Page images
PDF
EPUB

göttliche gesetz stellt. L. and C. VIII 7: "And that his (Gods Will is all our law, a rod To scourge us into slaves - that Priests and kings, Custom, domestic sway, aye, all that brings man's free born soul beneath the oppressors heel". Noch mehr ist dies der fall, wo der vater sein ansehen missbraucht und als tyrann auf tritt (The Fugitives, Cenci).

Gegen diese tyrannei, in welcher gestalt sie immer auftreten mag, anzukämpfen, ist nicht nur recht, sondern pflicht. Sh. ist durch und durch ein apostel der revolution. Seine hauptwerke predigen den aufstand gegen die gewalt: L. und C. leiten die erhebung der goldenen stadt; Lionel (Ros. and Hel) kämpft gegen den tyrannen; Prometheus lehnt sich auf gegen Jupiter, der den menschen ihr geburtsrecht verweigert, die freiheit. In Irland wollte Sh. selbst die rolle des volksführers übernehmen.

Kein schärferer gegensatz lässt sich denken als der zwischen Sh.'s und Sp.'s politischer überzeugung. Sp. schildert die un beschränkte gewalt der regierung und fordert unbedingte unterwerfung unter ihr gebot; ja, er spricht dem privatmann die fähigkeit ab, staatsangelegenheiten zu beurteilen. Tract. Theol. Polit. Praef.: "Atque hinc ostendo eos, qui summum imperium tenent, jus ad omnia, quae possunt, habere, solosque vindices juris et libertatis esse, reliquos autem ex solo eorum decreto omnia agere debent," Cap. XXVI: "Ex quo sequitur, summam potestatem nulla lege teneri, sed omnes omnia ei parere debere . . . hinc sequitur, quod, nisi hostes imperii esse velimus. omnia absolute summae potestatis mandata exequi tenemur, tametsi absurdissima imperet." Cap. XIX: "At nullus privatus scire potest, qui rei publicae utile sit nisi ex decretis summarum potestatum, quarum tantum est, negotia publica tractare."

Hiermit vergleiche man Ir. Adr. s. 348: "For it is fit that the governed should enquire into the proccedings of Government, which is of no use the moment it is conducted on any other principle but that of safety." Wie weit aber auch ihre wege auseinandergehen mögen, sie berühren sich in einem punkte: in dem abmahnen von jedem gewaltsamen vorgehen. Dieses ist sowohl Sh. als Sp. eigen, wenn beide auch von völlig entgegengesetzten motiven bewegt, dahin gelangen. Tract. Theol. Polit. cap. XIX: "Nam, sublato imperio, nihil boni potest consistere, sed omnia discrimen veniunt, et sola ira et impietas maximo omnium metu regnant." Diese überzeugung teilt auch Sh. Nichts weniger freilich, als dass er

41

überhaupt vom widerstande abriete. Im gegenteile. Seine revolutionstheorie wird recht eigentlich ausgedrückt durch den kurzen satz der Ir. Adr.: "firmly yet quietly resist".

Sh. ist der verkörperte protest gegen jede gewalt; sein ganzes dichten und denken ist nur eine aufforderung zum widerstande gegen sie. Firmly resist kann nie eine abmahnung von jeglichem widerstande bedeuten, wie S. B. es zur herstellung einer parallele zwischen der Ir. Adr. und dem Tract. Theol. Polit. auslegt.

Sp. widerrät jede revolution, denn blinde unterwerfung unter die staatsgewalt sei pflicht. Sh. hingegen sieht die pflicht in dem auflehnen gegen die gewalt und sucht die sicherste und erfolgversprechendste form des widerstandes. Und nur weil er findet, dass diese im vermeiden alles gewaltsamen, in stillem, friedlichem vorgehen liege, rät er von jeder revolution ab, die zu den vorhandenen übeln neue kriegsgreuel und härtere knechtschaft fügen würde.

In der View of Ref. nennt er als die ursache des scheiterns der französischen revolution die mit der erhebung des volkes verbundenen grausamkeiten und gewaltthaten. Dennoch, unvollkommen, wie sie ist, ist ihm die befreiung der menschheit aus dem joche der könige und priester "perhaps the most animating that the philantropist can contemplate in the history of man". Ja, er entschuldigt gewissermassen das blutige vorgehen des volkes damit, dass die tyrannei ihm keinen andern weg zur freiheit offen liess als den, durch ihr eigenes blut. Weiterhin spricht er sogar von einem right beyond resistance und sagt: "The last resort of resistance is undoubtedly insurrection. The right of insurrection is derived from the employment of armed force to counteract the will of the nation."

66

So scheitert die revolution in Ros. and Hel. 612 (wohl ebenfalls die französische), "when liberty's dear paan fell Mid murderous howls". Und in L. and C. VI 42 heisst die revolution : 'Those seeds of hope Whose fruit is Evils mortal poison". In der Ir. Adr. sagt er (II, s. 330): "The French Revolution, although undertaken with the best intentions ended ill for the people, because violence was employed; the cause which they vindicated was that of truth, but they gave it the appearance of a lie, by using methods which will suit the purposes of liars as well as their own."

Sh. rät ab von dem gewaltsamen umsturze alles bestehenden durch feuer und schwert, aber er dringt desto eifriger auf eine

friedliche allmähliche umgestaltung, die, nicht minder radikal ais jene, den fortschritt nicht durch schuld und ausschweifung aller art kennzeichnen wird wie jene. Seine reform will nicht minder von grund aus verfahren wie die der wächter in Platon's Staat. die erst »die reine tafel herstellen, ehe sie ihre gesetze darauf eintragen (VI 13).

Dennoch ist es, genau genommen, nicht die revolution, sondern die regeneration, die Sh. predigt.

Jeder thue seine arbeit in der gewohnten weise, bis die wahrheit, die dem volke nun verkündet wird, dem alten ein ende macht (Ir. Adr. s. 345). "In no case employ violence."

(Ir. Adr. s. 328): "And ye who attend her (freedom's) imperial car. Lift not your hands in the banded war, But in her defence whose children ye are." (Ode, 1819.) Nicht, indem ihr mit den waffen in der hand auf eure gegner losgeht, dient ihr der freiheit, woh aber, indem ihr alles thut, um sie zu verteidigen, zu schützen.

Wie weit die defensive zu treiben ist, ob der widerstand passiv bleiben muss, ob er bis zum äussersten gehen darf, wird verschieden ausgedrückt. Laon kämpft gegen die söldlinge des tyrannen, die Cythna rauben. Er zieht ein messer und tötet drei von ihnen (II 3). Und was ist der erfolg seiner blutthat? Cythna bleibt in der gewalt ihrer räuber, Laon wird verwundet, gefesselt, verfällt in wahnsinn. Durch eigene leiden und die lehren eines weisen einsiedlers geläutert und sich seiner aufgabe klar bewusst, steht er dem feinde wieder gegenüber (V). Die soldaten des tyrannen überfallen nachts die schlafenden patrioten und metzeln zehntausend nieder (V 6), ehe die schlafenden sich gewaffnet und gesammelt haben. Doch verfolgen sie den feind und wollen ihn, von angst und rachedurst erfüllt, angreifen. Da fällt Laon einem patrioten, der den speer bereits erhoben hat, in den arm, so dass er selbst verletzt wird. Er spricht zu den feindlichen scharen und gewinnt sie durch die macht seines wortes (V 8 f.). Friede und freiheit ist errungen. Aber der treulose tyrann überfällt sie aufs neue (VI 3) mit fremden hilfstruppen. Es ist vor tagesanbruch. Laon stürzt unter seine soldaten, um die flucht zu verhindern (VI 5), wird aber von den fliehenden wie von einem strome fortgerissen (VI 6). Die bluthunde des tyrannen wüten unter den bürgern, die, plötzlich aus dem schlafe geschreckt, ungewaffnet, ihr heil in der flucht suchen (VI 7). Laon sammelt die seinen, sie müssen vor dem feinde weichen. Und obgleich

[ocr errors]

66

sie eine so standhafte schlachtreihe bilden, dass sie die gegner am erfolge zweifeln machen (VI 9), werden sie doch in haufen niedergemetzelt (VI 11). Endlich finden sie in einer höhle des hügels, unter dem sie schutz gesucht, ein bündel alter waffen (VI 13): ‘A shout of joyance sent Even from our hearts the wide air pierced and rent, As those few arms the bravest and the best Seized, and each sixth, thus armed, did now present A line which covered and sustained the rest, A confident phalanx, which the foes on every side invest." Der kampf wütet bis zum abend, die patrioten werden durch die übermacht der gegner erdrückt und fallen alle bis auf Laon, der in dem augenblick, da die feinde hand an ihn legen, durch Cythna gerettet wird.

Von einem freiwilligen sich-niedermetzeln-lassen ist also hier füglich nicht zu reden 1). Infolge des plötzlichen, nächtlichen überfalles waren sie unbewaffnet; dennoch hielten sie sich als helden. In dem augenblicke, da sie waffen finden, greifen sie sie jubelnd auf und machen von ihnen gebrauch. Der einzige Laon, der Sh.'s persönliche meinung vertritt, verschmäht es, die freiheit mit blut zu erkaufen. Die scenen, in welchen er dieses princip geltend macht, sind selbstverständlich symbolisch zu verstehen. Die standhaftigkeit im ertragen dessen, was über einen verhängt worden, bedeutet oft mehr mut als eine kühne that und lässt eine tiefere wirkung zurück. Die der übermacht mit unbesiegtem mute weichenden patrioten with stern looks beneath the shade of gathered eyebrows, bringen den feind aus seiner siegeszuversicht. Vgl. Mask of An. s. 75: "Let the tyrants pour around Stand ye calm and resolute Like a forest close and mute, With folded arms and looks which are Weapons of an unvanquished war."

Sh.'s ganze revolutionstheorie aber liegt in jener symbolischen scene (V 87 f.), in der Laon mit gefährdung des eigenen lebens den kampf gegen den feind verhindert und ihn durch eine rede für sich, resp. für die sache der freiheit, gewinnt. Nicht gewalt und rache, innere überzeugung ist der weg, auf dem das recht zu dauernder geltung kommt; nicht der rohen kraft, sondern der besseren einsicht müssen die alten übelstände weichen. Darum

1) Ich berichtige hiermit eine von vielen (auch von mir in meiner Sh.biographie) ausgesprochene irrige behauptung.

J. Hoops, Englische Studien. 30. 3.

26

vermögen die waffen des geistes mehr als pulver und blei. "Belief cannot be forced, nor can conviction be coerced," heisst es bei Drummond (s. 21). Aber dass Laon die söldlinge des tyrannen durch eine rede verwandelt in "a mighty brotherhood linked by a jealous interchange of good", dass Cythna durch eine rede die schiffsmannschaft für die neugeborene freiheit gewinnt, dass Lionel, ein zweiter Posa, vor den thron der macht tritt, pleading for a world of woe, dies, wenn auch symbolisch zu verstehen, kennzeichnet doch Sh. als einen sohn jenes zu ende gehenden 18. jahr hunderts mit seiner schwungvollen, von sittlichem pathos getragenen rhetorik.

Laon's und Cythna's reden bedeuten einfach die allmähliche aufklärung und belehrung der geister; sie veranschaulichen den grossen gedanken jener zeit: der mensch müsse zur freiheit er zogen, für sie reif gemacht werden.

Der äusseren reform der gesellschaft muss die innere reform jedes einzelnen vorhergehen, denn der staat ist nur die gesamtheit aller individuen; ist erst der einzelne für sich frei, so wird es auch der staat sein.

Godwin sagt (Polit. Just. I, s. XXIV): "Without independence men cannot become either wise or useful or happy," wie auch heutigen tages die socialisten von einer änderung der gesellschaft die günstige rückwirkung auf das individuum erwarten. Bei Sh. hingegen ist die regeneration der gesellschaft die notwendige folge der selbstreform des individuums.

Die erste anregung dieses gedankens ging von Mary Wollstonecraft Godwin aus, der gattin Godwin's, deren "Vindication of the Rights of Woman" wohl das grundlegende werk dessen ist, was man heut frauenbewegung nennt, oder das es wenigstens sein sollte. Das recht, das Mary Wollstonecraft für die frau fordert, ist ein doppeltes erstens das der geistigen selbständigkeit, zweitens das der socialen und politischen. Und dass sie dieses erst in zweiter linie nennt, ist eben das charakteristische ihrer forderungen. Die frau soll sich aus der geistigen unmündigkeit, aus der unthätigkeit, in der sie im laufe der jahrhunderte ihre physische und moralische spannkraft verloren, aufraffen; sie soll dem manne geistig ebenbürtig werden; und dann, aber nur dann, auch ihre sociale gleichstellung durchsetzen oder vielmehr erwarten. Denn hat sie die erste forderung erfüllt, so wird die zweite ihr als eine unvermeidliche folge von selbst zufallen.

« PreviousContinue »