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vinzen, durch kein Unglück ermüdet, durch keine persons liche Rücksicht beirrt, die Legitimität des Thrones von Frankreich bis an die Grenzen der Möglichkeit vertheis digt nie aber mit der unchriftlichen Vermessenheit, ein folches Gesez der Vorsehung aufzudringen, wenn sie nach dem Beipflichten vieler Jahrhunderte dennoch eine andre irdische Grundlage des Glückes von Frankreich beschlof. fen haben sollte. Wenn demnach

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2) mitten aus dem Herde der evolutionvon ihr hers vorgerufen, aber ohne eigentlichen Antheil an den Verbres chen, welche ihren wesentlich verderblichen Charakter aus machten sich ein Mann erhob, von unbezweifelt großen Eis genschaften, unverkennbar stark genug, um Frankreich zu res gieren und die Revolution zu bandigen; bei den Mitteln, welche Frankreich immer vereinigt, und bei denen, welche die Revolution noch überdies hinterließ, mächtig genug, um Europa zu überflügeln; wenn zugleich die Stimmen für das verbannte Königshaus überall mehr und mehr vers ftummten, und der Gedanke seiner Wiedereinsehung durch ganz Europa als eine Chimäre zurückgewiesen wurde; wenn der Kampf gegen den dergestalt concentrirten Feind nur durchzuführen war um den Preis der Revolutionirung Desterreichs, der Entstellung derjenigen Macht, die in legten Sturme allein noch rettende Stüße werden konnte; wenn der kaiserliche Name und die Nationalehre in dem legten, großen, wenn auch einzelnen, und daher unglücks lichen Versuch von 1809, dessen erhebendes Beispiel spås terhin fegensreich nachwirken sollte, behauptet war, so durfte der Wille der Vorsehung in der Seele des Kaiz fers zweifelhaft werden. Es durfte gefragt werden, ob burch die Nacht der Revolution hindurch, durch Vergels tungen und Abbüßungen in ihr selbst, nicht auch ein Weg zu einer bürgerlichen Ordnung und zur Genugthuung der moralischen Welt geführt haben könnte; ob dem Unwider stehlichen nicht die Kraft inwohnen möchte, sich selbst zu widerstehn; ob seine Versöhnung mit dem alten Europa, feine Reinigung in dem Heiligthume der alten Hausords nung dieses Welttheils nicht auszuführen wäre dadurch, das man ihm rücksichtslos die Hand böte, daß man ihm geradehin auch die Art der Größe zutraute, die man von ihm verlangte. Sein in alle Farben schimmernder Chas rakter gab manchen Hoffnungen Raum; in welchem Grade ihm, wenn es darauf ankam, die Menschlichkeit an fich

barzustellen gelang, wissen die wenigen, die er persönlich zu gewinnen versuchte; überdies war er keineswegs uns empfänglich für den Reiz einer solchen Versöhnung, und von ahnlichen Erwägungen geleitet, durch die Leiden der Welt und die Niederlage aller großen Institutionen der Borzeit bestimmt, hatte die oberste geistliche Macht nicht nur seiner Herrschaft anerkannt, sondern sein Recht bes ftatigt. Jede Aussicht auf die Behauptung des Buchstabens der Legitimitat war sterblichen Augen entrückt: eine höhere Gerechtigkeit gegen die eignen, tiefverwundeten Völker drängte zu einem gründlichen Friedens- und Bers föhnungs-Versuche. Nur um der Völker willen sollte das Recht der Könige behauptet werden; wer, der in die Lage von Europa am Schluffe des Jahres 1809 fich aufs richtig zurückverseßen will, wird läugnen, daß der seltene Fall wirklich eingetreten war, wo die Völker hätten vers derben müssen, wenn es wirklich hätte aufrecht erhalten werden sollen?

Der Versuch, den Beherrscher von Frankreich, da die Außere Macht ihn zu stürzen unbedingt versagte, durch eine sittliche Gewalt zu bezahmen, war eine neue Wens bung, aber keine Beránderung der Desterreichischen Pos Iitif. Der Kaiser hatte unter der unerschütterlichen Behauptung der Legitimitát, unter unnachlassender Bers folgung des Uebels, nie die demüthige Rücksicht auf einé höhere Weltordnung, den Glauben an eine höhere, unbes greifliche Gerechtigkeit verloren. Nachdem ein Sieg, wie der bei Aspern, umsonst errungen war, durfte und mußte die andere Marime seiner Politik, nemlich die, kein Sp fer zu scheuen, um auch im friedlichen Wege die Grundsäge der Ordnung in Europa zu rets ten, die Oberhand behalten. Durch den Schritt, da die eigne Tochter, und späterhin, so lange nur noch eine entfernte Hoffnung des Gelingens übrig blieb, die eignen Hülfsvölker im Vertrauen, nicht sowohl auf die eigena mächtige Bekehrung Napoleons, als vielmehr auf die Macht des Vertrauens selbst über jedes menschliche Herz, und auf den Beistand der Vorsehung für ein so groß und gut gemeintes Werk, dahingegeben wurden, erschien die Politik Desterreichs erst in ihrem eigenthümlichen richte. Dem Namen nach gab es keinen Römischen Kaiser mehr in Europa, aber die alte Statthalterschaft des Rechts,

mit der alten langmüthigen Hingebung für das Glück und die Ruhe der Welt, unter gehorsamen Beachten jeder Fügung des Himmels, dauerte fort. Entweder gelang es, das Oberhaupt der französischen Regierung durch die Aufnahme in die Europäische Fürstenfamilie für den alten Geist dieser Familie zu gewinnen, feinen Stolz zu verz edeln und ihn zur rücksichtslosen Anerkennung der Unab hängigkeit seiner Mitstaaten zu nöthigen, oder, wenn diese wohlwollenden Einflüsse von unbeugsamer Härte der Seele und entschiedener Unempfindlichkeit zurückgewiesen wurden, und sich sein Entgegenkommen treulos bewies, fo verwickelte er sich in eine Reihe von Widersprüchen seis ner neuen Lage mit seinem unveränderten Sinn, wos durch er selbst seinen Sturz vorbereiten mußte.

Immer aber blieb

3) der Gesichtspunct, daß mit der unächten Liberalität des Jahrhunderts, mit den falschen Freis heitsideen, worin alle Leiden der Zeit und alle Krankungen der politischen Rechte ihren lehten Grund hatten, tein Friede zu schließen fei, in der Seele des Kaisers unerschütterlich. Der Despot konnte durch moralische Mächte gebändigt werden; es war sehr zweifels haft, ob nicht auf einem so hoben Standpunct, als ihm burch lange Begünstigung des Schicksals zu Theil gewor den war, ein einziger Blick in eine höhere Weltordnung, verbunden mit dem Gefühl der Gebrechlichkeit seiner Einrichtungen, ihn selbst in eis der mächtigsten Werkzeuge der allgemeinen Wiederhersteung hätte umschaffen können; so lange aber die Wurzel des Despotismus, der Grundsah, daß die Vernunft des einzelnen Menschen für den einzigen Rechtstitel gelten solle, nicht ausgerottet war, konnte keine äußere Macht verhindern, daß sie eis nen neuen Stamm und einen neuen Wipfel trieb; so lange blieb der Zweck der Politik des Kaisers unerfüllt.

Sobald es entschieden war, daß das große darges brachte Opfer den Feind der bürgerlichen Ordnung nicht versöhnt, den Grundsah der Revolution nicht zerstört hatte, eben so bald war der, der es mit blutendem Herz zen dargebracht, der erste, der es für das heiligé Ziel als ler seiner Bestrebungen, für die Ruhe der Welt, ohne zurückzublicken vergaß. Mit wie kunstreicher und gewiss

senhafs

senhafter Schonung aller Formen, mit wie edler Rücksicht auf die zwar neu erworbne, aber doch aufrichtig anerkannte Gerechtsame des Gegners im Jahre 1813 die Rückkehr Desterreichs zu dem früher befolgten Krieges-Systeme vorbereitet und ausgeführt wurde, ist in zu frischem Andenken der Welt, als daß es einer Auseinandersehung bes dürfte. Nie wurde der Entwicklung der großen Ereignisse vorgegriffen, und dennoch mit unnachlassender Thätigkeit einerseits der Feind gegen die große Catastrophe hingedrängt, die er selbst sich zubereitet hatte, andrerseits der Bund der europäischen Fürsten befestigt. Durch eine jener heiligen, vergeltenden Fügungen des Himmels, die eine gewissenhafte Politik fast in ihre Berechnungen aufzuneh men befugt seyn möchte, sah der Kaiser Franz in demselbis gen Augenblicke, wo alle Opfer seines Herzens vergeblich fcheinen konnten, ganz Europa für die große Angelegens. heit seines Lebens vereinigt.

Mit der Schlacht von Leipzig war die Möglichkeit, den Feind zwar noch nicht zu stürzen, aber doch durch die Gewalt der Waffen in seine Grenzen einzuzwangen, entschie den. Die deutschen Völker und alle jene, welche getrieben. von dem glorreichen Gefühle wiedererrungener Freiheit, vaterländischer Begeisterung und muthiger Hingebung in den entzückenden Umschwung der Dinge, mit ihren Wüns schen, ihren Gebeten, ihren Opfern, oder mit den Waffen in der Hand dem ersten Siegeszuge gegen den Rhein ges folgt find, oder die an dem unvergeßlichen Tage der Ankunft des Kaisers von Desterreich zu Frankfurt zugegen waren, durften in der Ueberschwenglichkeit des Augenblicks eine ungemessene Genugthuung erwarten, und ihren Fürften den Willen, wie die Macht einer unbedingten Wiederherstellung zutrauen. Sie dürften es vergessen, wie tief die neue Gestaltung der Dinge Wurzel gefaßt, wie unent schieden auch damals noch der Kampf zwischen der alten und neuen Ordnung blieb, und wie jede unbedingte Wiederherstellung die Grundfeste eben jener Vereinigung der Fürs ften und Bölker erschütterte, auf der alle Hoffnungen der Besseren beruhten.

Die beruhigte Nachwelt aber wird es anerkennen, wie der Kaiser, erhaben über jene vaterlandischen Gefühle, die er als Privatmann vielleicht am lebhaftesten theilte, unBeitgenossen I.

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angefochten von dem Drange einer blendenden Gegenwart, undestochen von irgend einer weder alten noch neuen Form, jeden unmittelbaren Eingriff in den Gang der Dinge, die nunmehr unverkennbar unter göttlicher Leitung standen, vermied, und die Befestigung des großen europäischen Bundes, wie die Fortsezung des Krieges zu seinem ausz schließenden Augenmerk machte. Nicht unbekannt war es im, wie man positive Schritte von ihm erwartete, und wie daselbe Zeitalter, welches einen heiligen Krieg gegen die Eigenmächtigkeit zu führen meinte, von seinen erhab nen Führern nichts anders begehrte, als ein eben so eigenmachtiges Wiederherstellen, Berwerfen und Umstürzen. Desto mehr aber befestigte er sich in dem Entschluß, die Lösung dieser Widersprüche und die neue Einrichtung der Belt dem höheren Richter zu überlassen, von dem er seine Krone empfangen, und dem er sie selbst, wie früherhin die theuersten Befihthümer seines Herzens, für die Wiederherstellung des höheren Rechts und der höheren Freiheit zurückzugeben bereit war.

Der Kaiser Franz hatte durch die im Jahre 1810 eingegangene Familienverbindung das Recht einer neuen Dy nasie in Frankreich bestätigt. Die Motive dieser großen Maaßregel sind über jeden Angriff erhaben; es war ein Act der Demüthigung unter die Rathschlüsse des Unersforschlichen, wodurch das Haupt der ersten Familie von Europa das Recht der erhabensten Geburt dem Glücke der Welt unterordnete, sich als Kaiser und Vertreter der Christenheit bewahrte, und den kommenden Zeiten ein Zeugniß seiner Liberalität hinterließ. Je besonnener diefer Beschluß gefaßt worden, um so weniger konnte er unter der nachfolgenden günstigen Veränderung der Dinge willkührlich und einseitig umgestürzt werden. Das Gewissen des Kaisers war gebunden, und nie ist der Gedanke in seine Seele gekommen, seine Anerkennung zurückzunehmen.

Wer möchte es wagen die Gefühle zu beschreiben, mit denen der Kaiser im Januar des Jahres 1814 den Boden von Frankreich betrat. Während das Bild einer leidenden Tochter das ganze Herz eines solchen Vaters erfüllen durfte, und ihn der Schatten seiner unglücklichen Muhme Maria Antonia nach einer andern Seite hinüber zu winken

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