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gesichtspunkt zu betrachten wie etwa heutige gelegenheitsdichtungen ähnlicher art. Eigene erlebnisse und erfahrungen, die ja keineswegs besonders ungewöhnlich sind, liegen zu grunde, und mit ihrer darstellung sind allerhand anspielungen auf die umgebung, auf politische und litterarische verhältnisse verbunden. Am ausführlichsten und wichtigsten ist der abschnitt über die beziehungen der trilogie zu zeitgenössischen dichtungen; es werden eine ganze anzahl von stellen zusammengebracht, die in bezug auf stil und charakteristik einzelner figuren abhängigkeit von Nash's, Hall's und Marston's werken erweisen. Nur ist nicht recht ersichtlich, warum der verfasser nicht schon hier auch das ihm aus Sarrazin's forschungen wohl bekannte nahe verhältnis zu Kyd behandelt hat; es findet seine stelle erst ganz kurz im nächsten abschnitt, »Die litterarische bildung des Parnassusdichters<<, der inhaltlich eng zu dem vorigen hinzugehört. Leider beschränkt sich der verfasser hier auf die klarstellung der beziehungen zu englischen autoren, während er die citate aus den schriftstellern des altertums und die anspielungen auf diese nicht mit in den kreis seiner betrachtungen zieht, meines erachtens mit unrecht, denn solch eine untersuchung hätte gewiss noch ein schärferes licht auf die bildung des verfassers und die ausdehnung seiner akademischen studien geworfen. Wer dieser verfasser gewesen ist, lässt sich auf grund des bisher bekannten materials kaum entscheiden. Die mehrfach verteidigte ansicht, es sei John Day, ist vor der hand noch nicht bewiesen, und ein sehr gewichtiger einwand gegen sie ist die sprache der spiele, die nach Lühr's untersuchungen im anhange zu seinem buche nord englisch ist. Der schlussabschnitt: »Die Parnassusspiele, ein spiegel ihrer zeit«, enthält eine kurze allgemeine charakteristik der trilogie und der in ihr auftretenden typischen personen.

Unter der

Zum schluss noch ein paar kurze bemerkungen. litteratur über den gegenstand vermisst man die kenntnis von Small's wichtiger schrift The Stage-Quarrel between Ben Jonson and the so-called Poetasters (Kölbing's Forschungen z. engl. spr. u. litt. I, 1899), die sich über die Parnassus-spiele in der umfänglichen anmerkung s. 133/34 äussert, deren feststellungen und ausführungen an mehreren stellen hätten berücksichtigt oder wenigstens erwähnt werden sollen, so etwa bei der datierung von Marston's What you will (s. 52), bei besprechung der Furor Poeticus-Marlowehypothese Sarrazin's, neben der auch die von Small a. a. o. ge

streifte Furor-Marston-hypothese Fleay's zu nennen war, und anderwärts. Könnten nicht die »hirkanischen tiger«, für die Lühr (s. 61) mit Sarrazin auf Marlowe's Dido verweist, auf die Vergil'schen Hyrcanae tigres (Aen. IV 367) unmittelbar zurückgehen? Diese Frage hätte vielleicht auch die oben vermisste übersicht über die klassischen reminiscenzen glatt gelöst. S. 62. Dass Shakespeare wesentlich nur als epischer dichter gekannt und geschätzt wird, ist kaum auffällig; das war doch zu seiner zeit, vor allem in den kreisen, die sich gelehrter bildung rühmten, das gewöhnliche. Druckfehler sind nicht eben selten.

Breslau.

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H. Jantzen.

W. Vollhardt, Die beziehungen des Sommernachtstraums « zum italienischen schäferdrama. Beilage zum jahresbericht der II. realschule zu Leipzig. Ostern 1899. 32 ss. gr. 8°.

In überaus anschaulicher weise behandelt der verfasser im ersten kapitel (s. 1—6 incl.) den bisherigen stand der quellenfrage und die charakteristischen züge des Sommernachtstraums. Es geht daraus hervor, dass auch gelehrte wie K. Elze und ten Brink zu keinem endgültigen ergebnis gekommen sind. Sie haben auf Chaucer (Palamon und Arcite), das schäferdrama und die maskenspiele hingewiesen. Auf das aus der ekloge hervorgegangene italienische pastoraldrama weist nun Vollhardt an erster stelle hin (s. 6-9 incl.) und vergleicht den Sommernachtstraum mit einzelnen schäferdramen (s. 10 flg.).

An die spitze stellt er Alvise Pasqualigos Gl'Intricati (Die in verwickelungen geratenen), die 1581 in Venedig erschienen sind. Wegen einiger recht auffälliger übereinstimmungen im inhalt mit dem englischen lustspiel scheint allerdings die ansicht, Shakespeare habe dieses drama im original oder in einer übersetzung gekannt, nicht allzu gewagt. Jedenfalls kommt es stofflich dem Sommernachtstraum näher als irgend eine bisher als quelle bezeichnete dichtung (vgl. die analyse s. 11-13 incl.). Es ist wirklich ein drama, das den namen » Sommernachtstraum führen könnte.

Verwandten inhalts, aber späteren datums ist die Favola bosca reccia Califfa des Fr. Partini. Ein verwandtes thema behandeln auch Ranieri Tottis Gli Amanti Furiosi (1597). Andere schäferdramen oder doch solche stücke, die sich der egloga rusticale nähern, enthalten wieder andere dem Shakespeare'schen stück charakte

ristischen züge. Während aber hier das hauptaugenmerk auf das liebesleben der »tollen sterblichen« gerichtet war, wirken zweitens die personifizierten naturmächte in dem zwist Oberon's und Titania's (kap. IV s. 17-32). Dieses vierte kapitel ist aus einem vortrage hervorgegangen, den der verfasser auf der 44. versammlung deutscher philologen und schulmänner zu Dresden gehalten hat.

Der verfasser fasst schliesslich die ergebnisse seiner arbeit in folgende drei punkte zusammen:

1. Der streit Oberon's und Titania's ist eigentlich ein zwist der sonnen- und mondgottheit wegen der ungünstigen konstellation ihrer gestirne zu einander und zur erde und ist vielleicht durch Nash's Summer's last Will angeregt worden.

2. Damit verschmolzen ist das aus Lyly's Endymion entlehnte motiv des streites zweier gottheiten um einen geliebten knaben. 3. Dieser so erweiterte gegenstand ist nach art eines zwischenspiels in eine dichtung pastoralen charakters, die Intricati, wie wir annehmen, eingeschoben und mit ihm zu einem einheitlichen ganzen verwebt worden.

Doberan i. M.

O. Glöde.

Shakespeare's Tempest, nach der folio von 1623 mit den varianten der andern folios und einer einleitung herausgegeben von Albrecht Wagner. (6. band der Englischen textbibliothek, herausgegeben von J. Hoops.) XXV + 108 ss. Berlin, E. Felber, 1900. Preis M. 2,00.

In drei abschnitten: 'Entstehungszeit', 'Litterarische einflüsse, Überarbeitungen und fortsetzungen von Shakespeare's Tempest', wird in der einleitung das in litterargeschichtlicher hinsicht über den text wissenswerte mitgeteilt und das urteil der neuesten forscher (R. Garnett, Brandes) über entstehungsart und sinn des stückes kritisch beleuchtet. Der vierte abschnitt der einleitung: 'Der vorliegende text' legt die prinzipien dar, die für den herausgeber bei der herstellung der ausgabe massgebend waren. Er hat die erste folio genau abgedruckt und mit den andern drei folios verglichen. Die resultate dieser mühsamen arbeit giebt er mit peinlicher gewissenhaftigkeit unter dem text, so dass jede seite durchschnittlich etwa 7 zeilen varianten aufweist. Man kann nicht umhin, den fleiss und die ausdauer des herausgebers zu bewundern, doch

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scheint mir fraglich, ob das ergebniss der aufgewendeten zeit und mühe entspricht. Der variantenapparat enthält vielfach nur andre schreibungen, die für den Shakespeare'schen text und seine interpretation gleichgültig sind. Was liegt daran, ob wir wissen, dass sayd in F, für said in F1 steht (s. 8), dass Fg parallell für paralell der F1 schreibt (s. 9), dass closeness in F1 ersetzt wird durch closenesse in F (s. 9), dass in F2 clowdes für clowds in F, (s. 15) geschrieben wird? In seinem streben nach vollständigkeit (auch interpunktionsunterschiede der späteren ausgaben werden verzeichnet) scheint mir der herausgeber den endzweck etwas ausser auge verloren zu haben Die erste folio ist voller versehen und im allgemeinen eine sehr mangelhafte ausgabe, und die übrigen folios haben keinen vorzug vor ihr. Wer sich mit dem elisabethanischen druckverfahren bekannt gemacht hat (man lese hierüber Van Dam und Stoffel, W. Shakespeare's Prosody and text cap. VIII), kann und wird sich auch nicht wundern, dass es so ist. Eine auch nur annähernd einheitliche orthographie gab es im 16. und in der ersten hälfte des 17. jahrhunderts nicht; 'the taste and fancy of the speller' hatte noch einen sehr weiten spielraum, und dazu kam, dass der autor mit dem drucke seines werkes häufig gar nichts zu thun hatte. Die druckbogen wurden von einem korrektor durchgesehen, der ebenso wie der setzer die autorität des manuskripts in vielen dingen (interpunktion, orthographie) nicht anerkannte und eigenmächtige änderungen vornahm. Es waren also fehlerquellen gegeben, die zu verfolgen man gar nicht in der lage ist. Jedenfalls hat man immer mit der möglichkeit, wenn nicht mit der wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass in einem text aus der ersten hälfte des 17. jahrhunderts, über dessen drucklegung man nicht unterrichtet ist, die orthographie und interpunktion des autors nicht zum ausdruck kommen, und deshalb haben diese dinge verhältnismässig geringen wert im vorliegenden falle. Einige verderbte stellen der F, werden durch die späteren folios richtig gestellt; aber was letztere in dieser hinsicht zu bessern vermögen, sieht auch der moderne leser. Auf der andern seite werden durch die späteren ausgaben auch wieder versehen eingeschleppt. Das licht, das sie auf die ursprüngliche textgestalt werfen, ist äusserst gering. Das moment der leichten und raschen übersicht des variantenapparats, der knappheit und praktischen verwertbarkeit desselben sollte in einer textausgabe für studierende immer im auge behalten werden. Die hauptsache bleibt immer

der text selbst, und in der mangelhaften gestalt der folio giebt er dem anfänger genug stoff zu philologischer bethätigung. Man kann es nur billigen, wenn der herausgeber unnütze konjekturen zu dunklen stellen nicht aufgenommen hat. Er legte sich diese beschränkung auf, um den kritischen apparat nicht zu komplizieren. Aber ich glaube, er hätte auch eine menge der varianten der übrigen folios, unbeschadet der güte seiner arbeit, auslassen können. Es ist entschieden enttäuschend, oft in den variantenapparat zu schauen und dort vielfach nichts zu finden als belanglose schreibungen. Indessen ist die arbeit, die Wagner in der variantenzusammenstellung geliefert hat, nicht ohne wert. Und deshalb muss auch das zuviel, das er bietet, mit dank anerkannt werden. An der hand desselben kann der student bequem verfolgen, wie die orthographie allmählich die feste gestalt angenommen hat, die das moderne Englisch aufweist. F4 ist in dieser beziehung besonders instruktiv. Von einzelheiten abgesehen tritt hier dem leser die sprache ungefähr in der modernen gewandung entgegen. Wichtiger als dieses ist, zu konstatieren, wie die formen, die ausdrucksmittel grammatischer beziehung, syntaktische und phraseologische gebilde, der wortschatz sich im laufe des 17. jahrhunderts geändert haben. Die entwicklung der sprache ist in jener zeit eine sehr rasche, und es wäre eine recht dankbare aufgabe, wenn die menge der verschiebungen, die sich damals vollzogen, im zusammenhang dargestellt würden. Eine vergleichung der verschiedenen folios untereinander würde auf die hauptetappen der entwicklung hinweisen. Die modernisierungen, die sich hier finden, sind ja keineswegs konsequent, aber sie geben doch eine spur und deuten auf die wesentlichsten erscheinungen hin, die an der hand weiteren materials leicht definitiv festgestellt werden könnten. Wenn der Wagner'sche Shakespeare-text hierzu den ausgangspunkt geben sollte, so würde das plus des variantenapparats sich in werte umsetzen, die die zukunft zwar erst abschätzen könnte, die aber jedenfalls für die sprachgeschichte nicht unbedeutend sein würden. Deshalb will ich auch mit dem herausgeber weiter nicht über die prinzipien der einrichtung des kritischen apparates rechten. Es ist jedenfalls sehr erfreulich, dass ein Shakespeare-text in der originalen form vorliegt, der für jedermann erreichbar ist. Er präsentiert sich in einem klaren, sauberen druck und ist nach den stichproben, die ich angestellt habe, mit einer peinlichen sorgfalt und genauigkeit reproduziert, so dass er das original zuverlässig

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