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logien, wie die zwischen Bregovine, Freávine und gotes friunt (s. 1203), lasse ich mir nicht gern vorbeigehn.

Meinem anfänglichen vorsatz treu habe ich die nordische mythologie auch diesmal nur zum einschlag, nicht zum zettel genommen. sie liegt uns nah wie die nordische sprache, deren länger ungestört gebliebne aufrechthaltung reichen blick in die natur der deutschen gestattet, ohne dafs beide vollständig in einander aufgiengen, oder dafs einzelne tugenden der deutschen sprache und die beiden zusammen überlegne kraft der gothischen könnten geleugnet werden. auch die nordischen götterverhältnisse dürfen die deutschen vielfach läutern und vervollständigen, aber nicht alleinige richtschnur für sie geben, da sich, wie in der sprache, einzelne abweichungen des deutschen von dem nordischen typus ergeben, die jedem derselben bald zum vorzug bald zum nachtheil gereichen. hätte ich den vollen nordischen reichthum der untersuchung zum grund gelegt, so würde von ihm die deutsche besonderheit gefährlich überwuchert worden sein, die vielmehr aus sich selbst entfaltet werden soll und zwar jenem oft zusagt, in vielem. aber auch gegenüber steht. Die lage der dinge scheint also die zu sein, dass bei fortschreitendem betrieb wir der nordischen grenze entgegen rücken und endlich der punct erscheinen wird, auf dem der wall zu durchstechen ist und beide mythologien zusammenrinnen können in ein grösseres ganzes. sind gegenwärtig schon mehr anknüpfungen statthaft geworden, so haben sich auch bedeutendere verschiedenheiten erwiesen. den nordischen alterthumsforschern, hoffe ich, wird mein. verfahren gerade willkommen sein: wie wir ihnen für empfangnes gern wieder geben, sollen sie nicht allein geben sondern auch empfangen. denkmäler sind ärmlicher aber älter, die ihrigen jünger und reiner; zweierlei festzuhalten, daran war es hier gelegen: dafs die nordische mythologie echt sei, folglich auch die deutsche, und dafs die deutsche alt sei, folglich auch die nordische.

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unsere

Auf uns ist keine edda gebracht worden und kein einziger schriftsteller unsrer vorzeit hat es versucht die überreste des heidnischen glaubens zu sammeln. Wer unter den Christen auch noch deutsche milch gesogen hatte, wurde in römischer schule bald den erinnerungen des vaterlandes abgewandt und trachtete die letzten eindrücke des verhafsten heidenthums zu tilgen statt zu bewahren. Jornandes und Paulus Diaconus, denen gewis noch viel heidnische sagen zugänglich waren, machten eingeschränkten

gebrauch von den mythischen. andere geistliche berichten nur auf besondern anlass hin und wieder einzelnes, das für uns von hohem werth ist, Jonas (s. 49. 98), Beda (s. 266), Alcuin (s. 210), Widukind (s. 327), Adam von Bremen (s. 211). Wie ich schon s. 8 sage, zu sanct Gallen, Fulda, Merseburg, Corvei hätte ein mönch auf den fruchtbaren gedanken verfallen können, vaterländische alterthümer zu verzeichnen, was damals noch in der zäheren fufsspur haftete aufzunehmen und für den vordergrund unsrer geschichte, da wo sich diese eben aus der sage zu lösen beginnt, ein bleibendes werk, wie es Saxo grammaticus vollbrachte, zu schaffen. war auch vom siebenten bis zum eilften jahrhundert die deutsche überlieferung blässer und stumpfer als die dänische im zwölften, hatte im fernen Norden die entfremdung von der einheimischen sage langsamer zugenommen; so thun uns doch Waltharius und Rudlieb oder der reim vom eber bei Notker dar, dafs selbst in den klöstern noch manches von den alten liedern unverklungen war. es ist wahrscheinlich, dafs eine zeitlang noch abschreiber ihre hand an die von Carl dem grofsen veranstaltete sammlung setzten, deren untergang für uns unberechenbarer verlust geworden ist, aus der sich eine fülle von stof und darstellung des entlegensten alterthums hätte gewinnen lassen. Den mittelhochdeutschen dichtern war dieses schon beträchtlich entrückt und alles was sie unbewust noch aus ihm hernehmen konnten muste zufällig in überlieferten formen der dichtkunst oder der lebendigen ausdrucksweise des volks hängen geblieben sein. das werk, dem sich am unverfänglichsten heidnische namen und gestalten hätten anfügen können, Albrechts von Halberstadt übertragung der metamorphosen ist uns in seiner echten fassung gerade verloren; wenn Rudolf im Barlaam von christlichem gesichtspunct aus die griechischen götter in Chrothildes weise (s. 96) widerlegt, so hält er sich zu dicht an seinen text, als dafs ihm einheimische züge beigefallen wären: neigung ins eigne alterthum wie in das fremde zurück zu blicken, ist dieser ganz in ihre gegenwart versunknen zeit überhaupt nicht eigen. Erst um das vierzehnte, fünfzehnte jahrhundert werden einzelne schriftsteller aufgelegter dazu. Gobelinus Persona gewährt schon einiges (s. 232); gäbe uns doch Böhmer bald eine ausgabe der Magdeburger schöppenchronik und des chronicon picturatum, deren beider wir benöthigt sind. Bothos angaben, so uncritisch sie seien, fordern rücksicht, weil damals immer noch nachrichten in gang sein konnten, die nachher verschollen.

eine seltsame enthält des Joh. Craemer chronica sancti Petri in monte crucis ad a. 1468: Matthaeus Huntler in cella sancti Martini ad Werram vidit librum Johannis Vanderi ord. s. Benedicti monachi in Reynertsborn de omnibus gentilium deastris in provincia nostra, quem magna conscripsit, et quemlibet deastrum in habitu suo eleganter depinxit cum multis antiquitatibus, in quibus bene versatus esse dicitur. aus ihm vorliegenden götzenbildern schöpfte Botho seine schilderungen, und zu Reinhartsbrunn in Thü→ ringen könnte vorräthig gewesen sein ähnliches oder dasselbe was nach Braunschweig gelangte; wäre nur nicht Paullini, dessen syntagma s. 315 die stelle in jener chronik liefert, selbst verdächtig. gleiche unsicherheit schwebt über Joh. Berger (s. 85), über einem von Letzner beigebrachten Conradus Fontanus (s. 172) oder dem Friesen Cappidus, dessen arbeit Hamconius benutzt haben will (s. 1221). Wer Bertholds von Regensburg noch dem schlufs des dreizehnten jh. zufallende werke vollständig durchlesen wollte, würde vielleicht da, wo der prediger auf zauberei und unholden zu reden kommt, beiläufige nachrichten von dem aberglauben seiner zeit antreffen, wie auch die späteren predigten des Johannes Herolt (s. 885), Johannes Nider († um 1440) und des Geiler von Kaisersberg einzelnes darbieten. selbst den geschichtschreibern im 16. 17 jh., die viel alte archive durchstöberten, wie Aventin, Spangenberg, Letzner müssen brauchbare angaben mancher art vor augen gewesen sein, aus deren spreu die körner hervorzulangen uns freilich leichter als ihnen werden würde.

Genug also ist unserer mythologie unwiderbringlich entzogen; ich wende mich zu den quellen, die ihr verbleiben, und die theils geschriebene denkmäler sind, theils der nie stillstehende flufs lebendiger sitte und sage. jene können hoch hinauf reichen, zeigen sich aber bröckelhaft und abgerissen, während noch die heutige volkslieferung an faden hängt, wodurch sie zuletzt unmittelbar mit dem alterthum verknüpft wird.

Von den unschätzbaren nachrichten der Römer, die auf den besiegten, unüberwundnen feind der geschichte ersten strahl fallen liefsen, ist im vierten und sechsten cap. geredet. noch lange nicht wird die auslegung dieser stellen erschöpft sein. Wenn unter göttern und helden nur Tuisco, Mannus und Alx deutsch genannt, die übrigen in römischer interpretation mitgetheilt werden, haben da gegen die frauennamen Nerthus, Veleda, Tanfana, Huldana (f. Hludana), Aliruna sich ursprünglich erhalten, ebenso

von völker und ortsbenennungen, die auf götter zurückleiten, Ingaevones, Iscaevones, Herminones, Asciburgium. Auch lateinschreibenden christlichen verfassern sind die römischen namen gerecht, obwol bei bestimmtem anlafs Wodan, Donar, Frea, Sahsnot nicht gemieden werden können. Die feinheit der sprache der Gothen, das gerüst ihrer heldensage lassen breiteste entfaltung ihres eben erst dem christenthum gewichnen glaubens ahnen, in so gänzliches dunkel er uns versunken ist: ausdrücken wie fráuja, halja, sibja, unhulþô, skôhsl, anz, fairguni, sáuil (neben sunna), vaíhts, alhs, gudja, hunsl, midjungards, aúhns, apn, blôtan, inveitan müssen heidnische vorstellungen zum grunde liegen und diese würden noch weit reicher an den tag kommen, wären uns stücke aus der gothischen verdeutschung des AT. zugelangt. Nach verlauf einiger jahrhunderte sehen wir die übrigen mundarten, mit der gothischen zusammen gehalten, mehr oder minder verwildert, und da seit bekehrung der meisten stämme nun schon geraume zeit verstrichen war, mufs auch in sprache und dichtung das heidenthum weiter zurückgetreten sein. gleichwol lassen das bruchstück von Muspilli, die abrenuntiation, die Merseburger und einige andere lieder den blick noch unerwartet rückwärts schweifen; in den glossen sind einzelne ausdrücke, und eigennamen der menschen, örter, kräuter weisen auf andere spuren; aus dem nebel treten nicht allein götter und helden wie Wuotan, Donar, Zio, Phol, Paltar, Frôho, Sintarfizilo, Orentil, göttinnen und weise frauen, wie Frouwa, Folla, Sindgund, Wurt, sondern auch eine menge andrer wörter itis, wiht, urlac, sigil, zunkal u. s. w. sind unausgerottet. Es versteht sich von selbst, dafs unter den länger heidnischen Sachsen, vorzüglich den Angelsachsen, deren sprache durch die poesie besser in wärme gehalten blieb, solche überreste sich verdreifachen, denn aufser Vôden, Thunor, Freá, Bealdor, Helle, Eástre, Hrede und dem reichen namengehalt der genealogien treten auch Forneot, Vôma, Geofon, Gersuma, Vuscfréa, Bregovine, Earendel, ides, vyrd, välcyrge, þyrs, eoten, neorxenavong, häledhelm, Brosingamene und andere mehr hinzu. Was die mittelhochdeutsche dichtung gegen die ältere verlieren mufs, wird ihr durch gröfseren reichthum ersetzt, sie hat uns neben heldennamen wie Nibelunc, Schiltune, Schilbunc, Albertch, Wielant, Horant, die unmittelbar der mythologie anheim fallen, die wörter tarnkappe, albleich, heilwâc, turse, windesbrût und dergleichen mehr aufgehoben und läfst in ihren gangbaren ausdrucksweisen

von der sunnen haz, von des arn winde, von des tiuvels muoter noch alte fabeln anklingen. auf das lebendigste, in unermüdlichem farbenwechsel, schildern uns die minnelieder den einzug des mais und sommers; das sehnsüchtige herz bedurfte des alten gottes in solcher wandlung. Aus tiefer wurzel entspringen die personificationen der Sælde und Aventiure, wie bedeutsam werden allein die namen Wunsch und vâlant, die nicht einmal bei allen dichtern, geschweige schon im ahd. angetroffen werden. Man kann doch nichts anders annehmen, als dafs diese wörter, obschon ihr bezug auf Wuotan und Phol lange zeiten hindurch verdunkelt war, ununterbrochen und unmittelbar aus dem heidenthum hergetragen wurden. sie sind ein beweis der möglichkeit von überlieferungen, die nur an gewissen plätzen haften und so noch zu einzelnen dichtern gelangen; für orte und zeiten ganz verstummt, schlagen sie anderswo plötzlich wieder an, jeder landstrich, jede mundart wird an ihnen arm oder ärmer sein; nur einiger erzmythischen ausdrücke wie frau, hölle, wicht hat sich unsere sprache bis auf den heutigen tag nicht entschlagen und bedarf ihrer unablässig.

Haben diese zahlreichen schriftlichen denkmale gleichsam einzelne knochen und gelenke der alten mythologie übrig gelassen, so rührt uns noch ihr eigner athemzug an aus einer menge von sagen und gebräuchen, die lange zeiten hindurch vom vater dem sohn erzählt wurden. mit welcher treue sie sich fortpflanzen, wie genau sie wesentliche züge der fabel erfassen und auf die nachwelt tragen, ist erst eingesehn worden seit man ihres grofsen werths eingedenk geworden, sie in einfache und reichliche sammlungen nieder zu legen begonnen hat. Zu der schriftlichen aufzeichnung verhält sich die mündliche sage wie zur dichtkunst das volkslied oder zu den geschriebenen rechten von den schöffen erzähltes weisthum.

Die volkssage will aber mit keuscher hand gelesen und gebrochen sein. wer sie hart angreift, dem wird sie die blätter krümmen und ihren eigensten duft vorenthalten. in ihr steckt ein solcher fund reicher entfaltung und blüte, dafs er auch unvollständig mitgetheilt in seinem natürlichen schmuck genugthut, aber durch fremden zusatz gestört und beeinträchtigt wäre. wer diesen wagen wollte, müste, um keine blöfse zu geben, in die unschuld der ganzen volkspoesie eingeweiht sein, wie der ein wort zu ersinnen ausgienge, in alle sprachgeheimnisse. aus elben elfen machen heifst unserer sprache gewalt thun; an farbe und gehalt

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