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und Wettreiten, Wettklettern, Wettschießen, Räder- und Scheibenwerfen, Kämpfen und Ringen. Es blieb alles in verhältnismäßig primitiver Entwicklung stecken, erhob sich nie in die Sphäre höherer Kultur, wurde, durch die Herrschaft einer neuen, fremden Religion und Ausrottung der alten, seines ursprünglichen Nährbodens beraubt, konnte sich daher nicht ruhig aufwärts entwickeln, behielt aber dennoch seine Beliebtheit, erhielt sich mit zähester Lebenskraft. Höhere Entwicklung in den gymnischen Spielen wie im Pferdesport brachte erst die neuere Zeit, aber von ganz anderen Ausgangspunkten, dank ganz anderer Anregungen. Eine ganz andere, dritte Linie der Entwicklung zeigt endlich Indien. Da erstarrt der alte Bewegungszauber in der sakralen Stilisierung des allmächtigen Opfers: das Tanzen, Schaukeln, Wettfahren, Wettziehen, Wettschießen, Klettern alles erstarrt und geht auf in der Heiligkeit des Opfers. Von der hohen Kunstvollendung der griechischen Spiele ist hier keine Rede. Fast ließe sich eher ein Abfallen und Niedergehen behaupten. Die Wagenrennen, welche Griechenland als die höchste Blüte seiner Nationalspiele schätzt, sind zur Zeit des Rigveda in Indien lebendig, um dann später nicht nur mehr und mehr an Interesse und Bedeutung einzubüßen, sondern geradezu ganz auszusterben. Indien hatte andere Ideale, und auch das Volk scheint nur mit mäßigem Eifer und wenig Verständnis die Reste des alten Bewegungszaubers gepflegt zu haben, von Priestern und priesterlich geleiteten Adligen garnicht zu reden. Hier werden die alten Bewegungsspiele weder von der hohen Kunst und bewußten Wertschätzung der Griechen und Römer, noch von der naiven Freudigkeit ihrer nördlichen Verwandten getragen. So siechen sie dahin und sterben aus, einzelne Stücke finden wir versteinert in der starren Masse des Opferritus eingebettet, leblos, erstarrt. Doch genügen diese Fundstücke, um die Verwandtschaft mit den europäisch-arischen Spielen und Bräuchen unzweifelhaft deutlich zu machen. Wie verschieden auch die Endpunkte der Entwicklung sind, wir erkennen rückschauend im fernen Hintergrunde der Zeiten den urarischen Bewegungszauber, - erst wohl rein magisch, dann magisch-kultlich geübt, mit mancherlei Symbolik sich verbindend, die Lebensmächte

nur

in Sonne und Regen, in Vegetation und Tierleben stärkend und fördernd, weiter den persönlich gedachten Göttern und Geistern dieser Erscheinungen und Naturgebiete zu Ehren geübt, feindliche, böse, gefährliche Mächte, Dämonen und Hexen, abwehrend und schreckend.

Auch die Neuzeit hat ihren Bewegungszauber, wenn auch in anderem Sinne als ehemals: Rennsport, Lawn Tennis, Fußball und Polo, Turnen und Fechten, Radfahren und Automobilrennen. Das Schaukeln ist zum Kinderspiel geworden, ergötzt nur noch im Wurstelprater Kinder, Dienstmädchen und Soldaten. Der Tanz hat sich in den Ballsaal erhoben. Mit dem Kultus ist fast nichts von alledem noch verbunden, er hat längst das Bündnis mit

anderen Künsten, Musik und Gesang, Malerei, Skulptur und Architektur geschlossen und auch das beginnt schon zu ver

alten, leider!

zeigt

Rheine

mus.

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Wo Tanzen und Springen im Kult sich noch

bei Skopzen, Methodisten, oder auch in Echternach am da empfindet man das als vorsündflutlichen AnachronisAber jetzt wird fast mit dem Bewegungssport selber ein Kultus getrieben. Derby und Automobil wird in den obersten Klassen der Gesellschaft höher fast gewertet als Wissenschaft und Kunst. Und auch das hat seine Berechtigung. Denn glauben wir auch nicht mehr daran, daß der Bewegungssport Sonne und Pflanzenwachstum beeinflußt, so wissen wir um so gewisser, daß er die Lebenskräfte der Menschheit erhält und erhöht, fördert und steigert. Die Begeisterung aber, mit welcher noch heute ein neuer Bewegungssport die Menschheit zu erfassen und zu erfüllen imstande ist heute, wo es so viel anderes, Höheres, Geistiges gibt, läßt uns ahnen, mit welchem naivem Enthusiasmus der urzeitliche Mensch seinen Bewegungssport übte, läßt uns wenigstens annähernd die psychologische Grundlage verstehen, aus welcher jenes merkwürdige ethnologische Phänomen, der Bewegungszauber, erwachsen ist.

OPFER BEI DEN SONNEN- UND LEBENSFESTEN.

W

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IR haben es bisher vermieden, eine Frage aufzuwerfen, welche man nach einer älteren Anschauung von Religion und Kult wohl gleich im Anfange der Betrachtung aufgeworfen hätte, die Frage, ob denn nicht bei den Sonnenfesten der alten Arier dem leuchtenden Tagesgestirne auch Opfer dargebracht worden sein möchten, nicht minder vielleicht den anderen Lebensmächten, welche bei diesen Lebensfesten mit beteiligt waren. Wir haben dies absichtlich getan, weil wir jene magisch-kultlichen Begehungen wie Tanzen, Schaukeln und anderen Bewegungszauber, desgleichen die nachahmenden Riten für älter halten als das Opfer. Darum soll aber das Alter und die Bedeutung des letzteren nicht gering geschätzt werden. Es findet sich auf der ganzen Erde schon bei den primitiven Völkern in irgendwelchen Formen vor, und wir dürfen darum wie auch aus anderen Gründen, die die Vergleichung an die Hand gibt mit Sicherheit annehmen, daß schon die arische Urzeit das Opfer kannte. Alle arischen Völker bringen Opfer dar, schon in der ältesten Zeit, in der sie uns entgegentreten. Sie haben es sicher schon aus der Urzeit mitgebracht. Es fragt sich nur, welche Form, welchen Charakter die Opfer der Urzeit gehabt haben dürften. Diese Frage ist gegenwärtig schon von verschiedenen Seiten gefördert worden. Wir werden ihr, wenn wir von den mutmaßlichen Opfern bei den Sonnen- und Lebensfesten der alten Arier reden wollen, ebenfalls nicht ausweichen können.

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Für das Opfer bei den Indern, wie auch bei Griechen und

Römern ist das Opferfeuer charakteristisch. Die Opfergaben werden in das Feuer geworfen, um durch dessen Vermittlung zu den Göttern hinaufgetragen zu werden. Es ist wahrscheinlich, daß dieser charakteristische Zug dem altarischen Opfer noch abging und daß Oldenberg und Schrader Recht haben, wenn sie annehmen, daß wir in dem eigentlichen Opferfeuer jener Völker,,die Neuerung einer fortgeschrittenen sakrifikalen Technik" 1 zu erkennen haben. Das altpersische Opfer, wie es uns Herodot I, 182 schildert, entbehrte des Opferfeuers. Das darzubringende Fleisch wird von dem Opfernden, nachdem er es zerlegt und gekocht, auf einer Streu von zartem Gras oder Klee den Göttern hingelegt. Ein Magier steht dabei und singt die Theogonie, eine Art Beschwörung der Götter, durch die sie zum Opfer geladen werden. Nach einiger Zeit nimmt dann der Opfernde das Fleisch wieder an sich und verwendet es nach Belieben. Ähnlich scheint das skythische Opfer sich abgespielt zu haben. Auch das Opfer der alten Germanen fand ohne eigentliches Opferfeuer statt. Das Blut des Opfertieres wurde in einem Kessel aufgefangen und mit demselben besprengte man Götterbilder und Tempelwände. Das Fleisch des Tieres wurde sodann gekocht und gemeinsam verzehrt 3. Tacitus wiederum berichtet uns von der germanischen Sitte, die Leiber oder wenigstens die Häupter der geopferten Tiere an Bäumen aufzuhängen (Ann. 1, 61), und damit verwandt ist die Sitte der heidnischen Russen, welche der Araber Ibn Dustah bezeugt, dem Opfertier eine Schlinge um den Hals zu legen und es so an einem Baume aufzuhängen, bis es aufhört zu atmen 1.

Wenn wir danach wohl auch annehmen dürfen, daß dem Opfer der arischen Urzeit das Opferfeuer noch nicht charakteristisch war, so folgt daraus noch nicht, daß ein Werfen von Opfergaben ins Feuer damals ganz unbekannt gewesen sei und

1 Vgl. Oldenberg, Religion des Veda, S. 343 ff.; Schrader, Reallexikon des indog. Alt., S. 600.

Ebenfalls nach Herodot (IV, 60); s. Schrader a. a. O., S. 600.

3 Vgl. Mogk, Germanische Mythologie, S. 165.

Vgl. Schrader, Reallexikon.

unter keinen Umständen stattfand. Nicht nur ist es wahrscheinlich, daß man schon damals, wie auch später, wie hier und da sogar noch in der Gegenwart geschieht 1, das Feuer selbst. ,,fütterte", indem man ihm gewisse Spenden zu verzehren gab,

gerade die verschiedenen Bräuche der Sonnenfeste lassen uns vermuten, daß man seit alters gewohnt war, bestimmte Teile der Opfertiere, ja wohl auch ganze Opfertiere, in das bei dieser Gelegenheit flammende Feuer zu werfen. Es war dies ja auch kein Opferfeuer im späteren sakrifikalen Sinne, dazu bestimmt, die Opfergaben den Göttern hinaufzutragen, sondern vielmehr ein Feuer, das symbolisch die Sonne repräsentierte und in dem also gewissermaßen die Sonne selbst das Opfer empfing. es konnte ihr auch in anderer Weise angeboten und dargeboten werden. Wenn die polakischen Mädchen in Ober-Schlesien, wie wir schon gesehen haben, zu Johannis in der Morgenfrühe bestimmte runde Kuchen im Freien auf ein reines Tuch legen und sie umtanzend rufen: „Tanze, Sonne, tanze! Das sind deine Sönnchen!" dann springt es in die Augen, daß die „,Sönnchen" genannten Kuchen, welche symbolisch die Sonne darstellen, dieser als Gabe, als Opfer dargebracht und geweiht werden. Dem widerspricht es in keiner Weise, daß die Mädchen die Kuchen nachher wieder an sich nehmen und unter ihren Angehörigen verteilen. Ganz dasselbe tut ja der opfernde Iranier mit dem feierlich unter Beistand eines Magiers den Göttern geopferten Fleische. Hier wie da waltet offenbar die Vorstellung, daß das bloße feierliche Anbieten der Opfergabe schon genüge, daß die Gottheit damit ihren Anteil erhalten habe und sich denselben schon in irgendwelcher Weise anzueignen wisse, ob auch den Augen der Menschen nicht sichtbar. Beim persischen Opfer mag dabei an den Duft oder Dampf des gekochten Fleisches gedacht sein, beim polakischen Sonnenopfer berühren die Strahlen der aufgehenden Sonne die dargebrachten Kuchen. Daß irgendein nicht sichtbarer, quasi ätherischer Teil der Opfergabe von den verehrten geistigen Wesen genossen werde, ist eine auch

1 Vgl. unten in dem Kap. ,,Das Feuer".

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