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s. VII); eine darstellung der sprachlichen verhältnisse behält sich der verfasser noch vor. Er will hauptsächlich neue einzelergebnisse bieten, weniger eine zusammenhängende darstellung. Sehen wir also kurz, was uns Keller hier bringt.

Mit recht betont der verfasser zu beginn seiner arbeit, dass es für den anglisten nicht ganz uninteressant sein dürfte, die geistige entwicklung eines der bedeutendsten englischen klöster zu verfolgen, wenn es auch nicht mit St. Gallen auf eine stufe gestellt werden könne. Da für die ältere zeit alle nachrichten fehlen, muss sich die darstellung auf das 10. und 11. jahrhundert beschränken.

Die bedeutung Worcesters für das angelsächsische schrifttum beginnt unter dem bekannten bischofe Wærferth (872-915), der Alfreds des Grossen freund und berater war, obgleich er in der berühmten vorrede zu dessen 'Cura Pastoralis' nicht als solcher neben den anderen erwähnt wird, und zu dessen übersetzung der gregorischen dialoge der könig selbst das vorwort geschrieben hat. Zu der eigenartigen vorrede der Cottonschen handschrift, in der bekanntlich ein bischof Wulfstan erwähnt wird, den man bisher nicht hat unterbringen können, bringt Keller seine erste prüfende erörterung; sie müsse älter sein als die hs. selbst, rühre vielleicht von Wærferth selber her. Schade nur, dass er seiner wörtlichen übersetzung nicht den altenglischen wortlaut gegenüberstellt, sondern uns dafür auf den Krebsschen abdruck im 3. bande der 'Anglia' (s. 70 f.) verweist! Dass bysene hier 'auftrag' bedeuten kann, und dass dadurch guter sinn zu stande kommt, will ich gelten lassen; Keller darf aber nicht die bedeutung von bysene als boc so rundweg absprechen (s. 6); Pogatscher hat in seiner besprechung von Sweets "The Student's Dictionary of Anglo-Saxon" im »Anzeiger für deutsches altertum« 25, s. 3 ob. (nicht s. 30, wie es in meiner Syntax II, s. 326, z. 7 irrtümlich heisst) bemängelt, dass Sweet bei bisn die bedeutung 'befehl' gar nicht verzeichnet, und gefragt (s. 2 u.): Hat dieses wort diese bedeutung im Ae. auch ausserhalb der Genesis B?« Weiter heisst es da: >> Keller nimmt sie in seiner dissertation 'Zur litteratur und sprache von Worcester' s. 7 für Dial. Greg. Angl. 3, 71, 16 rundweg an, ohne sie zu stützen, leugnet dagegen, sich auf Wülker berufend, dass bysen als synonym von bōc gebraucht werden könne. Darum hier einige belege für bysen als vorlage zum abschreiben nach lat. exemplum, exemplar: Cur. Past. 8, 15 (vgl.

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dazu jetzt meine Syntax II 326, z. 5); Ælfric, Vorrede zur Genesis ed. Grein, 24, 31; Vorrede zur gramm. 3, 21; Hom. I 8; Ormulum, dedic. 100.<< Nach diesen angaben Pogatschers ist doch die bedeutung »vorlage, abschrift, buch« verhältnismässig reichlich belegt, die andere aber (»auftrag«) sehr knapp. Für 'Wulfstan' will Keller Wærferd' einsetzen und jenes als Denkfehler erklären, so wie in des Senatus » Vita Oswaldi einmal Wistanum' für 'Wilfridum' steht; undenkbar und unmöglich ist diese annahme ja nicht, aber doch recht gewagt.

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Dann schildert Keller in knapper, geschickter form die förderung, die den wissenschaften durch die bemühungen der folgenden bischöfe von Worcester zu teil wurde, des Cynewold (929-957), der St. Gallen besuchte und von dort gewiss reiche anregungen mitbrachte, des Dunstan (957-959) und des Oswald (959-992), die sich durch die einführung der von den Floriazensern neu belebten Benediktinerregel und durch gründung kleinerer klöster sehr verdient machten und gelehrige und eifrige schüler hatten (z. b. By rhtferth). Unter Oswald, meint der verfasser, sei auch wahrscheinlich die Benediktinerregel in der hs. 178 des Corpus Christi College zu Cambridge geschrieben worden.

Keller wendet sich dann (s. 21) zu der worcesterischen fassung der angelsächsischen chronik und stellt s. 22-31 diejenigen eintragungen zusammen, die in der hss.gruppe S der chronik (A, B, C) fehlen, auch nicht aus Beda stammen, aber in N (D [Worcester], E, F) bei den jahren 705-806 und 905-966 enthalten sind. Auch hier vermisse ich den altenglischen wortlaut neben Kellers deutscher übersetzung. Keller kommt zu dem ergebnis (s. 36), »dass keiner der Teile, durch die sich D von A, B und C bis zum jahre 966 unterscheidet, nach Worcester weist«.

Auf s. 38 stellt der verfasser das beim jahre 959 stehende gedicht auf den regierungsantritt Eadgars dem schlusse des dem Ælfric zugeschriebenen metrischen auszuges aus dem buche der richter gegenüber, woraus einige auffällige anklänge ersichtlich werden.

Keller wendet sich dann zur amtszeit des ersten Wulfstans, der von 1002-1023 den Worcesterer bischofsstuhl (wie seine vorgänger Oswald und Aldulf [992—1002] gleichzeitig mit dem erzbischofamte von York) innehatte, und bespricht kurz dessen echte predigten, verweist auch in einer anmerkung auf eine

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amerikanische doktorschrift (J. P. Kinard, A Study of Wulfstan's Homilies, John Hopkins Univ.-diss., Baltimore 1897), in der noch weitere acht als die von Napier erwiesenen predigten als echt Wulfstanisch angesprochen werden. Auch unter den folgenden Worcesterer bischöfen, Leofsige (von 1023-1033), Brihteh (1033-1038), Lyfing (1038-1047), Aldred (1047-1061), wurde durch derer reisen und vielseitige beziehungen zum auslande manche geistige anregung für die litterarischen bestrebungen der Hwiccier-stadt Worcester gegeben. S. 53 ff. erweist Keller durch kurze angabe und erläuterung der auf Worcester und seine nächste umgebung bezüglichen stellen der Chronik D aus den jahren 1033-1078, dass diese fassung ziemlich sicher aus Worcester stammt. Wir sahen vorher, dass Keller dem ersten teile, der etwa bis zum jahre 966 geht, die herkunft aus Worcester abspricht. Beide behauptungen hat Keller wohl begründet. Doch darf man auf den versprochenen zweiten, sprachlichen teil der arbeit gespannt sein, der diese angaben dann noch stützen müsste.

Aldreds nachfolger wurde der zweite Wulfstan (1061—1095), der bisherige prior des klosters, der freund des herzogs Harold, durch seinen heiligen lebenswandel gegenstand der innigen verehrung vieler, besonders auch der Lady Godiva. Unter ihm, der selbst, wie sein gleichnamiger vorgänger im amte, ein eifriger und erfolgreicher prediger war, wurden viele ältere predigten gesammelt und abgeschrieben, und entwickelte sich überhaupt ein reiches schriftstellerisches leben in Worcester, schrieb namentlich der bekannte Florenz seine lateinische chronik, Colman seine lebensbeschreibung des bischofs, die leider verloren gegangen ist. Hier giebt Keller auch eine ausführliche und eingehende beschreibung der auf Wulfstans veranlassung vom subprior Hemming verfassten listen über den besitzstand des klosters und über die »ländereien, die den mönchen zur nutzniessung gehörten < (s. 77-83), sowie auch der handschrift 'Cotton Tiberius A 13', in der diese enthalten sind (s. 83-85).

Der verfasser streift dann noch kurz die thätigkeit von Wulfstans schüler Nikolaus, der 1113-1124 prior des klosters war, betont, dass unter den bischöfen Samson und Tiulf, den ersten nachfolgern Wulfstans, die alten geistigen überlieferungen von Worcester nicht verloren gingen, und schliesst mit einem ausblick

auf Lazamon, der bald nachher nicht weit von Worcester den Engländern eine neue gedankenwelt eröffnete.

In einem kurzen anhange berichtet Keller über einen brief des Worcesterer bischofes Milred (745-775) an des Bonifaz nachfolger Lul in Mainz aus dem jahre 755, der das erste litterarische lebenszeichen aus Worcester ist, sagt noch einige ergänzende worte zu seiner vermutung, dass Wærferth der verfasser des geleitwortes zu der übersetzung der gregorischen dialoge sei, giebt aber hier doch auch zu (vgl. vorher s. 422 u.), dass bysen bōc bedeuten kann, und bringt auf sieben seiten die untersuchung, welche stellen der chronik-handschrift D der Florenz zu seinen nicht dem Marianus Scotus entnommenen einträgen benutzt haben könnte. Ein ausführliches namen- und sachverzeichnis schliesst das buch.

Folgende druckfehler sind mir aufgefallen:

S. 15 z. 9 v. u. lies liess' statt 'lies'.

S. 15 z. 4 v. u. was bedeutet die abkürzung 'gen.': »wohl ohne gen.

grund << ?

S. 16 z. 1 lies hat' statt habe'; wenigstens ist nicht ersichtlich, wovon ein konjunktiv abhängen sollte.

S. 17 z. 15 «

S. 51 z. 2

S. 73 z. 15

»in seinem Handbôc« statt »in seiner Handbôc«, denn man sagt doch auch z. b. nicht » die Domesdaybook, sondern das D.«, trotz dem ja allerdings weiblichen geschlechte des altenglischen wortes.

«'alten' statt "altem'.

«

'den grundstock seines Appendix' statt 'seiner; mir ist wenigstens nur der Appendix' geläufig.

S. 91 z. 11 « 'geschwunden'.

S. 31 z. 12 sagt Keller: »Man könnte nun aus den annalen die einzelnen komponenden zu abstrahieren suchen, indem man die berichte nach dem ort . . . anzuordnen sucht.<< Der sinn ist ja verständlich, obgleich nach dem überreichen Heyseschen fremdwörterbuche 'Componende' nur die bedeutungen »die sportelbestimmung und -berichtigung, päpstliche sportelkammer hat. Oder ob es druckfehler statt »komponenten« ist, des in der mechanik geläufigen wortes? Fremd muten einen solche seltene fremdwörter stets an, und ich meine » die bestandteile auslösen« wäre hier deutlicher gewesen.

Kellers arbeit giebt ein sehr deutliches und überaus anregendes bild von den schriftstellerischen bestrebungen in Worcester im 10. und 11. jahrhundert und zeichnet sich durch geschickte und übersichtliche darstellung sehr vorteilhaft aus. Es

wäre zu wünschen, dass sie zu anderen, ähnlichen einzelschriften anregte. Hoffentlich aber folgt ihr auch bald der sprachliche ergänzungsband.

Bonn, 30. März 1901.

J. Ernst Wülfing.

Otto Brix, Über die englische übersetzung des Speculum humanae salvationis'. Berlin, Mayer & Müller, 1900. (Palaestra 7.) 125 SS. 8°.

Die englische übersetzung des im mittelalter weit verbreiteten lateinischen werkes ist i. j. 1888 von Alfred H. Huth nach einer in seinem privatbesitz befindlichen handschrift für den Roxburghe Club herausgegeben, während das lat. original dem Verfasser der vorliegenden arbeit in handschriften und alten drucken der berliner königl. bibliothek zur verfügung stand. Da der herausgeber der englischen übersetzung kein philologe war, ist sein abdruck nicht unbedingt zuverlässig, wie er selbst bemerkt, und nach Brix ist seine bescheidenheit durchaus gerechtfertigt. Dieser hat den mut besessen, Huth's ausgabe, die nur in einer auflage von 75 exemplaren gedruckt, also nicht viel besser zugängig ist als das original, zum gegenstand einer sehr ausführlichen untersuchung zu machen. So weist er in nicht weniger als 64 seiten die abweichungen, als da sind zusätze und auslassungen, grammatische und stilistische änderungen, der im ganzen doch getreuen und auf jede originalität verzichtenden übersetzung nach.

Verfasser des lateinischen originals und der englischen übersetzung sind beide unbekannt; ersteres wird in den anfang des 14. jahrhunderts gesetzt (vor 1324), und für letztere bietet nur die jahreszahl 1549 in einer notiz des Huth-ms. einen dürftigen anhalt. Das original ist in paarweise gereimten langzeilen geschrieben und erfreut sich einer eigenartig abgezirkelten anlage: auf ein >prohemium<< von genau 300 versen folgen 42 kapitel von je 100 und 3 schlusskapitel zu je 7 hymnen mit je 26 versen. Jedes einzelne kapitel des hauptteils enthält einen vorgang aus der heilsgeschichte, beleuchtet durch 3 ähnliche »historien«, zumal aus dem alten testamente. Der englische übersetzer wählte den alexandriner, wohl um den langzeilen des originals möglichst nahezukommen. Seine verse sind eintönig und ohne übergrosse rücksicht auf die natürliche betonung, aber seine reime sind einigermassen rein,

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