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schienen. Als endlich eine verderbliche Uebermacht alle Bemühungen, eine, wenn auch neue, doch in der alten gegründete, gesegliche Ordnung herzustellen, frevelhaft verspottet hatte; als es noch Einen großen Kampf galt um Europa's Freiheit, Recht und Ordnung, da rüstete, mit Gottvertrauen, sich auch der Kaiser wieder, und trat in die Reihe der glorreich, aber noch mit zweifelhafter Entscheidung Kampfenden. Die Siege, die mit großen Erfolgen den Kampf krönten, feierte er, als Gottes Berk, und sie gewährten ihm die Genugthuung, daß ér fein Leben nicht an einen fruchtlosen Plan verschwendet habe, daß Ordnung und Gesez von neuem zur Anerkennung gebracht sey.

Aber man würde sein Streben und Wirken mißdeuten, wenn man meinte, es habe ihm nur daran gelegen, allen Zeichen der Zeit zum Trok, nur das Alte wieder herzustellen. Ein selbstsüchtigeres Gemüth hatte dann mit der Rücknahme der Kaiserkrone den Anfang gemacht; ein befangener Freund des Alten håtte nicht in so vieles Neue gewilligt, das sein Widerspruch, wenigstens zum Theil, abwenden konnte. Die edleren Ideen, die Joseph und Leopold gehegt, und auszuführen versucht hatten, um welche ein ganzes Menschenalter, unter den größten Leiden und vielfachem Wechsel der Dinge, von vielen selbst unerkannt, unablässig gerungen, find seinem freundlichen Herzen, seiner klaren Vernunft, nicht fremd geblieben. Er konnte es nie für das Höchste halten, daß es durchaus bleibe in den Staaten und menschlichen Verhältnissen, wie es war. Selbst sein frommer Sinn verwahrte ihn gegen den eitlen Wahn, daß irgend etwas Menschliches vollkommen und abgeschlossen gut sei, und im Fortgange der Zeit keiner Lauterung, keiner Besserung, keiner Wiedergeburt bedürftig. So gewiß er Gottes Ordnung und göttliches Geses als die Grundlage aller menschlichen Ordnung zu allen Zeiten anerkannte, so gewiß war er überzeugt, daß die Völker und ihre Herrscher nur dahin Kreben können, Gottes Ordnung immer vollkommener in den menschlichen Verhältnissen herzustellen, und daß diese darum zu dem Bessern immer fortschreiten müssen, zu ei nem Zustand, wo das göttliche Gesez zur höchsten und allgemeinsten Anerkennung gebracht ist, wo alle irdische Macht vor ihm sich demüthigt, wo es alle Verhältnisse

göttlich und menschlich ordnet, wò es das höchste Recht, das die Rechte Aller sichert, auf Erden herstellt, und so in Gefehmaßigkeit die wahre Freiheit begründet wird. Nurmit dem Frevel und der Thorheit, auf den Umsturz aller alten Ordnung und Verfassung, eine ganz neue Welt, nach wandelbaren Ansichten, zu erbauen, konnt er sich nie befreunden. Denn seinem klaren Sinne mußt' es wohl einleuchten, wie Alles, was werden soll, in einem, was war und ist, alles fortschreitende Neue in einem Alten wurzelt, wie nichts nichtiger und verderblicher sei, als die Gegenwart gleichsam abzuschneiden von der Vergans genheit, und die neue Zeit nur in die Luft zu bauen. JoJephs Unglück hatte ihm Mäßigung und Weisheit gelehrt in allem, was umgestaltet, verbessert werden soll; und zum Zeugniß, daß ein edler Wille durch menschliche Irra thumer nicht gänzlich verdunkelt werden kann, daß, unter der Leitung der Vorsehung, selbst die verfehlten Bemühuns gen einer hohen Seele nicht gänzlich verlohren sind, wirkt Josephs Gesinnung, das Unvergänglichste seines Ler bens, nachdem sie die lauternde Prüfung bestanden, in der Gesinnung seines glücklichern Neffen gesegneter fort, im Wesentlichen noch immer auf dasselbe würdige Ziel ges richtet, das jener erstrebte. Die beharrliche Gesinnung hat über die veränderliche Meinung triumphirt; auf eine bewährte Gesinnung gründet Kaiser Franz alle Staatss weisheit, und richtet die Ansichten und Ideen der Zeit nur nach jener, die erst wahrhaft über ihren Werth entscheis det. Treu und bieder, recht ein deutscher Mann, ohn' Argwohn, ohne Falsch, ohne Hoffarth, will und fördert er beharrlich das Gute, und ist so, erhaben über Mißdeus tung, der Gegenstand allgemeiner Verehrung im ganzen Vaterland einzig durch sich selbst geworden, und der aufrichtigsten Huldigung, die sich so klar und einmüthig in dem lauten Wunsch aussprach, daß er die deutsche Kaiserkrone seinem würdigen Haupte wieder aufsehen möge. und obwohl dieser Wunsch nicht erfüllt ward, ist er doch nicht fremder geworden dem deutschen Volke, und so be wábrt in seiner Gesinnung, daß diese, so weit sie die Staatskunst Desterreichs durchdringt, uns eine Bürgschaft ist für die volks- und zeitgemäße Verfassung, die tommen soll, und für das wahre Wohl Deutschlands, .so weit es von menschlicher Veranstaltung abhängig ist.

So erscheint der Erfte in der Reihe der Zeitgenossen, Kaiser Franz, und das nachfolgende Bild feines Lebens wird die öffentliche Meinung von ihm nur bestätigen, fester begründen und aufhellen. K

Es ist verdienstlich, einem Jahrhunderte, welches den Thron als einen Sig der Willkühr, und die Herrschaft als eine Sache des Genusses und der Leidenschaft Fennen gelernt, das Bild eines wahren Herrn und Fürsten vorzuhalten. Zwar sind die Eigenschaften des Vaters und Hauswirthes einer großen Völkerfamilie, wie alle häuslichen Tugenden, von einer gewissen, Ehrfurcht gebietenden Scheu vor der Deffentlichkeit und Ruhmredigkeit unzertrennlich. Jedoch wenn die Zeiten erhebender Beispiele bedürfen, und eine allgemeine Waffenruhe die Betrach tung wahrhast sittlicher und menschlicher Gegenstände gestattet, so ist es gerade die Art der stillen Größe dieses Monarchen, welche die Beschreibung erträgt, weil sie derfelben nicht bedarf und durch sie nicht entstellt noch entHeiligt werden kann. An einem Herrn, der drei und zwanzig mühselige, arbeits- und leidenvolle Jahre hindurch, außer dem Glücke seiner Völker und der Beruhigung von Europa, in dessen Gesamtverhängniß unter allen Zeitge= nossen seine Person und sein Leben am meisten verflochten war, nur Gewissen, Gefeß und Gott vor Augen hatte, möchte wohl die beschränkte Kunst der Rede und der Schmeichelei ihre Rechte verloren haben. Demnach ist es nicht nur nüglich, sondern auch erlaubt, daß man bei seiz nem Leben und unter seinen Augen der Welt zu sagen verz sucht, wer er sei.

Der Beherrscher eines Volks kann außer demselben stehn, es als sein Werkzeug behandeln; er kann auf der Höhe desselben thronen, von wo die Bedürfnisse, Leiden und Wünsche der Einzelnen in großen Massen erscheinen; der Kaiser Franz steht in der eigentlichen Mitte seiner Völker, allen den Seinigen durchaus verständlich, einfach in seiner Lebensweise, vorwurfsfrei in jeder sittlichen Beziehung, und so zugänglich für den Lehten und Ersten sei

nes Reichs, als unzugänglich für Günftlinge ober irgend eine anderweite Bestechung der Macht.

Durch die strengste Mäßigkeit und Ordnung hat er die nicht allzustarke körperliche Constitution so abgehärtet, daß fle der ununterbrochenen Arbeit des Cabinets*) eben so sehr, als allen Fatiguen des Krieges gewachsen ist, und eine lange Lebensdauer verspricht. Der Gebrauch des Weines und aller starken, nervenschwächenden Getränke ist ihm fremd. Die Geschäffte, insbesondere die Arbeiten der innern Verwaltung, sind sein Lebensgenuß, die Nas turwissenschaft und die praktische Landwirthschaft, in den wenigen Tagen des Jahres, wo er auf seinen Familiene herrschaften verweilen darf, seine einzige Berstreuung. Hier aber eben so wohl, als auf seinen Reisen und Feld zügen, wird die Bearbeitung der Staatsgeschäffte keinen Lag unterbrochen; sein Cabinet und seine Registratur folgt ihm überall hin: darin treffen die Antriebe des Ges wissens und der Neigung in dem Leben dieses frommen Fürsten überein, daß die besten Stunden jedes Tages seinen Unterthanen gehören müssen. Nach allen Marschen, die er in Frankreich an der Spite seiner Heere, oder in Begleitung seiner hohen Alliirten, immer zu Pferde, zurücklegte, nach einer oft acht-, zehn-, auch zwölfftündigen Fatigue, unter allen Unannehmlichkeiten der Jahreszeit, trat unmittelbar nach gehaltenem, frugalen Mahle, die Arbeit des Cabinets und die Berichtigung der laufenden Staatsgeschäffte ein, und wurde bis in die einbrechende Nacht fortgesezt. Die Abwesenheit des Kaisers aus' seis

*) In den öffentlichen Nudienzen zu Wien hört und beantwor tet er wöchentlich, acht bis neun Stunden hinter einander stehend, die Klagen und Bitten von Hunderten seiner Unterthanen. Bürger der Stadt Wien, Generale, hohe Staatsbeamte, Bauern aus den Provinzen, arme Witwen, Kaufs Lente, Personen aus allen Stånden rücken nach der Reihe der Ankunft in das Audienzzimmer des Kaisers vor. Jeder Bedürftige kehrt getröstet und beruhigt zurück. Der Kaiser hat ihn aufmerksam über alle Umstånde befragt, sich an Vie les erinnert, in der Sprache eines jeden ermahnt, belehrt, aufgerichtet. Die Berfassung kann er dem Bittenden zu ges fallen nicht åndern, aber seine Privatschatulle steht dem Leke benden offen, und mehr als das, jeder nimmt das erhebende Gefühl der Vorsorge eines Herrn und Freundes mit sich nach Hause,

ner Hauptstadt oder seinen Staaten verändert in dem Gange der Verwaltung nichts: Courierverbindungen sind fo regelmäßig eingeleitet, daß auch in den meisten Fallen der Zeitverlust eingebracht wird.

Ohne die feierliche Repräsentation zu lieben, weiß er fich ihr mit Leichtigkeit, wo es nothwendig ist, zu unters werfen. An einem der glänzendsten Höfe von Europa erscheint das Haupt der ersten Familie, der vornehmste Mann seiner Zeit, schlicht, doch ehrfurchtgebietend, so daß jeder, der ihn nie sah, in ihm den Kaiser, noch mehr aber den ersten Bürger, den ersten Landwirth seines Reichs erkennt. Ohne die Ziererei fürstlicher Herablassung mischt er sich gern, wo es die Gelegenheit mit sich bringt, unter feine Unterthanen, gefällt sich als Bürger seiner Haupts stadt dem Lehten der Mitbürger auszuweichen, oder in der Reihe der Spazierenfahrenden nachzufolgen, wo es die Ordnung der Stadt vorschreibt; wie es überhaupt seine eigentlich herzlichste Freude ist, sich dem Geset, bis auf die legte polizeiliche Vorschrift herab, zu unterwerfen.

Auf seinen Reisen und Feldzügen führt er, wo es ans geht, ein bedeutendes Gefolge mit sich. Es ist nicht Lus rus, wie der Anblick zeigt; es ist das Bedürfniß, ein Hauswesen, eine Familie der Seinigen um sich zu haben, für die er bis auf die kleinsten Bedürfnisse herab sorgt, die in Freundes und Feindes Land gleich gern gesehen werden. Frankfurt und Heidelberg vergessen es nicht, wie sie den Herrn von Desterreich in der anspruchlosen Hoheit eines deutschen Edelmannes und Hauswirthes in ihrer Mitte ges sehen haben.

Bertraut mit den verschiedenen Landessprachen seiner Monarchie, liebt er dennoch die deutsche vor allen andern, fogar vor seiner zweiten Muttersprache, der italienischen. Er spricht sie mit Vorliebe in dem Dialekt seiner Gebirge und seiner Hauptstadt, in den eigenthümlichen Tönen und Wendungen, welche den Charakter des Volks ihm, wie ihn seinem Volke immer gegenwärtig erhalten. Andrerfeits schreibt und dictirt er sie mit einer Correctheit, Deuts lichkeit, Kürze und Prácision, die unter den deutschen Geschafftsmännern selten ist, während er jeden Verstof nes gen die Reinheit der Sprache in den Berichten seiner Be Hörden bemerkt und rügt.

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