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ges treuloses Jahrhundert sie nicht auszulöschen verz möchte.

Wir werden die im Auslande völlig unbekannte, vom Beitgeiste, weil sie ihm widerstrebt, mißverstandene, und für die politische Theorie, insbesondere der deutschen Gefesgebung, tief lehrreiche Verfassung Desterreichs an einem andern Orte ausführlicher beschreiben. Hier ges núgte es, sie, als den wesentlichsten Charakterzug ihres Urhebers und Oberhauptes, in dem Geist und Sinne, der ihr zum Grunde liegt, darzustellen.

Was der Monarch, als Vortreter der ehrwürdigen Fürstenreihe unsers Welttheils, als Erbe feines Hauses und treu dem Berufe, den ihm einst die Römische Kaiserkrone zu Frankfurt auflegte, für Europa und für DeutschLand gethan, wird von Millionen anerkannt, die nicht unter seiner Herrschaft leben.

Die Geschichte findet ihn zuerst an der alten, wúrdigsten Stelle eines Erbprinzen von Desterreich, an der Spize eines Heeres, an der Grenze der Christenheit ges gen die Türken. Aber schon lange bevor er den Thron Bestieg, hatten sich die drohenden Verhängnisse der Welt nach dem Westen gewendet. Zu Villniz wurde der Bund geschlossen, dem, in seinem wahren Desterreichischen Sinne, ununterbrochen treu zu bleiben, diesem Prinzen, eis nem der jüngsten Beisiger des Congresses, vorbehalten war.

Nicht die wahrhaft liberalen Ideen des Jahrhunderts waren der Desterreichischen Politik ein ergerniß, viels mehr hatten sie keinen thätigeren Beschüßer, als den una vergeßlichen Großherzog von Toskana, Leopold, der damals als Kaiser in die Reihen gegen Frankreich trat. Auch hatten unter Desterreichs mildem Scepter freie Verfassungen durch ein halbes Jahrtausend geblüht, ehe die Theorien der Freiheit ein ganzes Zeitalter berauschten. Ein stolzes Selbstgefühl des Unterthanen, unbeschränkt, als nur allein durch Gottesfurcht, Pflicht, Sitte und Ehre, war an den Höfen der Häuser Habsburg und Lothringen zu allen Zeiten wohlgelitten.

Nicht die unbedingte Wiederherstellung des Mten war der Zweck, oder auch nur das Interesse diefer alten Poliz

tif. Laufend neue Ideen, nachdem sie die Probe der Ers fahrung überstanden hatten, waren im Wege sanfter Res form in die Desterreichische Verwaltung naturgemaß eins. gedrungen, ohne daß das wahrhaft gute Ulte deshalb zurückzutreten brauchte. Die wesentlichen Fortschritte der Beit konnten einer Regierung, die so tief in die Bildungsgemeinschaft von Europa verflochten war, wohl nicht fremd, nicht feindselig oder unheimlich erscheinen.

Nicht die Wiederherstellung der Familie Bourbon an fich, nachdem dieses erlauchte Haus den Thron von Frankreich zu verlassen genöthigt worden war, nicht die Legitis mitat allein konnte den gewissenhaften Kaiser, dessen Thron durch die Regententugenden und Unterthanenliebe so vieler Jahrhunderte, und noch mehr durch seine Ges rechtigkeit, als durch sein Recht gesichert stand, vermögen, Gut und Blut der Seinigen in sechs großen Kriegen an das Schicksal eines fremden Staates zu sehen-wenn auch die Genugthuung der moralischen Welt, auf die es dem Kaiser von Oesterreich, wie das Ende gelehrt hat, allein ankam, mit der Behauptung der Legitimitåt_und der Wiederherstellung des Hauses Bourbon enge verfluche

ten war.

Der wahre Gegenstand des Desterreichischen Krieges, der 1792 begann und 1815 endigte, war und blieb sehr einfach es war der Frevel öffentlich und feierlich gebrochener Eide, verspotteter Religion und Geseze, beleidig ter Majestát der Vorwelt und des Glaubens; es war die Gefahr, welche die innere Ordnung von Europa, die Familienzerrüttung, welche die Christenheit bedrehte; es war die höhnende Entweihung eben jener menschenfreundlichen Ideen, für die sich Joseph und Leopold mit so vie ler Wärme verwendet hatten. Die engherzige und intriguante Politik, welche an allen Europäischen Höfen ihre Wortredner hatte, mag auch in Desterreich hier und dort dem großen Unternehmen ihre kleinlichen Terte und Abfichten untergelegt haben: was sie eingewirkt, war vergänglich; nur die Gesinnung lebt und gehört für die His storie; die Gesinnung des Kaisers, auf die es hier àntommt, liegt der Welt vor in dem Verfolge und Ausgange der großen Geschichte unsrer Zeit.

Die Grauel der drei ersten Jahre der Revolution, die Verbrechen eben jener, von ihren geblendeten Zeitges nossen vielgefeierten, constituirenden Versammlung was ren es, welche die Politik des Wiener Hofes entschieden. Die ewig beklagenswürdigen Katastrophen von 1793, die Echredenszeit, die Directorialregierung und die militáris fche Tyrannei waren nur nothwendige Folgen jener ersten, unter dem Deckmantel einer menschenfreundlichen Bereds famkeit und einer schmeichlerischen Philosophie, mit einer gewisjen empórenden Bequemlichkeit begangenen, blutlos fern Frevel. Weil das Schönste der Entweihung, und bas Wabrste dem Doppelsinn am meisten unterworfen ist, fo zeigt sich gerade diejenige Macht, in deren Boden die ächte bürgerliche Freiheit vielleicht am tiefsten Wurzel ges schlagen, am ausdauerndsten in dem Kriege gegen ein vers führerisches Irrbild derselben Freiheit. Diese eigentliche und erste, unter allen Umftaltungen der Revolution_nie versiegte Quelle derselben war der Gegenstand der Desters reichischen Kriege, während man nie vergessen darf, daß England in dem gleich rühmlichen Bestreben mit dieser Seite am ehesten zu capituliren geneigt war,

Ein Umsturz aller Rechte, unter dem Vorwande einer neu entdeckten Gerechtigkeit, bedrohte eben durch diesen Borwand die ganze sittliche und bürgerliche Ordnung von Europa. Revolutionen und selbst Usurpationen, von dem Verhängniß oder der Verzweiflung herbeigeführt, Ließen eine Bersöhnung mit ihren Urhebern zu, wenn diese sich den Gesezen der Ordnung, welche die Probe der Jahrhunderte überstanden hatten, unterwarfen, und das geschehene Unrecht nicht zu vergüten war. Selbst die Religion, welche die Grundlage des Europäischen Staatenvereins ausmacht, der heilige Coder, an den unsre gebrechlichen Gesetzgebungen in allen den Fallen, wo die Möglichkeit der Ausführung der Geseze in lezter Instanz mangelt, zu appelliren genöthigt sind, will nicht, daß dem buchstäblichen Geseze und der bloßen Legitimität zu gefallen die Welt untergehn foll; sie spricht von einem Geses, welches das Gesez überwindet, von einer, selbst das Unrecht, selbst die Schuld dann versöhnenden Macht, wann den beschädigten Theil in sein Recht einzusehen uns möglich fällt, und der verleßende Theil den heiligen Ideen, welche alles Recht begründen, sich unterwirst. Jedoch

mit der Anmaaßung, die ein neues Recht, neue Sitte und Freiheit zu erfinden und auszuführen unternimmt, gibt es weder Versöhnung noch Capitulation.

Nach diesen Grundsäßen hat der Kaiser von Defters reich gehandelt. Die erlauchten Uhnherrn seines Hauses, die anerkannten Schußherrn der Europäischen Religion, Geseze und Bildung, haben von jeher die göttlichen Gèfete als die Quelle aller Legislation und aller wahren Lis beralitat angesehen. In der glücklichen' Doppellage, da fie einerseits die Autoritát einer großen Erbmonarchie zu behaupten, andrerseits die Freiheit aller Mitstånde eines großen Wahlreichs aufrecht zu erhalten hatten, blieben_fie für jeden Fortschritt des Jahrhunderts und für alle Be= dürfnisse der Menschheit empfänglich, wenn auch die pólitische Verfassung und die bürgerlichen Geseze in ihren Auger nichts anders, als Auslegungen der göttlichen Vorschriften, Anwendungen derselben auf das gemeine Leben, Erweiterungen derselben in dem Sinne ihrer Stiftung seyn konnten. Die Ausübung ihrer Macht war gewissenhafter Gehorsam gegen Gott, also zunächst gegen die, in diesem Geiste gefaßten Beschlüsse ihrer Vorfahren und des Reichs, dann gegen alle die politischen Weltvers anderungen und Entwickelungen des Zeitgeistes, die mit dem Fortbestehen der Grundlage irgend zu vereinigen was ren. So geschahe es, daß sie durch lange Jahrhunderte und unter mancherlei Wechsel der übrigen Europäischen Zustände, mit allgemeinem Beipflichten Vorstände des heiligen Römischen Reichs bleiben konnten.

Das einzig Wesentliche unter den liberalen, politifchen Ideen der neuesten Zeit, der Grundsag nämlich, daß das Gesez herrschen solle und nicht die Willkühr, konnte ihnen, am allerwenigsten dem jest regierenden Monarchen, der ihn, wie wir beschrieben haben, mit ganzer Hingebung der Seele ausübte, nicht in dem Lichte einer neuen Entdeckung erscheinen. Es war ja nur ein verengter, verminderter, verdunkelter Ausdruck jener alten, von den Kaisern verwalteten Lehre der Christenheit, daß kein Diener, kein Basall feinem Herrn um dessen Eigennug, sondern daß er ihm nur um Gottes und seiner Ordnung willen dienen könne. So mochte aber auch der. neue Ausdruck geduldet werden, da er denen, welche für

die Hoheit der Abkunft Europäischer Sitten und Einrich tungen den Sinn verlohren hatten, in dem Geseze wenig= ftens eine ehrwürdige, gottáhnliche Schranke vorhielt.

Sobald aber dieser blos ergänzende Begriff des Ge sezes zum alleinherrschenden erhoben werden, die göttlihen, in allen unsern Inftitutionen tief eingewurzelten Verfügungen den Sagungen einer beschränkten, in le gislativen Versammlungen herbeigewürfelten Zeitvernunft unbedingt weichen, und keine Rechte geduldet werden follten, die nicht von demselben beschränkten Menschen, der sie zu genießen oder zu leiden hatte, ihren Titel em pfangen hatten, fo war auch der Geist der Liberalitat daraus entwichen. Die Vorzeit ist der einzige sichere Damm gegen die Usurpationen der Gegenwart: was fie befestigt hat, kann der Verbesserung, der Reinigung bes dürfen, immer aber bleibt es der einzige, sichre Stüh punct wahrhaft freier Seelen gegen die Unmaaßungen der Beit. Soll das Gesez nur aus der Vernunft der Zeitge nossen geschöpft werden, und also nur Frucht der Zeit, nur Menschenwerk seyn, so ist damit die Zeit und der Mensch, deren engherziger Willkühr wir eben durch das Gesez entgehen wollten, auf den Thron gesezt. Einem wird diese Art der Willkühr allezeit besser gelingen, als vielen und die liberalen Ideen, so verstanden, werden immer und nothwendig zum Despotismus ́ und zum Untergange aller Freiheit führen.

Hiernach waren die leitenden Marimen des Kaifers in seinem Verhältnisse gegen die Revolution seiner Zeit die folgenden:

1) Das Recht selbst, die Legitimitat, wo es nur in den Grenzen der Möglichkeit lag, aufrecht ers halten. Das Gesez der Erbfolge der Europäischen Regenten nach der unzweifelhaften Regel der Primogeniz tur, ist die erste unter allen gedenkbaren irdischen Ga rantien alles Bestehens überhaupt, die Grundlage der Legitimitat aller übrigen Rechtsverhältnisse, also des Nationalglücks: ihre Verlegung in einem einzelnen Staate eine allgemeine Calamitát für alle Mitstaaten. Der Kais ser hat, oft auf dem Kampfplage allein stehend, mit Aufs opferung seiner Gefühle, seiner Kräfte und seiner Pro

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