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so leicht die Augen verblendet, und den Werth des Menschlichen nur einseitig sehen läßt.

Auf eine blose leichte Unterhaltung ist sonach dieses Werk nicht angelegt. Doch würde auch wer nur diese suchte, nicht ganz unbefriedigt bleiben. Die Geschichte überhaupt, und insbesondere die Lebensgeschichte einzelner Menschen, hat immer, und besonders jeht, die allgemeinste Theilnahme gefunden. Die Unterhaltung aber, die hier dargeboten wird, enthält zugleich durch den Inhalt des Werkes selbst, wenn auch der Geist und das Darstellungsvermögen vieler Mitarbeiter weniger ausgezeich= net wåre, als sie in Wahrheit sind, eine reiche. Nahrung für Geist und Herz, und der Zweck, auf den das ganze Werk hinarbeitet, mag wohl auch dem Leser, den nicht so ernste Absicht zu uns führt, ersprießlich werden.

Für diesen Zweck hat der Herausgeber einen Kreis von Mitarbeitern zu gewinnen gesucht, welche vereint die große Aufgabe zu lösen vermegen, und es ist ihm geglückt, theils die Zusicherung, theils schon thätige Beweise einer kräftigen Mitwirkung vieler fehr ausgezeichneter Männer zu erhalten. Er

muß mit aufrichtigem Dank das Vertrauen und die freundliche Geneigtheit, mit der seine Einladung aufgenommen worden ist, anerkennen, und darf sich freuen, manchen trefflichen Mann bewogen zu haben, für dieses Werk eine Arbeit zu übernehmen, die sonst vielleicht unterblieben wäre. Es soll nicht allzuvielversprechend im Voraus gepriesen werden, was durch eine, wohl selten für ein schriftstellerisches Un= ternehmen in so großer Anzahl vereinigte Gesellschaft auserwählter Mitarbeiter, geleistet werden kann; es foll noch weniger verheißen werden, daß man hier durchaus nur Vortreffliches finden wird; aber daß viele meisterhafte Darstellungen erscheinen sollen, das darf der, der so viele erfreuliche Zeugnisse vorzüge licher Theilnahme zu rühmen, und einen reichen Schaß von Beiträgen schon in Hånden hat, getrost zusagen.

Wesentlich wichtig und nothwendig war, so viel möglich in der Nähe der Darzustellenden auch die Darsteller zu finden, und es ist gelungen, nicht nur im Vaterlande, das natürlich die meisten Beiträge liefert, sondern auch in den meisten Ländern Europa's Mitarbeiter zu gewinnen. Das Werk selbst wird die Beweise davon liefern. Der Grundsah, für die Darstellung der Zeitgenossen, wo es gesche= hen konnte, Landesgenossen zu suchen, schien durch die Erwägung sich zu empfehlen, daß diese mehr aus den Quellen schöpfen, die geschichtlichen Nach= richten sichrer und ergiebiger sammeln und benußen,

auch wohl aus einem richtigern, die Umgebungen und Verhältnisse treuer auffaffenden Standpunct, das besondere Leben abbilden können. Aber manche

Fremden werden auch von Deutschen dargestellt werden, die auch da, wo der Landesgenosse vielleicht einseitig oder befangen ein Leben schilderte, mit grd= Berer historischer Treue ergänzend und würdigend eintreten sollen. Ueberhaupt werden Fålle eintreten, wo der Lebenslauf, der Gang des Schicksals eines Zeitgenossen, von einem andern, als die sogenannte Charakteristik, das eigentliche innere Leben, darge= stellt wird, weil Mancher sich wohl mit einem Mens schen und dessen ganzem Wesen befreundet haben kann, ohne alle seine einzelnen Schicksale zu kennen.

Bedenklicher kann es scheinen, daß Mehrere aufgefordert worden sind, die Geschichte solcher Zeitge= nossen zu schreiben, mit denen sie in engern oder in freundschaftlichen Verhältnissen standen. Eben das nähere Verhältniß, die engere Verbindung, kann leicht partheiisch machen, und wie oft der Freund den Freund befangen ansieht, ist wohlbekannt. Gleichwohl kann auch Vieles gerade nur in der eng= ften Verbindung recht erkannt und gewürdigt wer den, und da, wo es auf die reine Auffassung des Menschen, in seinem innersten Wesen, dem Geheimniß seines innern Lebens ankommt, hat der Freund wohl vor Allen eine entscheidende Stimme. Ift's hier doch nicht abgesehen auf ein Gericht über die Zeitgenossen, das mit unfreundlichem Scharfsinn und

gewandter Deutelung Flecken und Gebrechen erspäht, und das etwanige Licht mit möglichst vielem Dunkel überschattet. Wie der Freund den Freund erkannte, so mögen auch wir wohl gern ihn anschauen, und was er an ihm lieb gewonnen, was der Fremde, der Nichtbefreundete so leicht übersicht, das gerade mögen wir in seiner Geschichte gern hervorleuchten sehen, um so den Menschen recht in seiner schönern Menschheit zu erkennen. Wo des Lichtes viel ist, und der Schatten etwa fehlt, da ergänzt diesen ohnehin das geschafftige Zweifeln und strenge Richten, das selten außen bleibt. Da aber, wo nach des Herausgebers freilich beschränktem, oder nach bera= theader Theilnehmer Ermessen, die Lebensgeschichte sich in eine bloße Lobrede verwandelt hat, wird diese entweder gar nicht aufgenommen, oder, wenn Gründe dafür vorhanden sind, durch unbefangene Darstellungen berichtigt werden.

Die Mitarbeiter sind aufgefordert, überall den achthistorischen Gesichtspunct festzuhalten, und recht eigentlich geschichtliche Darstellungen der Zeitgenossen zu bearbeiten. Es muß uns weniger daran liegen, besondere Ansichten und Meinungen der Darsteller, als das möglichst treue Bild der Dargestellten kennen zu lernen. Minder durch eingewebte eigne Betrach tungen und Beurtheilungen (oder durch Reflexion und Raisonnement), als durch Klarheit, Sicherheit und Treue der Lebensbeschreibungen selbst, müssen die Leser auf den Standpunct gestellt werden, von dem

aus die Zeitgenossen erkannt werden in threr Eigens thümlichkeit. Diese Eigenthümlichkeit, in dem due Bern und innern Leben, so weit der Blick einzuk dringen vermag, soll scharf begränzt, und lebendig entfaltet, hervortreten, im åchten Geist der Biogra phie, für die in meisterhaften Werken, aus alter und neuer Zeit, die wahrsten und sichersten" Gesete sich finden. Bo es möglich ist, ausgeführte Gemälde zu geben wird diesen, sofern sie dem Plan und dem Umfang des Werkes entsprechen, der Vorzug gebühren; aber auch treffenden, mit sichrer Hand entworfenen Umrissen und Skizzen kann die Aufe nahme nicht verweigert werden. In manchen Fållen mögen diese auch wohl sich besonders empfehlen.

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Das höchste Gefeß aber muß überall die strengste gefchichtliche Treue seyn, und über Alles die Liebe walten. Des Herausgebers Absicht ist es am we nigsten, dem unseligen Splitterrichten neue Veranlaffung und Nahrung zu geben, oder eine eigen mächtige Censur der Zeitgenossen zu eröffnen. Von so theeichtem und frevelhaften Beginnen spricht, wer ihn kennt ihn frei. Ist auch die Geschichte Richt terin der Menschen der Geschichtschreiber ist es eis gentlich nicht, außer durch die Geschichte, in wiefern sie selbst das Gericht ist. Auch der Biograph hat nicht das Urtheil zu sprechen über den Darge stellten; das treue Bild des Lebens spricht das W theil, wie Jeden sein eignes Leben schon richtet. Das evangelische Wort: Richtet nicht!" ergeht

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