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dessen ernsten fleifs ich hochachte, pflegt der wahrheit auf halben weg entgegen zu treten, dann aber plötzlich abzuspringen und an ihr zu zerren. mit aller gewalt soll Reinhart unsrer thierfabel auf einen geschichtlichen, Siegfried unsers heldenlieds der reihe nach auf Arminius, Civilis und Siegbert, Tanhäuser auf Ulysses geleitet werden. Was sich mir bei sorgfältiger quellenvergleichung ergeben hatte über zauberei und hexen, ist ihm weder umsichtig noch enthaltsam, der sich nicht enthält aus einem einzigen malefizprotocoll von 1628 auf die griechischen Dionysien zu stürzen, den teufel flugs zu Dionysus macht und die verbrauchte deutung der hexe aus Hecate aufwärmt. dem teufel wird damit viel alterthum, zugestanden im vergleich zu jenen helden; mir scheinen Reinhart und Isengrim weit über das neunte jahrhundert hinauf zu reichen, wie Siegfried noch über Armin, also längst über die zeit, in welcher der ausdruck teufel unsrer sprache das erstemal zukam. unverkennbar hängen mehrere benennungen der riesen mit den namen benachbarter völker zusammen; die monesche ansicht wendet sie zu Indern, Friesen und Persern, je nachdem ihr die wörter ent und wrise zusagen: des Kaukasus aus unserm Gouchsberg darf sich niemand verwundern.

Eine neuere schrift, deren werth ich s. 1023 rühme, kommt mir jetzt nicht ungelegen. Soldan stimmt in meine ansicht von dem greuel und unsinn der hexenverfolgungen, doch zusammenhang der hexen mit der deutschen mythologie möchte er abstreiten und wieder allen zauber, alles dämonische wesen von Römern und Griechen herführen. die ähnlichkeit der vorstellungen des mittelalters mit dem classischen alterthum fällt ihm so stark auf, dafs er anzunehmen scheint, Deutschland und das übrige barbarische Europa seien vor ihrem frühen zusammenstofs mit jenem entweder ohne zauberei und geisterglauben gewesen oder dieser auf einmal erloschen. die Walburgisnacht sollen römische lares praestites, selbst den gebrauch des lehnausbietens floralien und averruncalien, den bilsenschnitt das fruges excantare veranlassen; warum rührt nicht auch unser es aus id, unser auge aus oculus, unser zehn aus decem? in solcher weise wäre Wuotan unbedenklich auf Jupiter, Holda auf Diana, der alp auf den genius, die gesamte deutsche mythologie auf römische zurückzubringen, und es bliebe uns nichts eigenthümliches als der kahle boden, der die fremde lehre in sich empfieng.

Da wo unter zwei völkern sprache, sitte und glaube

sich gleich liegen, ist die übereinkunft für den erweis ihres alters willkommen und nicht zu schlüssen auf borgen oder eindringen zu misbrauchen, die jede besonderheit daran geben. das siegel aber wird der forschung dadurch aufgedrückt werden, dafs der reihe des einstimmigen zugleich unwillkürliche reihen des abweichenden und verschobnen zur seite laufen.

In unserm heldenbuch haben die abenteuer Wolfdieterichs und Orendels, jedes in seiner weise, auffallende ähnlichkeit mit zügen der Odyssee, und namentlich gleicht die entsendung des engels zur rauhen Els und zu frau Breide der des Hermes zu Kalypso, als ihr geboten wird Odysseus zu entlassen. aber solche heldenirfahrten und begegnungen mit weisen frauen und riesen scheinen episches überall vorwaltendes gemeingut, während gerade das entferntbleiben aller sonstigen hauptbeweggründe des griechischen mythus den gedanken an entlehnung zurückweist. Wir dürfen die vielfachen bezüge zwischen Wuotan Zeus und Apollo, zwischen Zio Zeus und Ares gewähren lassen, Nerthus zu Demeter, Frigg und Freyja zu Here und Aphrodite, Wieland zu Hephäst und Dädalus, die nornen zu den mören halten, ohne dafs darum das gewimmel der griechischen götter auf unsern boden übertragen, noch alles was dieser hervorbrachte in Griechenland aufgesucht zu werden brauchte. soll das honum hlô hugr i briosti elwan aus dem homerischen ἐγέλασσε δέ οἱ φίλον ήτορ in die edda gerathen sein? jener unterschied zwischen götter und menschensprache bei Homer wie in der edda darf uns etwas bedeuten, und doch nicht lästiger zu erklären fallen als das eintreffen von Zio zu Zeus oder Zevs narig zu allvater. gar schön wird uns Venus und venustus durch das altn. vænn und vænstr, ja durch den alts. superlativ wânumo verständigt. Was von griechischer und römischer mythologie gilt, dafs sie bei aller einstimmung lange nicht in einander aufgehn, mufs für das verhältnis zwischen römischer und deutscher in weit höherem mafse behauptet werden, weil die griechische literatur und dichtung ungleich tiefer in die römische einschnitt, als die lateinische auf unser alterthum einzuwirken vermochte. Wenn cap. XXXV und XXXVII manches angeführt wird, was aus römischem aberglauben zu entspringen scheint, so hat es in der dürftigkeit einheimischer nachrichten seinen vollen grund, die mich zwangen ihnen an jenem eine stütze zu geben: ich glaube nicht, dafs die altdeutsche vorstellung vom angang der thiere und vom gebrauch der

kräuter an und für sich ärmer gewesen ist als die römische.

Was ich den Deutschen gegenüber Römern und Griechen einräume mufs auch in bezug auf Celten, Slaven, Litthauer und Finnen statthaft sein, deren heidenthum dem unsrigen ähnlich oder unähnlich war. die masse des zutreffenden thut aber der annahme von erborgungen, die sich an allen ecken häufen würden, noch entschiedner eintrag.

Zu gunsten celtischer sprach und sagenforschung ist eine heilsame reaction eingetreten, die darauf besteht, dafs diesem zurückgedrängten volke, das vorzeiten breite strecken Deutschlands einnahm, sein recht widerfahre. keineswegs arm an denkmalen besitzt es in der lebenden armorischen, welschen, schottischen und irischen sprache aushelfende mittel. Noch aber gehn die pfade unsicher und schlüpfrig, und was wir den Celten zugestehn soll im entdeckungseifer nicht wider uns selbst gekehrt werden; auf den berührungspuncten hat auch die deutsche eigenheit ihren anspruch zu wahren. So scheinen mir Heinrich Schreibers anziehende untersuchungen über grabhügel, waffen und feen einigemal über die rechte linie weg zu streifen: die pferdeköpfe auf den dachgibeln in Meklenburg und Holstein sind doch besser deutsch als die ähnlichen in der Schweiz celtisch, und so weit unsere elbinnen und weifsen frauen reichen haben sie guten grund, wie die feen von der andern seite. Leo hat dunkle thiernamen, wie mich dünkt, mit erfolg celtisch ausgelegt; so lange er die hauptträger der fabel Reginhart und Isangrim deutsch lassen mufs, bin ich um die echtheit unseres epos unverlegen und fremdheit der nebengestalten bestärkt das entrückte alter der gesamten dichtung. auch was er zu Nerthus und muspell beibringt (Haupt 3, 226) fordert rücksicht. Ausser den feen, die zu schwanfrauen, wünschelweibern und nornen stimmen, aufser Abundia die der Folla gleicht, lege ich gewicht auf Taranis Donar, auf Gwydion = Wuotan, auf Beal Phol oder Balder, vielleicht mag Hesus zu Cheru leiten, und Segomon (s. 1214) nicht zu übersehn sein. die nothfeuer und maiopfer kommen in betracht. Grofsen vorschub unsrer einsicht in Wuotans eigentliche natur würde es leisten, wenn wir über die abweichung des celtischen Mercurcultus von dem römischen ins klare kämen; nach allem war diese gottheit Celten und Germanen gröfser als Hermes und Mercur den Griechen und Römern; auf Trismegist und Tervagan wies ich s. 137. Alles was uns von celtischer religion übrig blieb zeugt selbst in seinen bruchstücken von feine

rer geistesbildung, als uns deutsche oder nordische mythologie kundgeben; es dringt darin mehr von priesterlicher lehre durch, aber an gemüt und epischem gehalt stehn unsre denkmale unvergleichlich höher.

Wie gegen westen von den Celten werden wir gegen osten von den Slaven umschlossen und gleich celtischen haben slavische schriftsteller lust, da wo slavischer und deutscher glaube aneinander rühren, von slavischem grunde her zu deuten, was ebenwol von dem unsern aus erklärbar ist. Schon aus urgemeinen wörtern wie goth. sunus, ahd. sunu, slav. syn; goth. liubs, ahd. liop, böhm. liby, russ. ljobov liebe; goth. láups, ahd. liut, slav. Ijod, lud; goth. hláifs, ahd. hleip, slav. chlep; läfst sich beider völker verwandtschaft begreifen. Nicht geringere bedeutung haben mythische ähnlichkeiten. Radegast mufs zu Wuotan, Perun zu Fairguneis, Fiörgunn, aber Svatovit zu Zio gestellt werden; zwischen Radegast dem gott der wonne (rad gern, lubens, radost freude, lust) und Wunsch bricht stärkere berührung vor. Krodo gemahnt an Kirt, Molnija an Miölnir (s. 1171. 1207). Wie nahe reicht der serb. badnjak an unser weihnachtsfeuer, die serb. kukuksstange an die langobardische taubenstange (s. 1088), dodola ans regeneinholen (s. 560), das todaustragen an den kampf des sommers und winters, die vile an unsre weisen frauen. scheint die sage von elben und zwergen minder ausgebildet als sie bei Celten und Germanen ist, so hat unsre riesensage viel mehr mit Slaven und Finnen gemein. Im ganzen ist wol die slavische mythologie noch um einige stufen wilder und sinnlicher als die deutsche, doch manches wird sich anders ausnehmen, sobald einmal slavische volkssagen und märchen getreuer und reicher eingesammelt sind, und auch der deutschen forschung grofser gewinn daher erwachsen.

Aus solchen samlungen litthauischer, samogitischer, lettischer mythen, sagen und thierfabeln stehen nicht minder wichtige aufschlüsse bevor, die schon das merkwürdige verhältnis der sprache ahnen läfst.

Mehr bereits ist in Finnland geleistet, dessen volk, vergleichbar nur dem serbischen, heute noch die wunderbarste fülle von liedern und sagen im munde führt, und wie in serbischer poesie die heldensage überwiegt in finnischer der mythus. Allein aus dem was von Ganander, Porthan und jetzt von Lönnrot herausgegeben ist, wird zwischen deutscher, nordischer, slavischer, griechischer und asiatischer mythologie unendlich viel vermittelt. Auch für diese finnische dichtung gilt noch gar nicht jener unter

schied zwischen märchen und volkssage: sie steht auf älterer stufe, wo des märchens wunder ohne scheu mit dem festeren haft der sage sich knüpfen, selbst die thiersage eingelassen werden kann. Wäinämöinen (esthn. Wannemunne) läfst sich zu Wuotan und gerade wieder zu Wunsch halten; zwar aus finnischer sprache selbst verstehe ich seinen namen nicht, doch den schwedischen Lappen, deren sprache verwandt ist, bezeichnet waino wunsch und begier. Wunsch, Radegast und Wäinämöinen scheinen sich also näher zu rücken. Wäinämöinen ist gott des dichtens und singens (s. 860), er heifst immer wanha, der alte, wie auch Ukko der donnergott, vater und alter, Akka seine frau, mutter und alte; den Lappen ist Atja grofsvater und donner (der alte tatl s. 152). wie Thors minne trank man Ukko zu ehren volle schale. Wäimämöinen weckt die Wipune aus ihrem grab (rune 10), wie Odinn die Völa. Ilmarinen, der finnische schmiedegott, erinnert an Hephäst wie an Völundr, greift aber tiefer als beide ein; er bildete sich eine frau aus gold (vgl. s. 535). Sarakka heifst den Lappen die schöpferin, von saret schaffen, eine göttin des glücks.

Jumala ist allen finnischen völkern ein allgemeiner name des höchsten wesens, im sinn unsers gott oder des slav. bog, ihm entspricht das schwedischlappische jupmel, norwegischlappische ibmel, aber auch bei Syriänen jen (gen. jenlon), bei Permiern en, bei Wotjaken jümar, bei Tscheremissen jumn. Am nordrande von Europa über den Ural nach Nordasien zieht sich dieser ausgebreitete, den Finnen angehörige volksschlag, dessen sprache und mythen allenthalben gemeinschaft zeigen. den specht halten die Wotjaken gleich Slaven und Deutschen heilig (s. 639), was ich aber besonders hervorhebe, ist ein bärencultus dieser völker, der sich auch in Schweden und Norwegen spüren lässt und den ältesten stand der deutschen thiersage verkündet (s. 633). dichterische schmeichelwörter bezeichnen das heilige thier, sobald es erlegt ist, werden feierliche gesänge gleichsam zur sühne angestimmt. in Kalewala schildern rune 28. 29 eine solche jagd und die ganze feier. Ostjaken knien beim eidschwur auf bärenhaut, heidnische opfer wurden mit barenhaut gedeckt (s. 962), bärenhaut hernach noch lange im dienst des teufels umgehangen (s. 970); wie der bär aller thiere könig war, mahnen seine benennung alter und grossvater an die des donnergotts. im gestirn des grofsen bären (s. 687. 688) scheint schon eine deutliche spur seiner verehrung auch bei den Griechen hervorzugehn.

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