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Diese windsbraut ist ein wirbelwind, bei dem unsere mythologie die höchsten götter ins spiel bringt. selbst Wuotans wütendes heer was ist es anderes als eine deutung des durch die luft heulenden sturmwindes? das ahd. ziu, turbines, wurde s. 184. 262 auf Zio zurückgeführt, die sturmwolke hiefs maganwetar (s. 308). aber der wirbelwind scheint auch mit Phol in bezug gesetzt (s. 209. 262) und mit einer höhnenden benennung des teufels (schweinezagel, säuzagel, sûstert), dem man das aufregen des wirbels beimals (abergl. 522)*), ebenwol den hexen (abergl. 554). es war darum ganz natürlich, dafs man auch höhere weibliche wesen des alterthums als urheberinnen des wirbelwinds ansah, die kreisende, tanzende Herodias und frau Hilde, frau Holde (s. 263). er ist ein fahrendes weib (Kilian 693), die celtische sage lässt ihn von feen aufgeregt werden, irisch heifst er sigh gaoite (OBrien), sighgaoithe (Croker III, xx1); im wirbelwind stehlen elbische geister (Stewart s. 122). Auch nach dem schwed. volksglauben kündigt sich die skogsrå (waldfrau) durch einen scharfen, die bäume bis zum brechen schüttelnden wirbelwind an. den Slaven ist polednice (oben s. 447) ein weiblicher dämon, der im staub des wirbelwinds auffliegt (Jungmanns s. v.). Nach einer märkischen sage bei Kuhn no. 167 war die windsbraut ein edelfräulein, welches die jagd über alles liebte und die saaten des landmanns verheerte, dafür ist sie nun verwünscht mit dem sturm in alle ewigkeit dahin→→ zufahren; das gemahnt wieder an Diana und die jagende Holda.

Aufser solchen weit verbreiteten vorstellungen scheint auch noch eine besondere über des winds ursprung fast durch ganz Europa zu reichen. zufolge der edda heifst Hræsvelgr ein riese, der in adlergestalt**) an des himmels ende sitzt: von seinen flügeln kommt aller wind über die menschen (Sæm. 35). Snorri bestimmt es noch

*) zwei poln. sagen bei Woycicki 1, 81 und 89: kreist der wirbelwind (wicher) und fegt den flugsand, so tanzt der böse geist; man werfe ein neues scharfes messer mitten hinein, das wundet ihn. Ein zaubrer steckte ein neues scharfes messer in die schwelle und verwünschte seinen diener, dem er zürnte, sieben jahre auf dem schnellen sturmwind durch die welt zu jagen. da hob der wirbel den burschen, der heu auf einer wiese häufelte und rifs ihn fort in die lüfte. Das messerwerfen kennt auch der deutsche aberglaube durchgängig (no. 554).

**) den arnar ham nehmen die riesen öfter an sich: Thiazi (Sn. 80. 82) Suttúngr (Sn. 86).

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genauer: er sitzt an der nordseite des himmels, und wenn er die flügel schwingt (beinir flug), erheben sich unter ihnen die winde (Sn. 22). und in der formel des trygdamål (Grágás 2, 170) heifst es: 'svå vîđa sem valr flýgr vârlangan dag, oc standi byrr undir bâđa vængi', so weit der habicht einen sommerlangen tag fliegt, wenn ihm günstiger wind unter beiden schwingen steht. Leichte, sturmdrohende wolken nennt man auf Island klôsigi (Biörn schreibt klósegi) d. i. klauensenkung, nach Gunnar Pauli, weil der adler durch niedersenkung der einen klaue sturm verursache (Finn Magn. p. 452) *).

Nun soll man auch auf den shetländischen inseln den sturmwind in der gestalt eines grofsen adlers beschwören **). Es wird ferner berichtet, Carl der grofse habe zu Achen im gipfel des palastes einen ehernen adler aufgestellt, zwischen welchem und dem wind irgend ein bezug eintrat; Richerus erzählt 3, 71 (Pertz 5, 622) den einfall der Welschen im j. 978: 'aeream aquilam, quae in vertice palatii a Karolo magno acsi volans fixa erat ***), in vulturnum converterunt. nam Germani eam in favonium (oberdeutsch föhn) converterant, subtiliter significantes Gallos suo equitatu quandoque posse devinci'. der sinn scheint, die Franzosen drehten den kopf des adlers nach südost, die Deutschen nach westen, damit anzuzeigen, dass sie gleich dem sturm in das land ziehen (reiten, das will equitatus sagen) könnten, wohin des vogels kopf gerichtet sei. Aber noch im 12 jh. kannte man in Deutschland den zusammenhang des windes mit dem adler, Veldek singt MS. 1, 21a: 'jârlanc ist reht, daz der ar winke dem vil süezen winde', heuer soll uns der adler milden wind zuführen. Wie viele gangbare vorstellungen des mittelalters sind uns verloren, da unter allen dichtern, die unzähligemal von luft, wind und sturm reden, nur ein einziger auf diesen mythus anspielt. Aber nicht blofs aquila und aquilo ****), vultur und vulturnus weisen auf einander, auch άνεμος und αετός, von

*) auch den tag dachte man sich als einen vogel, der seine klauen in die wolken schlägt.

**) Walter Scotts pirate. Edinb. 1822.

***) bierbei übersehe man nicht, dafs auch in Odins saal an der westlichen thür ein wolf und darüber ein adler hieng (drûpir örn yfir) Sæm. 41 und dafs die Sachsen nach erfochtnem sieg über das thor einen adler setzten (oben s. 100).

****) Festus: aquio ventus a vehementissimo volatu ad instar aquilae appellatur', vgl. bei Hesychius axipòc & Bodģüç.

der wurzel do, an*). nach Horapollo 2, 15 stellt ein sperber mit ausgebreiteten schwingen den wind vor. adler, habicht, geier, sperber sind hier identische raubvögel. der indische vogel garuda ist zugleich der wind, auch das A. T. denkt sich die winde gefitticht, ohne den vogel anzugeben, II. Sam. 22, 11 schwebte auf den flügeln der winde; ps. 18, 11. 104, 3 volavit super pennas ventorum. N. verdeutscht: überfloug die vettacha dero windo, und Martina 7 heifst es mit bezug auf den biblischen redegebrauch: 'der ûf der winde vedern saz'. der von Herbort 17091 gebrauchte ausdruck 'der wint liez ouch dare gân' ergibt, dafs ihn der dichter sich entweder fliegend oder reitend dachte,

Den Finnen ist kokko (kotka) der adler, aber ein lied, das den nordsturm schildert, beginnt: 'kam der adler her aus Turja, senkt von Lappmark sich ein vogel' und schliefst: 'unterm flügel hundert männer, tausende auf schweifes spitze, zehn in jeder spule stehn' **). Und in einem neugriech. volkslied ruft der sperber (wie bei Horapollo) die winde an, sich zu beschwichtigen: ano ra τρίκορφα βουνὰ ἱεράκι ἔσυρε λαλιά πάψει, αέρες, πάψετε απόψε κ' ἄλλην μιὰν βραδιά ***). die winde stehn unter des vogels befehl und gehorchen ihm. in einem andern lede bestellt die mutter ihrem schlafenden sohn drei hüter, die sonne in den bergen, den adler (aszós) auf der ebene, den frischen herrn Boreas auf dem meer: die sonne geht unter, der adler schläft ein und Boreas geht zu seiner (eignen) mutter ****); nach der ganzen zusammenstellung mufs hier unter dem adler der sülse, sanfte wind, unter Boreas der frische nordwind verstanden werden.

Hræsvelgr (ahd. Hrêosuelah ?) bedeutet leichenverschlinger, fleischesser, skr. kravijada, was auf raubvögel, die vom aas zehren, geht, aber auch auf die luftreinigenden winde und stürme bezogen werden darf. sie tilgen die ausdünstung der unbegraben liegenden leichen.

Ist darin der wahn begründet, wenn sich einer aufhänge, dafs dann sturmwind entstehe, windestosen einen menschen verkünde, der sich aufgehängt hat? +) der raub

*) Wackernagel über ablaut p, 30. Eustathius zur II. 87, 15 Rom. **) finnische runen. Ups. 1819 p. 58-60.

***) Fauriel 2, 236. Wh. Müller 2, 100.

****) Fauriel 2, 432, Wh. Müller 2, 120.

+) abergl. 343. 1013. Kirchhofers schweiz. spr. 327. Cl. Brentano Libussa p. 432. Sartoris reise in Kärnten 2, 164...

gierige vogel nahet hastig, um sich des todten zu bemächtigen, der ihm verfallen unbeerdigt am baum schwebt? Oder tobt die luft, weil sie den selbstmörder nicht in sich duldet? Neujahrsturm soll pest ankündigen (abergl. 330. 910), im voraus leichengeruch verbreitend.

Den sturmwind (gleich dem feuer) stellt sich das volk vor als ein gefräfsiges, hungriges wesen, (folglich als riesen, nach dem begrif von iötunn s. 486) und sucht ihn durch in die luft geschüttetes mehl zu beschwichtigen *). ich halte dies für uralten aberglauben, und ihn setzt jetzt das norweg. märchen bei Asbjörnsen no. 7 ins licht von dem nordwind, der dreimal einem kerl das mehl wegnimmt, ihn aber hernach dafür durch kostbare geschenke begütigt. der nordwind erscheint hier ganz als ein grober gutmütiger riese.

Die erregung des wirbelwindes, wie wir sahen (s. 599), wurde göttlichen, halbgöttlichen und teuflischen wesen zugeschrieben. in Norwegen heifst es, wenn unwetter und wirbel toben, 'der riese rührt die kessel'. Faye p. 7.

In den beiden wettersegen (anh. cxxx) werden Mermeut und Fasolt als böse geister und urheber der stürme angerufen. Fasolt ist der aus unserer heldensage bekannte riese, Eckes bruder, welcher selbst gott der fluten und wellen war (s. 218). beide brüder haben verwandte bestimmung, sie gebieten dem grausenhaften meer und dem wetter. Die auskunft jener beschwörungsformel über Fasolt scheint mir von wichtigkeit und wieder ein schlagender beweis für die identität des Ecke und Oegir: denn wie Hlêr und Kâri, sind auch Ecke und Fasolt brüder und riesen; wie Hlêr dem meer, Kâri den winden, so gebietet Ecke dem gewässer, Fasolt dem sturm. der wind heifst den nord. dichtern Forniots sonr, Oegis brôdir ** **). Da nun Hler bei einem andern volk Oegir, d. i. Uogi, Ecke hiefs, kann auch Kâri Fasolt geheissen haben. Fasolt mufs schon darum ein altes wort sein, weil es sich schwer erklärt; gehört es zum ahd. fasa, fason? (Graff 3, 705). alin. ist fas superbia, arrogantia, der

*) abergl. 282. Praetorius weltbeschr. 1, 429: zu Bamberg. als starker wind wütete, falste ein altes weib ihren mehlsack, schüttete ihn aus dem fenster in die luft, und sprach dazu;die worte: lege dich, lieber wind, bring das deinem kind!' Sie wollte damit den hunger des winds, als eines fräfsigen löwen oder grimmigen wolfs stillen.

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**) Forniots sefar = meer und wind. Sæm. 90b.

name scheint riesenhaften übermut auszudrücken. Mer
meut, was sonst nirgends vorkommt, könnte aussagen?
im meer tosend, murrend? Schm. 2, 552. 653 hat mau-

dern, mutern, murmurare.

Diese halbgötter und riesen verhalten sich zu Donar,
dem höchsten lenker der wolken und wetter, wie Äolus
oder Boreas zu Zeus. 07

Von Zeus gieng der günstige, erwünschte wind aus.
Διὸς ούρος Od. 5, 176. Wuotan (der alldurchdrin-
gende s. 597) schaft den wunschwind, oskabyrr (s. 135.
136). auf welcher vorstellung beruht, dafs Wolfram im
Parz. 753, 7 die Juno 'segels luft' geben läfst? den im
korn säuselnden fruchtbaren wind schreibt man Fró und sei“
nem eber zu (s. 193. 194). ein altn. name Odins war Viðrir
(der wetterer) 'at þeir sögðu hann veðrum râđa' (fornm.
sög. 10, 171). den Slaven galt Pogoda für einen solchen
gott, noch heute bezeichnet das poln. pogoda, böhm. po-
hoda gutes, dem getraide zuträgliches wetter. Typhon,
nach ägyptischer sage bezeichnete den südwind, Hes. theog.
301. 862.

Die Letten nahmen einen gott der winde und stürme
Okkupeernis an, und glaubten, dafs diese von seiner
stirne den himmel herab zur erde kommen*).

In einer altn. saga (fornald. sög. 3, 122) tritt riese
Grimnir auf, dessen vater und bruder Grimôlfr und Gri-
marr heifsen, eine art Polyphem, welcher sturm und gu-
ten wind erregen kann; es ist dabei wieder an Odinn
(s. 137) zu denken. Halbgöttliche, in eignen tempeln und
durch blutige opfer verehrte wesen waren die riesentöch-
ter Thorgerdr und Irpa (oben s. 87). skåldskaparmal
154 heifst Thorgerdr Hölgabrúar, d. i. tochter des kö-
nigs Hölgi, anderwärts hörgabrúðr oder hörgatröll (forn-
ald. sög. 2, 131), sponsa divum, immanissima gigas, was
an jenes windsbraut erinnert. beide schwestern sandten,
wenn sie darum angefleht wurden, unwetter, sturm und
hagel. fornm. sög. 11, 134–137. Aufser ihnen werden
in altn. sage noch andere frauen genannt, die unwetter
und nebel schaffen, z. b. Heidi und Hamglöm (fornald.
sög. 2, 72) Ingibiörg (das: 3, 442**).

Was man ursprünglich göttern, halbgöttern und rie-
sen beilegte, die hervorbringung von wind, sturm und

') okka, sonst auka, sturm; peere stirne. Stenders gramm. 266.
**) vgl. s. 308. 432 hulizhialmr.

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