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Auch noch auf andre Weise hatte Clemens XIV. Regierung seine Grundsäge befestigt, zugleich aber auch mit der feinen Gewandtheit und klugen Politik desselben ihn einigermaaßen befreundet, einige freiere Ansichten ihm naher geführt, so viel die Strenge feiner früher g faßten Meinungen solchen zugänglich war. Besonders ward durch Clemens XIV. feine Aufmerksamkeit auf bessere Verwaltung des Staatsschahes, und auf die Mittel, demselben aufzuhelfen, namentlich auf Beförderung eines bejern Anbau's des Landes, und größerer Betriebsamkeit, worin der Kirchenstaat andern Ländern so weit nach stand, hingeleitet. Die große Thätigkeit und Ordnungsliebe, welche Braschi als Schahmeister bewies, hatte nicht nur wesentliche Vortheile dem Staat gebracht, sondern auch seinen eignen Einfluß fast über den des Cardinalkammerlings erhoben, und, weil noch immer viele Verbesserungen, deren Nothwendigkeit von den einsichtsvollsten Männern am Hofe anerkannt ward, in der Verwaltung zu bewirken waren, und man von ihm diese mit größter Zuversicht hoffte, war ihm auch dadurch der Weg zu einer Würde gebahnt, die,- so reizend sie ihm war, er selbst doch kaum zu suchen schien.

Nur kurze Zeit überlebte Clemens XIV. den Jesuiterorden. Sein Tod (am 22sten September 1774) feßte alle Parteien in Bewegungen, die irgend auf die neue Papstwahl einigen Einfluß haben, oder, aus irgend eis nem Grunde, dabei nicht gleichgültig bleiben konnten. Die Gesandten der vornehmsten katholischen Mächte, Portugals, Spaniens, Frankreichs und des Kaisers, nahmen den lebhaftesten Antheil an den Vers handlungen, und begünstigten bald diesen, bald jenen Cardinal, der ihren Höfen am meisten empfohlen_war. Der sichtbare Widerstreit und die ganz entgegengesetzten Absichten der geistlichen und weltlichen Gewalt hatten auch das Conclave, das bei aller Wahlsreiheit, doch von dem Drang der Verhältnisse und dem Willen der Fürsten nicht unabhängig seyn konnte, in eine so bedenkliche und schwierige Lage verseßt, daß lange fruchtlose Berathungen kaum einen einmüthigen Entschluß zuließen. Wenn die weltlichen Mächte, einverstanden in dem Verlangen: daß der neue Papst auf dem von Clemens XIV. betretenen

auch nicht im Kleinsten von dem alten Recht zu weicher. War' er auch nicht schon zu alt gewesen, um unter Cle mens XIV. nach dessen Vorbild ganz neue Ansichten und Grundsäße sich zu bilden, so würde selbst dessen Schicksal ihn davor gewarnt haben. Denn der gefällige, nachge bende Papst erntete von den größten Opfern, die er, meist nicht ohne großen Kampf, brachte, fast nie die gehofften Früchte, und auch sein Leben ward, bei manchen scheins baren Beaünstigungen, doch fast noch mehr, als das seines Vorgangers, eine Kette von Unannehmlichkeiten und Krankungen, die um so fühlbarer vermehrt wurden, als er, zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt zu vermit teln bemüht, und von den Grundsäßen abweichend, durch deren folgerechte Behauptung allein das Papstthum bestehen konnte, sich in endlose Anfechtungen verwickelte, und mit den kirchlichen Verhältnissen und ihren Dienern selbst in Zwiespalt gerieth. Er hatte lange schwer gekämpft und fich gestraubt, eh er zu dem Entschluß kam, den lauten und nachdrücklichen Foderungen der mächtigsten Fürsten, den Jesuiterorden aufzuheben, wirklich nachzugeben, und als er am 21sten Juli 1773 endlich durch ein Breve die völlige Auflösung des Ordens gebot, geschah es recht eigen lich gegen seinen Willen und seine Ueberzeugung, und nur im Drang einer bittern, nicht länger abzuwehrenden Nothwendigkeit. Aber wie dieser Schritt, gegen feine. Ueberzeugung, gethan war, folgte die bitterste Reue, qualender Unmuth, Berdruß und Sorge aller Art ihm nach; er fasien im Kampf gegen kleinere Widerwärs tigkeiten und Uebel Schild und Waffen geopfert zu haben, und nun allen größern ohne Mittel zur Vertheidigung Preis gegeben zu seyn.

Braschi hatte sowohl aus Neigung gegen die Jesuiten, als nach seinen Grundsägen, die Aufhebung des Drdens gemißbilligt, und mit tiefem Schmerz, unverhohle nem Unwillen und großer Besorgniß, den entscheidenden Schlag, der ihm noch viel Schlimmeres weissagte, gesehen. Die Leiden, welche seitdem des Papstes Leben verz bitterten, überzeugten ihn nur noch mehr, daß allein durch strenges Bewahren seiner Ansichten und durch unerschütterliche Beharrlichkeit ein solches Mißgeschick zu vermeiden sey,

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Auch noch auf andre Weise hatte Clemens XIV. Regierung seine Grundsäge befestigt, zugleich aber auch mit der feinen Gewandtheit und klugen Politik desselben ihn einigermaaßen befreundet, einige freiere Ansichten ihm naher geführt, so viel die Strenge seiner früher g faßten Meinungen solchen zugänglich war. Besonders ward durch Clemens XIV. seine Aufmerksamkeit auf befsere Verwaltung des Staatsschahes, und auf die Mittel, demselben aufzuhelfen, namentlich auf Beförderung eines bejern Anbau's des Landes, und größerer Betriebsamkeit, worin der Kirchenstaat andern Ländern so weit nach: ftand, hingeleitet. Die große Thätigkeit und Ordnungsliebe, welche Braschi als Schahmeister bewies, hatte nicht nur wesentliche Vortheile dem Staat gebracht, sondern auch seinen eignen Einfluß fast über den des Cardinalkammerlings erhoben, und, weil noch immer viele Verbesserungen, deren Nothwendigkeit von den einsichtsvollsten Männern am Hofe anerkannt ward, in der Verwaltung zu bewirken waren, und man von ihm diese mit größter Zuversicht hoffte, war ihm auch dadurch der Weg zu einer Würde gebahnt, die,- so reizend sie ihm war, er selbst doch kaum zu suchen schien.

Nur kurze Zeit überlebte Clemens XIV. den Je fuiterorden. Sein Tod (am 22sten September 1774) sette alle Parteien in Bewegungen, die irgend auf die neue Papstwahl einigen Einfluß haben, oder, aus irgend eis nem Grunde, dabei nicht gleichgültig bleiben konnten. Die Gesandten der vornehmsten katholischen Mächte, Portugals, Spaniens, Frankreichs und des Kaisers, nahmen den lebhaftesten Antheil an den Ver= handlungen, und begünstigten bald diesen, bald jenen Cardinal, der ihren Höfen am meisten empfohlen war. Der sichtbare Widerstreit und die ganz entgegengesetzten Absichten der geistlichen und weltlichen Gewalt hatten auch das Conclave, das bei aller Wahlsreiheit, doch von dem Drang der Verhältnisse und dem Willen der Fürsten nicht unabhängig seyn konnte, in eine so bedenkliche und schwierige Lage versest, daß lange fruchtlose Berathungen kaum einen einmüthigen Entschluß zuließen. Wenn die weltli chen Mächte, einverstanden in dem Verlangen: daß der neue Papst auf dem von Clemens XIV. betretenen

Pfade fortwandle, und darum durch gleiche Mäßigung, Scacigticit und Willjährigkeit, durch gleiche Unbefangenheit der Meinung, und durch Bescheidenheit seiner An spruche im voraus bewährt sey, unablässig nur die Wahl eincs jolgen als die Bedingung ihrer Anerkennung aufs stellten; so war gerade jeht, wie fast die gesammte katholische Geistlichkeit, so auch die überwiegende Mehrheit der Cardinale am wenigsten geneigt, nach den Wünschen und Foderungen jener Mächte sich zu bequemen. Man suchte einen Papst, wie Clemens XIII. gewesen, war aber Doch genöthigt, diese Absicht möglichst zu verbergen, und eine Wall zu treffen, die, ohne die Sache der Kirche zu gefährten, nicht zu starken und gefährlichen Widerspruch bewirken möchte.

In dieser Verlegenheit richteten sich endlich, nachdem man lange zwischen den Cardinalen Visconti und Pallavicini geschwankt, lehterer aber allmählig seine Ans fprüche aufgegeben hatte, aller Blicke auf den Cardinal Braschi, zu dessen Gunsten seine persönliche Würde, die Strenge seiner Grundsäge, die unbescholtenheit seines Wandels, die Thätigkeit und der Eifer, die er in seinen frühern Aemtern erwiesen, die Meinung, die man von seiner Gelehrsamkeit, Einsicht und Geschäfftskenntniß hegte, endlich auch viele günstige Freunde und Gönner sehr nachdrücklich sprachen. Die Vertrauten wußten, welch ein Mann er sey, wie in so Vielem dem zurückge sehnten Clemens XIII. ähnlich, darum ganz der Papst, bessen die Kirche zu bedürfen schien, und den besonders die zwar aufgelösten, aber noch immer einflußreichen und unsichtbar engverbundenen Jesuiten wünschen mußten. Weniger wußte die Welt, was von ihm zu erwarten sey; aber er hatte seine wahre Meinung und Gesinnung so fein versteckt, daß seine Wahl den katholischen Fürsten um so weniger bedenklich oder anstößig seyn konnte, als das Vertrauen, das selbst der verehrte Clemens XIV. ihm bezeugt, ein vortheilhaftes Zeugniß für ihn war, und man voraussehen durfte, er sey bis dahin mit dessen Maaßregeln einverstanden gewesen, und werde fortwirken in solchem Geist.

Am 15ten Februar 1775 vereinigten sich endlich alle Parteien, und machten die Wahl Braschi's bekannt.

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Kaum war diese Entscheidung ausgesprochen, als er sich demüthig auf die Kniee warf, und in einem lauten, rüh renden Gebet seine Empfindung ausdrückte. Schnell ging er von diesem zu einer kurzen Anrede an die Cardinale über, und erklärte, vielleicht etwas weniger wahr, vielleicht auch von einer geheimen Ahndung ergriffen, — (wie fie zuweilen in großen, entscheidenden Augenblicken das gepreßte Herz bewegt),,daß dieser Beschluß der verfammelten Väter für ihn ein Unglück sey!" Mit dem Namen: Pius VI. trat er-nun im Glanz seiner neuen Würde auf, die er, nach seiner frommen Denkungsart, wohl als ein unverdientes Geschenk Gottes betrachtete, während zugleich sein lebhaftes Selbstgefüht ihm das Bewußtseyn gab, daß er derselben nicht unwürdig sey, und Daß er eben sowohl ihr, wie sie ihm zur Zierde gereiche.

Es konnte zweifelhaft scheinen, ob es Demuth oder Eitelkeit sey, daß er gleich am Tage feiner Wahl einen Eilboten mit Briefen an seine Verwandten und an den Magistrat nach seiner Vaterstadt sandte, und mit der Nachricht von seiner Erhebung die freundliche Ermahnung verband, daß man keine zu kostbaren und lauten Freudens feste deshalb veranstalten möge; zugleich empfingen-die Armen von Cesena einige Beweise seiner Wohlthätigkeit und Milde. Gewiß ist, daß er in Rom selbst, wo er die üblichen Festlichkeiten bei seinem Regierungsantritt nicht ablehnen konnte, sich mit aller prunkenden Herrlich keit seines erhabnen Amtes nicht ungern umgab, und unter den Sorgen für die wichtigen Angelegenheiten seiner neuen Herrschaft die Sorgfalt für seinen Körper und für den Eindruck, den sein öffentliches Erscheinen machen sollte, nicht vergaß. Die Römer, die zwar nicht ganz ohne gute Erwartungen den erwählten Papst begrüßten, aber doch noch ungewiß waren, wie er dieselben rechtfer tigen möchte, zumal er, als ein 3ögling des wenigstens nicht allgemein beliebten Rezzonico, ihnen doch einige Zweifel erregte, auch durch seinen angenommenen Namen an ein altes Berschen erinnerte, welches behauptete, daß Die Regierung der Sechsten für Rom immer unheilvoil gewesen*), freuten sich zunächst des unverkennbaren Adels,

*) Semper sub Sextis perdita Roma fuit."

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