbarkeit dessen zu gedenken, daß schon Adalbert Kuhn in seiner größten und wichtigsten Arbeit, der ,,Herabkunft des Feuers und Göttertrankes" 2, mit genialer Hand einen Griff in diesen Mittelpunkt des altarischen Naturkults hinein getan hat. Wohl hatte er bei seiner Untersuchung weniger den Kult als die Mythologie unserer Vorfahren im Auge; und er wurde dadurch zum Begründer der vergleichenden Mythologie. Aber es konnte nicht ausbleiben, daß dabei auch zugleich wichtige Schlaglichter auf den altarischen Naturkult fielen, deren Bedeutung uns erst jetzt recht zum Bewußtsein zu kommen anfängt. Denn Feuer und Göttertrank, himmlischer Rauschtrank spielen nicht nur im Mythus der arischen Völker eine hervorragend wichtige Rolle, sie sind

1 Einiges darüber s. in meinem Aufsatz ,,Der arische Naturkult als Grundlage der Sage vom heiligen Gral", Bayreuther Blätter 1911; Reden und Aufsätze, S. 407 ff.

2 Erschienen i. J. 1859; neu herausgegeben von Ernst Kuhn als Band I der,,Mythologischen Studien" von Adalbert Kuhn, Gütersloh 1886.

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