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in der glaubensneigung unter den völkern etwas unvertilgbares.

Götter, d. i. vervielfachung der einen, höchsten unerfafslichen gottheit sind nur als menschlich gestaltet zu fassen (s. 293) und himlische wohnungen gleich irdischen häusern werden ihnen beigelegt; doch etwas andres ist die scheu, das unermessene (die magnitudo coelestium) im bilde darzustellen und zwischen irdische wand zu zwängen. die gottheit wirklich abzubilden fällt rein unmöglich, darum hat bereits der decalog des AT. solche bilder untersagt, Ulfilas verdeutscht door durch galiug oder galiugagup: alle abbildungen des gottes sind lug und trug, und des christenthums erste jahrhunderte verabscheuten bilderdienst, der allmälich in der kirche wieder einrifs. die bildseulen griechischer götter giengen doch ursprünglich von heiligem typus aus, der nur vorschreitend weltlicher ward; die gemählde des mittelalters, später selbst Rafaels grofse seelenergreifende compositionen konnten, weil ihnen solcher typus gebrach, ihre gestalten blofs erdichten, wie die legende, aus der die künstler meistens schöpften, schon gedicht und sage war; diese mahlerei steht also unter den werken griechischer kunst, und im geiste des protestantismus sind die bilder aus den kirchen zu weisen. Wenn aber heidnische götter auf bergen und in heiligen wäldern gedacht wurden, so dürfen als hohe bäume gen himmel strebende kirchen unseres mittelalters, deren erhabnem eindruck kein griechisches gewölbe beikommt, wol auf jene germanische vorstellung zurückgehn. Irmansûl und Yggdrasill waren heilige bäume, die sich hoch in die lüfte streckten: der baum ist Wuotans, des ahnungsvollen naturschauers ros (drasill, das schnaubende), auf dem er daherrauscht: Yggr bedeutet schauer (s. 132). Aus dem altdeutschen waldcultus erkläre ich auch die geringe zahl der priester, die sich erst in den tempeln, deren hut ihnen obliegt, vervielfachen.

Unter allen formen ist monotheistische, wie der vernunft die angemessenste, der gottheit die würdigste. auch scheint sie die ursprüngliche, aus deren schofs dem kindlichen alterthum leicht sich vielgötterei entwand, indem des, einen gottes erhabenste eigenschaften erst trilogisch, hernach zur dodecalogie gefasst wurden. dies verhältnis ergeben alle mythologien, die unsrige, dünkt mich, vorzüglich klar: fast alle götter erscheinen an rang und macht einander ungleich, bald überlegen bald untergeordnet, so dafs sie wechselsweise von sich abhängig zuletzt insgesamt für ausflüsse einer höchsten einzigen gelten müssen. was der polytheis

mus anstöfsiges hat wird dadurch gemindert, denn auch in der heiden brust war ein bewustsein jener unterordnung schwerlich völlig erloschen und der schlummernde glaube an den höchsten gott konnte stets erwachen.

Diese götterfolgen aus unsern halbversiegten quellen nachzuweisen war mir unmöglich, dreiheiten und zwölfzahlen der edda sind s. 311.936 angezeigt. darin weicht aber die griechische zwölfzahl ab, dafs sie sechs götter neben sechs göttinnen stellt, während der asen und asinnen jedesmal zwölf, zusammen doppelt so viel als der griechischen götter gezählt werden. zwölf stüle ordnender götter werden gestellt (s. 818). einigemal treten zu dem obersten gott die zwölf unteren hinzu, und dann erhöht sich die zahl um einen unter den göttern heifst Loki der dreizehnte, unter den göttinnen Gnâ die dreizehnte. Sn. 211 sind dreizehn asen genannt, und noch mehr asinnen. Trilogien und dodecalogien der götter spiegeln sich wiederum in den helden und weisen frauen ab. Mannus zeugte drei stammsöhne (s. 320. 367), Heimdall festigte drei stände, Ynglinga saga 2.7 nennt Odins nebengötter seine zwölf fürsten (höfdingjar); Westmar hat zwölf söhne (Saxo gramm. s. 68) und es gab dreizehn valkyrien (s. 392), drei nornen. in Welfs geleite sind zwölf helden (s. 367); könig Carls zwölfe könnte man von den zwölf aposteln leiten, worauf das gedicht selbst deutet, sie walten aber in unzähligen mythen und sagen. die kraft des göttlichen königs strahlt in seinen helden nochmals aus.

Vielgötterei ist, bedünkt mich, fast überall in bewustloser unschuld entsprungen: sie hat etwas weiches, dem gemüt zusagendes, sie wird aber, wo der geist sich sammelt, zum monotheismus, von welchem sie ausgieng, zurückkehren. Niemand schilt die catholische lehre vielgötterisch, und doch liefse sich angeben von welcher seite die catholischen zu den heiden sich verhalten wie die protestanten zu den catholischen. das heidenthum unterlag der gewalt des reinen christenthums, im verlauf der zeit brachen in der kirche wieder heidnische regungen vor und von diesen strebte die reformation zu reinigen. das polytheistische princip in seiner fortregung warf sich aber hauptsächlich auf zwei puncte, die verehrung der heiligen, wovon ich schon redete, und der reliquien. kirchen und kapellen des mittelalters durchdringt mit schwülem grabgeruch ein anbeten todter knochen, deren echtheit und wunderkraft selten beglaubigt, zuweilen ganz unmöglich scheint. die wichtigsten geschäfte des lebens, eidschwüre und krankheiten forderten berührung die

ser heilthümer und alle geschichtlichen denkmäler zeugen von ihrem weit eingerissenen, in der bibel durch nichts gerechtfertigten, dem frühsten christenthum fremden gebrauch (vgl. s. 1131). an idololatrie und heiligen dienst fand aber die herschaft der geistlichkeit ihre grofse stütze. Von eigentlichem dualismus habe ich unser heidenthum frei gesprochen (s. 849.936). er scheint mir gegenüber dem polytheismus, nicht wie dieser durch verwilderung, sondern in bewuster vielleicht sittlicher reflexion später entspringend. vielgötterei ist duldsam und freundlich: wer nur himmel oder hölle, gott oder teufel im auge hat, pflegt überschwänklich zu lieben und hart zu hassen. Auch hier mag wiederholt werden, dafs unter den deutschen heiden das gute dem bösen, mutig sein dem verzagen überwog: dem tod lachten sie entgegen.

Zwischen viel und alles vergöttern, fällt eine grenze schwer, denn auch die ärgste pantheistische ansicht wird noch ausnahmen machen. welche schranke der griechische und selbst nordische glaube hielt, lehrt jene göttliche zwölfheit, aber die personification, von welcher ich ein capitel eingeschaltet habe, scheint in das gebiet des pantheismus überzustreifen; gleichwol sind göttlich gedachte elemente, geräthe fast nichts als die anders gefafsten schon bekannten hauptgötter die luft geht in Wuotan, der hammer in Donar, das schwert in Eor, die Sælde wieder in Wuotan auf. der menschengeist versucht es die unergründliche gewalt der gottheit immer auf anderm wege zu begreifen. man hat unserm heidenthum fetischismus untergelegt (s.92); hammer, speer, kiesel, phallus waren nur symbol der göttlichen kraft, von welcher zugleich noch mehr sinnliche so wie sittliche vorstellungen walteten. vom sächlichen begrif auf den persönlichen überzugehn oder umgekehrt war dabei ganz leicht. wie die götter sich in helden wandeln und wiedergebären, schlagen sie auch in thiere nieder, dieser niederschlag hätte mancher aufschlüsse bedurft, die ich einmal bei erneuerter behandlung der thierfabel nachholen will. Je stärker sich der götterhaufe mehrt, desto eher mag der. glaube umschlagen in leugnen und schmähen der alten götter; eine merkwürdige spur solcher atheistischen ansicht hat schon der Norden in unverhaltnem spott und dem auf eigne kraft und tugend gesetzten vertrauen (s. 5. 6). jenen benannte die altn. sprache godgå (irrisio deorum) und als das christenthum näher trat, nahm sie unter den heiden wider das heidenthum zu, Nialssaga cap. 105 hat ein beispiel von Hialti, der des hohns gegen die götter angeklagt wurde (vard sekr á þingi um gođgâ).

dem

Das element (στοιχεῖον, ὑπόστασις) ist ruhiger grund, grundlage, der Gothe weifs es noch recht deutsch zu nennen stabs (= stab, woher das roman. stoffa, étoffe und so wieder unser stof) oder stôma (wovon unser ungestüm, ahd. ungistuomi unruhig; es wird dem menschen sichtbar in seiner pracht, während ihm die gottheit unsichtbar bleibt: wie gedrungen sein muss er es göttlich zu ehren. aber sein sinn und gemüt knüpfen die erscheinung aller naturkräfte an leibliche und geistige eindrücke, zusammenhänge lehrt der sprache fingerzeigen. Wie doch geschah, dafs in Zio zugleich die idee des himmels und kriegs sich entfaltete? veihan ist pugnare, vaíhjô pugna, veihs sacer, veiha sacerdos (s. 58), ahd. wig pugna und Mars (s. 184), das geweihte heilige war zugleich das lichte, leuchtende. goth. hveits entspricht skr. svêtas albus, diesem das slav. svety, swiety sanctus, svjet, swiat swiatło bezeichnen mundus, coelum, lux. Svetovit, Swantowit ist wiederum Ares bellum und die parallele. Wuotan, Donar, Zio Radigast, Perun, Svetevit steht unbezweifelbar: der siegesgott leuchtet in der schlacht. den Indern bedeutet Sûryas sonne, licht, tag und gleicht Zio; als Sûryas ein opferthier nehmen soll, beifst es ihm die hand ab, eine goldne muls angesetzt werden: ist das nicht Tŷr, dessen hand der wolf abbifs (s. 188); wer weifs ob vom slav. Svetovit nicht einmal ähnliches verlautete? Es ist schön, das auge aus der sonne, das blut aus dem wasser, das haar aus dem gras, die salze thränenflut aus dem bittern meer zu leiten, und desto tiefsinniger scheinen die mythen vom haar der Sif, von den zähren der Freyja; himmel und erde spiegeln ineinander. aber, wie schon die alten cosmogonien sich umdrehen (s. 534. 536), darf man heidnische göller ausschliefslich weder auf astrologie und calender, noch auf elementarkräfte, noch auf sittliche gedanken, vielmehr nur auf ein beständiges unablässiges wechselwirken dieser aller zurückbringen. Niemals war das heidenthum aus der luft herabgefallen, es wurde undenkliche zeiten hindurch von der überlieferung der völker fortgetragen, zuletzt aber beruhen mufs es auf geheimnisvoller offenbarung, die sich der wunderbaren sprache, der schöpfung und fortzeugung der menschen vergleicht. Unser einheimisches heidenthum erscheint ungedrückt durch traurige vorstellungen vom elend des herabgesunknen daseins (wie die indische emanationslehre), es huldigte sorgenfreiem fatalismus (s. 820) und glaubte ein paradies, welterneuerung, vergötterte helden; seine götter sind mehr den griechischen, sein aberglaube ist mehr dem

römischen ähnlich: tanta gentium in rebus frivolis plerumque religio est.

Es ist im ernst die frage geschehn, ob die heidnischen götter wirklich da gewesen seien? und mir graut darauf zu antworten. die einen leibhaften teufel und eine hölle glauben, die daran giengen hexen zu brennen, können geneigt sein es zu bejahen, weil sie wähnen die wunder der kirche durch den erweis des wunders, das in besiegung der falschen götter als wirklicher feinde und gefallner engel enthalten wäre, zu festigen.

Weil ich lernte, dafs seine sprache, sein recht und sein alterthum viel zu niedrig gestellt waren, wollte ich das vaterland erheben. die eine arbeit ward mir zur andern, und was dort bewies half auch hier stützen, was hier gründete diente dort zu bestätigen. Vielleicht werden meine bücher in einer stillen, frohen zeit, die auch wiederkehren wird, mehr vermögen; sie sollten aber schon der gegenwart gehören, die ich mir nicht denken kann, ohne dafs unsere vergangenheit auf sie zurückstrahlte, und an der die zukunft jede geringschätzung der vorzeit rächen würde. Die nachgelesnen ähren vermache ich dem, der auf meinen schultern stehend nach mir mit ausstellung und ernte des groIsen feldes in vollen zug kommen wird.

Berlin 28 april 1844.

Jacob Grimm.

Die gegenwärtige dritte auflage ist der zweiten vollkommen gleich und keiner der vielen erweiterungen und verbesserungen theilhaft geworden, welche die grosse regsamkeit in diesem fach und der steigende wachsthum der quellen und forschungen hätte herbeiführen können.

Berlin 16 juli 1854.

Jacob Grimm.

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