Page images
PDF
EPUB

reiche gottheit, im gegensatz zu den zwei vorhergenannten und zu Wuotans einer seite: denn als Wunsch scheint auch Wuotan lieblich und schöpferisch wie Froho.

Über den uns kaum erst genannten Phol habe ich so manche vermutungen gewagt, dafs ich sie hier nicht noch vermehren will. ist er, wie es zumeist erscheint, mit Paltar gleichbedeutig, so mufs er als gott des lichts, aber auch des feuers und wiederum des sturmes gelten; anders aufgefafst hauste er an brunnen und quellen. er nähert sich den höheren elementarischen wesen, um so leichter war es ihn in ein teuflisches zu verdrehen. Gleich verschollen in Deutschland ist der name des nordischen Loki, der das feuer von andrer seite vorstellt und sich noch mehr auf den teufel anwenden liefs. Die sagen von seiner schlauheit, von seinen künsten haben sich unter allen stämmen oft wiedergeboren.

Ich wende mich zu den göttinnen. eine göttermutter, die Nerthus, ist uns von Tacitus genannt, ihr name entspricht aufs haar dem eines nordischen gottes, der sie bestätigt, wie Freyr die Freyja bestätigen würde, wäre sie nur als hochdeutsche Frouwa überliefert, und mit dem nemlichen fug gilt ein schlufs vom goth. fráuja auf fráujô. Längst mag die benennung Nerthus ausgestorben sein, wenn sie überhaupt allgemein auf alle volksstämme erstreckt werden darf; eine ganze reihe anderer ihr beinahe gleicher wesen dauert in blühender sage fort: Holde, Berhte, Fricke, Harke, Gaue, Stempe, Trempe. dem ersten blick scheinen alle diese namen nicht hoch hinauf zu reichen, doch wird Berhte wenigstens in gedichten des 14. 15 jh. angeführt, und noch andres ansehn gewinnt es, sobald man sie zur kerlingischen Berhta, zur eddischen Biört (s. 1101), zur eingewurzelten vorstellung von der weifsen frau halten darf. von frau Holda ist die volkssage gar nicht einmal vor dem 17 jh. aufgezeichnet; war Holda im Venusberg, der bereits dem 14ten gehört, so wächst schon ihre bedeutung, wäre vollends Huldana in der steinschrift rechtfertig (s. 1211), so wird der gothische Hulpôcultus (s. 942) geringes bedenken haben. Da nun Berhta und Holda adjectivische namen sind, forderte ich gern auch für Nerthus ein adj. naírpus, mit dem sinn von mild, hold, schön. Auch Frigg (s. 279) verstehe ich aus dem adjectivischen frei, schön, hold. Wurde Gaue, Gauden aus dem männlichen Woden entstellt, so konnte der gedanke an gut möglicher weise hinzutreten. Frouwa ist sichtbar das fem. zu Froho und dauert im heutigen frau mit voller kraft.

Fast alle benennungen weiblicher gottheiten sind noch durchsichtig, sie haben gegen die der männlichen gehalten etwas unschuldiges, unverletzbares und scheinen auch darum geschont oder geduldet zu werden. die zartheit und der unverfängliche gehalt des mythus hat ihn in der volkssage desto länger geschützt.

Die alte Hellia wurde aus dem persönlichen in den räumlichen begrif der hölle übertragen. Ostara wenigstens im namen des hehren festes, Hreda, falls ich triftig muthmasse, im namen der fräulichen gerada, wie Zio im namen des schwerts bewahrt. Folla und Singund sind erst durch die neusten entdeckungen zu tage gefördert.

Diese zahl von gottheiten ist bedeutend genug, um an ihnen das gesamte gerüste der übrigen mythologie aufzuschlagen; wo solche pfeiler stehn, darf auch nebenwerk und zierrat in überflufs angenommen werden. An und für sich betrachtet erscheinen fast alle einzelnen gottheiten ausflüsse und zerspaltungen einer einzigen: die götter als himmel, die göttinnen als erde, jene als väter, diese als mütter, jene schaffend, waltend, lenkend, sieg und seligkeit, luft, feuer, wasser beherschend, die göttinnen nährend, spinnend, ackerbauend, schön, geschmückt, liebend.

Wie die gesammten laute der sprache auf eine kleine zahl zurückgehn, aus deren einfachheit sich alle übrigen ergeben, die vocale mittelst ablaut, brechung und diphthongierung, die stummen consonanten durch zerlegen jeder drei reihen in drei stufen, einzelne sprachen aber diese stufen in fester ordnung fortschieben; so führe ich auch in der mythologie die vielfachen göttlichen erscheinungen auf ihre einheit hin, lasse aus der einheit die manigfaltigkeit entspringen, und es schlägt kaum fehl, auch für die gottheiten und helden solche einigung, mischung und verschiebung, ihrem character und einzelnen eigenschaften nach anzunehmen. Auf welche weise Wuotan, Donar, Zio theilweise in einander aufgehn wurde gesagt, aus Logi wird Loki, aus G wird K, und der begrif der lohe wandelt sich in den des riegels, wie Hamar und Heru in das geräth übergiengen. wir sahen Wuotan in den langbärtigen Carl, den rothbärtigen Friedrich vorgeschoben. die nord. heldensage im vergleich zur deutschen liefert bemerkenswerthe beispiele des verschiebens der namen und gestalten. drun nimmt in der edda den platz der deutschen Krîmhilt ein, und Grimhildr heifst ihre mutter; in der Vilk. saga ist Mimir der schmied, Reginn der drache, in Völs. saga Reginn der schmied, Fåfnir der drache. geschähe der wech

Gu

sel unordentlich, so würde er nichts auf sich haben, er scheint aber nach bestimmter stufe und ohne sprung zu erfolgen.

Unter allen stämmen des deutschen volks geben sich zahllose abweichungen der mundart kund, denen gleiches recht gebührt; ebenso sind in dem volksglauben manigfalte unterschiede anzunehmen: es hält nur schwer das räumliche verhalten mit dem zeitlichen allenthalben zu vereinbaren. Wollte man aus der gröfseren zahl der zeugnisse für Wuotan in Niederdeutschland folgern, dieser gott sei bei den Sachsen höher geachtet gewesen als bei den Alemannen oder Baiern; so rührt doch jenes übergewicht hauptsächlich her von der längeren dauer des heidenthums im nördlichen theil: auch der südliche würde in den ersten jahrhunderten nach der bekehrung den gott reichlicher bezeugt haben. jetzt hat in Oberdeutschland kaum ein einziger mit Wuotan zusammengesetzter ortsname sich behauptet (s. 144), den Wuotanstag vertritt mittwoche, und das wütende heer wird dort lebendiger erzählt. Wichtig wäre es dahinter zu kommen, wo und ob unter Gothen die benennung Fairguneis der von Thunrs vorgewogen habe? ein schlufs aus der nachbarschaft des litthauischen Perkunas, des slavischen Perun hat sein wagnis, obgleich gerade diesen fremden völkern gothische und hochdeutsche auch in der sprache sich mehr zuwenden als die niederdeutschen. man erwäge Hruodo und Kirt (s. 228). Eher wird der unterschied zwischen Zio und Eru und dessen zurückführung auf Schwaben und Baiern zu verfolgen sein, aber den hauptanspruch auf Eru, wenn das gemutmafste nicht abschweift, hätten vor allen stämmen Cherusker. auch der pflanzenname Ziolinta (s. 1144) verdient angeschlagen zu werden. Sahsnot, Seaxneát war gewis ein sächsischer eponymus. Wie stehen sich Paltar und Phol nach den völkern, die ihnen zugethan waren, zur seite? Phol scheint bald östlich bald westlich hin zu weisen. Ein wichtiges merkmal wird der wechsel des genus bei denselben götlernamen unter verschiednen volksstämmen sein. den Gothen war noch das abstracte männliche frauja geläufig, den Althochdeutschen das weibliche frouwâ, alts. ist nur das masc. frôho, frô, ags. nur freá im gang, bei Gothen, Sachsen mag der gott, bei den Hochdeutschen die göttin hervorgehoben gewesen sein; im Norden haben Freyr und Freyja gleiche ehre. aber der Norden kennt blofs den gott Niördr, die an der entgegengesetzten Ostseeküste wohnenden Deutschen blofs die göttin Nerthus. das verhältnis zwischen Zio und

Zisa und vielleicht Isis (s. 275) bedarf fernere aufklärung. Ohne zweifel geht die vielnamigkeit jenes höheren weiblichen wesens, das noch in der jüngeren volkssage unverschollen ist, auf stammunterschiede zurück: Holda zeigt sich in Hessen, Thüringen, Nordfranken, Berhta in Vogtland, Ostfranken und einzelnen schwäbischen strichen, wo zugleich der männliche Berhtold aufstöfst. beider göttinnen keine spur in Niederdeutschland, frau Freke ist nun in der Mark wieder gefunden, in Meklenburg, zwischen Elbe und Weser haust frau Gaue. Holda dagegen würde in alter zeit als Huldana weit gegen Westen zum Rhein, und wenn sie der Verhildenstraet (s. 263) zum grunde liegt in die Niederlande vorrücken, so dafs der Chatten verwandtschaft mit den Bataven beachtet werden dürfte; gleiche ausdehnung dem Berhtadienst verhiefse die kerlingische Berhta Pedauca und nordische Biört. Es muss auf das allgemeine vordringen fast aller stämme gegen Westen geachtet werden; selbst Isis suevisches schif liefs bis in die Ardennen sich verfolgen. Aber aufser den gottheiten haben andere theile der mythologie mit zu entscheiden. von himins und himil, himel und heven war s. 661, von fortschiebung des Himil in Gimill s. 783 die rede, in Hessen sondern sich wichtel von Elben, jene gehören dem fränkischen, diese dem sächsischen boden; das niedersächs. hüne ist in Hochdeutschland aufser gebrauch, schon ahd. scheinen hûni nur Hunnen, nicht riesen, und das mhd. hiune war beschränkten umfangs (s. 489), wie es heute in Hessen, Schwaben, Baiern nicht gehört wird, man müste es denn im namen der krankheit (s. 1115) finden.

Solche und ähnliche, aller erweiterung fähige und jetzt zum theil nicht einmal geahnte untersuchungen können für das innere der deutschen mythologie allmälich bedeutsam werden; noch dringlicher ist es ihr verhältnis zu dem glauben auswärtiger völker festzustellen, ja um diesen angel dreht sich eigentlich das mythologische studium überhaupt. selten hat es aber geglückt die gegenseitigen einflüsse oder abstände so zu ergründen, dafs daraus eine heilsame richtschnur für die behandlung der einen oder der andern mythologie entsprungen wäre.

Jedwedem volke scheint es von natur eingeflöfst sich abzuschliefsen und von fremden bestandtheilen unangerührt zu erhalten. der sprache, dem epos behagt es nur im heimischen kreis, nicht länger als er zwischen seinem ufer wallt, hält der strom seine farbe lauter. aller eignen kraft und innersten triebe ungestörte ausbildung ergeht aus die

ser mitte, und unsre älteste sprache, poesie und sage sehen. wir keinen andern zug einschlagen. allein der strom hat nicht nur die bäche aufzunehmen, die ihm von berg und hügel herab frisches gewässer zuführen, sondern selbst zuletzt in die weite meersflut auszumünden: völker grenzen an völker, friedlicher verkehr, krieg und eroberung verschmelzen ihre schicksale. aus den mischungen mag unerwartetes hervorgehn, dessen gewinn gegen den verlust, den die unterdrückung des heimischen elements nach sich zog, abgewägt werden darf. Wenn sprache, dichtung und glaube unsrer vorfahren zu keiner zeit überall dem andrang des ausländischen wehren konnten, haben sie durch den übertritt des volks zum christenthum alle zusammen die erschütterndste umwälzung erfahren.

Man hat sich lange gequält alle sprachen aus der fernen hebräischen herzuleiten; erst durch die genau erforschte geschichte der nahen europäischen idiome ist endlich ein sichrer weg gebrochen worden, der das semitische sprachgebiet vorläufig zur seite lassend tiefer in das mittlere Asien leitet. zwischen indischer und zendischer zunge und den meisten, die sich nach Europa ergossen haben, findet ein unmittelbares jedoch solches band statt, vermöge dessen sie sämtlich als geschwister erscheinen, die vom ersten ausgang an hauptgrundzüge miteinander theilten, hernach aber auf eingeschlagnen eignen wegen überall anlafs und fug hatten von einander abzuweichen. Unter allen sprachen der erde stehn berührungspuncte zu ermitteln, jede gefundne regel nöthigt zu ihren ausnahmen und diese ausnahmen werden verführerisch; die regel aber lehrt uns grundverschiedenheiten festigen, denen erst langsame auflösung in höhere einheit bevorsteht. zwar allen anschein hat es, dafs Europa keine aborigines enthielt und seine bevölkerung allmälich aus Asien empfieng, doch die zahlen unsrer zeitrechnungen reichen nicht bis zur wirklichkeit einer abkunft menschlicher sprache aus einer und derselben urquelle, und die schichten unsrer gebirge bezeugen höheres, vorgeschichtliches alter, dessen ungemessene breite kein forscher durchdringt. Aufser der die ergebnisse des sprachvergleichens bedingenden nothwendigen urverwandtschaft müssen nun in der geschichte europäischer sprachen äussere, zufällige und offene einwirkungen vieler untereinander angenommen werden, die so mächtig und folgenreich sie gewesen sein können, sorgfältig von jener verborgner liegenden zu unterscheiden sind es sei nur an den alten einflufs des lateins und den jüngeren des französischen auf

« PreviousContinue »