Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

Er hatte Zeit gehabt, sich achtsam zu beschauen;
Und nahm, noch mehr gereizt durch kühnen Widers

stand,

Halb scherzhaft, halb verliebt, Selinden bey der

Hand.

Wie ists nun? fing er an; o Blume junger Schd:
nen!

Wird Ihre Zärtlichkeit bald meine Treue krönen?
Ich kann Sie nicht verstehn; nein, meine Königin!
Und wissen Sie, im Ernst, daß ich verdrießlich

bin?

Mich dünkt, ich liebe Sie schon volle hundert Jahre:
Verschieben Sie mein Glück auf meine grauen
Haare?

Sie lieben mich ja doch; das ist so offenbar,

Wie? unterbrach sie ihn; Sie halten das für klar?
Für klar? o für gewiß! Sie werden mir erlauben,
Erwiedert Selimor, wie kann ichs anders glauben?
Man weiß sich liebenswerth, man liebr, man wird
geliebt:

Was ist hier wunderbars, das Recht zu zweifeln
giebt.

Ich årgre mich halb todt bei Ihrem Widerstreben!
Wie lange zögern Sie, sich rühmlich zu ergeben?
Fort, machen Sie geschwind! beschwören Sie den
Bund;

Und weil Ihr Herz mich liebt, so sage mirs Ihr
Mund!

Vor einem Selimor muß Troß und Härte bres

chen:

Ihm, der so dreiste hoft, kann jemand widerspres

chen?

Wie glücklich wart ihr einst, ihr Schönen alter Zeit!
Die Ehrfurcht eurer Welt war eure Sicherheit.
Nur jähriger Bestand hieß åchter Liebe Zeichen:
Man wollte seinen Sieg verdienen, nicht erschleis

chen.

Da hatte die Vernunft zur Ueberlegung Raum;

Nun

[ocr errors][merged small][merged small][ocr errors]

Nun wird sie überrascht; die Schöne fasst sich kaum.
Man buhlt nicht um ihr Herz; man schmeichelt ihren
Sinnen:

Und nichts kann leichter seyn als diese zu gewinnen!
Wie glänzt ein junger Herr! er ist voll Ungeduld:
Und wenn die Sprdde säumt, ertroßt er ihre Huld.
Selinde wankte schon, wie unter starken Streichen,
Bon scharfer Art bestürmt, die prächtigste der Eis
chen

Auf alle Seiten droht und hin und wieder winkt,
Bis ihr bemooster Stamm mit Prasseln splitternd
Finft.

Doch fiel die Schöne nicht, für die ihr Schußgeist

tåmpfte,

Der stets durch kalten Stolz der Liebe Regung dåmpfte :

Als einer Kutsche Lärm, die durch die Straße flog
Und vor dem Garten hielt, sie schnell ans Fenster
zog.

Ihr Herze schlug sogleich vom weiblichen Verlangen;
Ihr funkelnd Auge blieb an diesem Anblick hangen:
Entzückt vertheilte sich der Blicke schneller Blizz

Auf Wagen, Roß und Mann, bis auf den Kutscher:
fit.

Bewundernd rief sie aus: der allerliebste Wagen!

Und wem gehört er wohl? Sie können mirs nicht
sagen?

Mir selbst, sprach Selimor mit ernster Majestät:
Die Unterkehle schien hochmüthig aufgebläht.
Wie aber? fuhr er fort, mein Kutscher, glaub ich,
traumet,

Der nun so zeitig kömmt, sonst immer sich versåus

met.

Ich soll von Ihnen gehn? von Ihnen, göttlich
Kind?

Und ehe, toller Streich! wir vollends richtig sind?
Nein! das geschehe nicht! ich laß es nicht geschehen:
Ich schwöre bei der Uhr, die sie hier glänzen sehen,
(Er legt sie auf den Tisch), und ich vor kurzer Zeit
Aus London mit gebracht, nicht ohne vieler Neid.

[ocr errors]

Es hatte sie ein Lord bei Sweerts bestellen lassen:
Ich kaufte sie ihm aus; der Junker musste passen.
Bis dieser Zeiger hier auf zwo Minuten schleicht,
Ergebe sich Ihr Herz, das doch vergebens weicht!

Er schweigt: Selinde steht noch immer unents
schlossen:

Noch hångt ihr starrer Blick an jenen edlen Rossen.
Sie machen ihren Herrn der Schönen doppelt lieb,
Der sein verdientes Glück nun muthiger betrieb.
Der Schußgeist musste selbst dem Vorwitz unters

liegen,

Und schlich dem Fenster zu, die Neugier zu vergnús
gen.

Der leicht gesinnte Geist! raubt einer Kutsche Puß,
Ein Pferd, ein schöner Tand, Selinden seinen
Schutz?

Durch keine Zeichen ward sein taubes Herz beweget.
Der Schooßhund hatte sich aufs Canapee geleget.
Nun fuhr er bellend auf, verließ die sanfte Ruh,
Und sprang mit regem Schweif Selinden ångstlich

zu.

Es prangte der Camin mit glänzenden Pagoden:
Sie bebten ungeregt und stürzten auf den Boden.
Umsonst! der Schußgeist stund und sah und hörte
nicht:

Bewundrung überzog sein lächelnd Angesicht.

Indessen hatte sie bei diesem kurzen Schweis

gen,

Des frohen Siegers Reiz und artiges Bezeigen,
Sein Lachen, seinen Gang, des Kleides reiche
Pracht,

Der Kutsche Göttlichkeit noch einmal überdacht.
Erröthend sagt sie ihm: Sie haben überwunden!
Und reicht ihm ihre Hand, vom alten Stolz ents
bunden:

So viel Verdiensten kann mein Herz nicht widerz

stehn!

Ach!

[merged small][ocr errors]

Ach! möcht ich Ihre Glut in steter Flamme sehn!
Ihr dankte Selimor durch ungezählte Küsse,

Als Amor siegreich floh, und über Berg und Flüsse,
Hoch auf des Adlers Bahn, in grauer Dåmmes

rung

Und unter frischem Thau, sein feucht Gefieder schwung.

Nach Paphos trugen ihn die schnell bewegten Flü:
gel:

Die Wolluft brachte selbst ihn zum entlegnen Hügel,
Wo bei crystallner Flut, die heischer murmelnd lief,
Im tühlen Myrthenbusch der müde Gott entschlief.

[ocr errors]
[ocr errors]

v. Thummel.

Unstreitig das feinste, wißigste und unterhaltendste Ges dicht dieser Art, das mit eben dem Rechte, wie Pope's Lockenraub merum sal genannt zu werden verdient, haben wir. dem noch lebenden Sachsen - Koburgischen Geheimenrathe, Herrn Moriz August von Thummel, (geb. 1738.) zu danken. Seine Wilhelmine, ein prosaisch- komisches Gedicht in sechs Gesängen, ist seit 1764 dreimal vermehrt wieder aufgelegt, mehrmals nachgedruckt, und ins Frans sdfische, Holländische und Italienische übersezt worden. Ein gutherziger, aber pedantischer Landprediger verliebt fich in die Tochter eines Verwalters in seinem Dorfe, die schon eine Zeitlang als Kammermädchen am Hofe ges lebt, und von dem Hofmarschal besonders begünstigt wird. Bei diesem bewirbt er sich um sie; sie wird ihm ges währt, und die Hochzeit in feiner Pfarre vollzogen. Dieß einfache Subject hat der Dichter durch unerschöpflichen Wik, lachende Satire, anmuthvolle Dichtung, und lachens de Bilder, vornehmlich auch durch meisterhafte und in ihe rer Art unübertreffbare Vergleichungen, ungemein zu bes leben gewusst. Was ich hier daraus mittheile, ist die Bes schreibung der Hochzeitfeier, deren Veranstaltung der Hofs marschall übernommen hatte.

Wilhelmine; Ges. V.

Y. Thúmmel.

Der glücklich angelangte Magister fand seine bes rostete Pfarre zu einem Palaste verwandelt, als er Hinein trat. Ein Dußend Bediente seines gnådigen Ednners hatten in seiner Abwesenheit die herkulische Arbeit unternommen, Stuben und Kammern zu såus bern; und in der Küche herrschte ein ansehnlicher Koch, dessen eigensinnige Befehle tausend Geräthe verlangs ten, deren Namen noch nie in diesem Dorfe waren ges

hört

« PreviousContinue »