Page images
PDF
EPUB

Lobte und Lebende, die seit dem Jahr 1789 merkwürdig geworden, find als Zeitgenossen zu betrachten. Jenes Jahr ist als ein nothwendiger` Gránzpunct angenommen, weil mit demselben ein für Europa so wichtiger Zeitabschnitt beginnt, daß die neueste Geschichte, besonders der europäischen Völker, dort anhebt, und weil nur auf diese unfre Beitgeschichte das Unternehmen berechnet ist. Die in diesen Zeitabschnitt hèrüberlebten, wenn auch der größere Theil ihres Daseyns noch einer frühern Zeit angehörte; fie sind es, denen dieses Werk geweiht ist.

Aus der großen Masse derselben sollen aber nur diejenigen ausgewählt werden, die, (weil der Begriff „merkwürdige" zu unsicher und vieldeutig ist), im Allgemeinen, am bestimmtesten als geschichts liche Personen zu bezeichnen sind. Scheint auch dieser Begriff nicht erschöpfend, noch überall ents scheidend, weil in der besondern Geschichte einer Provinz, oder irgend eines engern Kreises der Gesell= schaft, eine Erscheinung von großer Wichtigkeit seyn kann, die in der größern, allgemeinern Geschichte fast verschwindet; so ist doch damit ausgedrückt, daß alle, die in diesem Werk darzustellen sind, in einem öffentlichen Leben wirksam, in einem größern Lebenskreise hervortraten, den Geist der Zeit in einer eigenthümlichen Gestaltung an sich bewährten, und in einer sichtbaren, geschichtlichen Beziehung zu dieser Zeit standen. Genaue Gränzlinien, die in jedem Fall entschieden, wessen Bild zur Aufnahme in

diese Sammlung geeignet wåre, lassen sich kaum angeben, und es ist nicht zu vermeiden, daß manches Leben, welches man erwartet, fehlt, und manches, welches man nicht sucht, gefunden wird. Denn wäre der Gesichtskreis des Herausgebers auch viel weiter, als er ist, so blieb' er doch durch unvermeidliche Verhältnisse beengt, und Niemand kann sich völlig jener unfreiwilligen Täuschung entwinden, nach der in der Ferne Manches glänzender und bedeutender erscheint, was in der Nähe gesehen, seine Wichtig= keit verliert, wie hinwiederum in der Nähe Manches größer erscheint, was in der Ferne fast klein geachtet wird. Doch kömmt hier eine größere, allenthalben verbreitete Zahl tüchtiger und erfahrner Mitarbeiter zu Hülfe, die ihre Theilnahme auch durch leitenden Rath und belehrende Winke beweisen.

Bei dieser Anlage des Werks, das um so mehr, als der ausgezeichneten Zeitgenossen sehr Viele sind, sich nothwendig möglichst begränzen muß, wenn es nicht endlos anwachsen soll, werden allerdings viele freundliche Erscheinungen, in denen das wahrhaft Menschliche, das religióse, sittliche und gesellige Daseyn, sich vielleicht besonders rein und reich entfaltet hat, die aber, wie segensreich sie auch in ihrem engeren Kreise wirkten, aus Neigung oder durch Verhängniß, in stiller, vielleicht beneidenswerther Verborgenheit lebten, hier unerwähnt bleiben. Denn wie die Geschichte selbst an vielem Erfreulichen und Anziehenden vorübergehen muß, ohne dasselbe stårs

ker hervorheben zu dürfen; so müssen auch diese Beiträge zur Zeitgeschichte denselben Gesichtspunct festhalten. Doch wird bisweilen auch ein weniger öffentliches, oder weniger bekanntes Leben in den Kreis dieser Darstellungen eintreten, wenn das Lez ben der Zeit sich in ihm besonders klar ausdrückt, und in ihm ein Beitrag zur höhern Erkenntniß der Beit zu gewinnen ist.

Die Geschichte, die alle vielseitigen Bestrebun gen der Menschheit mit gleicher Unbefangenheit würs digt, und aus ihrem Kreise keinen Zweig des Lebens völlig ausschließt, gibt uns den Maaßstaab, nach dem auch wir die verschiedenartigsten Kräfte, in den mannigfachen Verhältnissen der Gesellschaft, hier vorüberführen wollen. Die, welche die gro= ßen, öffentlichen Angelegenheiten der Völker leiten, Fürsten, Staatsmanner; die, welche die Selbstständigkeit und Freiheit der Staaten, die ruhige Entwicklung der mannigfachsten Anlagen, mit den Waffen vertheidigen und beschirmen, Feld= Herrn und ausgezeichnete Krieger; die, welche die geistigen, religiösen und sittlichen Kräfte der Menschheit entwickeln und bilden, Priester der Religion, Meister in Wissenschaft und Kunst, die Tröster, Erwecker und Lehrer der Völker; die, welche in freier, eingreifender Thätigkeit, die Ordnung und das Recht, den Wohlstand und die Anmuth des geselligen Lebens befördern, Ge= schafftsmanner in den verschiedenen Zweigen der Rechtspflege und Verwaltung, des Handels und Ge=

[ocr errors]

1

[ocr errors]

werbes; endlich auch Frauen, bie, obwohl zu stiller, häuslicher Wirksamkeit, zu anspruchsloser Pflege des Guten und Schönen, und des- mühebeladenen oder des jungen Geschlechts bestimmt, auch auf einen größern Lebenskreis einwirkten und eine geschichtliche Bedeutung erhielten ; fie werden, nicht nach dem Rang in der Gesellschaft, sondern nach dem Grad ihrer Kraft und Wirksamkeit, nach der Ausbildung ihres inneren Lebens gewürdigt, in buntem Wechsel hier auftreten. Die Gediegenheit und Meisterschaft in irgend einem Zweige des menschlichen Daseyns, und der mehr oder minder folge= reiche Einfluß auf die Gegenwart, die Größe der Tugenden oder Verirrungen in wie fern die Geschichte der Zeit durch jene und diese tiefer berührt wird, das ist's, was über die darzustellenden Zeitgenossen entscheidet. Denn auch hier, wie in der allgemeinen Geschichte, muß Licht und Schat= ten das Bild der Zeit vollenden, und neben dem Vortrefflichen auch das Schlechte stehen.

[ocr errors]

Es bedarf kaum der Erinnerung, daß der Herausgeber nicht die Verbindlichkeit übernehmen kann, alle Zeitgenossen, deren Leben, nach den angege= benen Gesichtspuncten, hierher gehören möchte, wirklich aufzustellen. Wie viel geleistet werden kann, das hängt von Bedingungen ab, die nicht alle in des Einzelnen Gewalt stehen. Manche Darstellung. wird zurückbleiben müssen, weil nicht eine solche ges geben werden kann, wie sie seyn müßte, wenn sie der übrigen würdig und für den Geschichtschreiber

brauchbar seyn sollte. Es treten hier auch wohl unüberwindliche Rücksichten ein, die manche Darstellung unmöglich, oder unziemlich, oder überhaupt unrathsam machen. Auch ist, zumal die Zeitge= schichte in diesem Werk nicht vollständig mitgetheilt werden kann, weniger auf die Menge, als auf die Treue und Bewährtheit der Geschichten zu achten.

[ocr errors]

Zu den 3eitgenossen" rechnen wir aber nicht blos Vaterlandsgenossen, sondern auch die Fremden, die in dieser Zeit hervorragten. Es wäre für verdienstlich zu achten, wenn man für Mitwelt und Nachwelt, treue Schilderungen ausgezeichneter Deutschen sammelte *), klare Zeugnisse von dem Leben des Vaterlandes selbst, und hellleuchtende Beispiele. Auch in unsern Darstellungen werden wir mit besonderer Liebe, und, bei strenghistorischer Gerechtigkeit, doch selbst mit Vorliebe, die ausgezeich netsten Landesleute abbilden. Uber mit gleicher Gez wissenhaftigkeit und geschichtlicher Würdigung, sollen die der Zeitgeschichte angehörigen merkwürdigen Menschen anderer Völker, so weit es möglich ist, zur Anschauung gebracht werden. Dieß fordert der Zweck unsers Werkes.

* Der Anfang einer solchen Sammlung ist gemacht in den ,,Biographischen Zügen aus dem Leben deutscher Månner.“ Leippig 1815,

« PreviousContinue »