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mutet; dagegen bleiben uns freilich auch ein paar schauderhafte und abstossende scenen und hie und da derbe ausdrücke nicht erspart. Aber Hewlett's Löwenherz ist es ja wohl nicht darum zu thun, in salons zu prangen: er schreitet in helm und brünne durch das kriegslager, und sein haar flattert im wind . . .

Ich sprach oben mit absicht von einer tragödie, denn es verdient beachtet zu werden: nicht als geschichtschreiber, sondern als dichter hat Hewlett seinen stoff geschaut und geformt. In das gewebe der verbürgten thatsachen hat er die buntfarbigen fäden der romantischen sage, die Blondelgeschichte, die tradition des Alten vom berge und anderes, kunstvoll hineingewoben. Dass er seinen historischen stoff so und nicht anders gestaltet, wird ihm niemand vorzuwerfen wagen; denn klar fühlt man, dass der verfasser souverän über geschichte und sage waltet, und dem zauber seiner grossen darstellungskunst giebt man sich willig hin.

Dass die provenzalische dichtung in dem buch eine rolle spielt, ist wohl zu erwarten. Mancher trobador der ränkesüchtige Bertran de Born voran, tritt uns lebensvoll entgegen; manch bekanntes liedchen, die reizende ballada A l'entrada del tems clara u. a. klingen an unser ohr; auch wortscherze laufen unter, die für den des provenzalischen unkundigen leser verloren gehen (II 197). Auffallend ist, dass ein satz unserer muttersprache (II 172) in anachronistisches Neuhochdeutsch gekleidet ist. Unrichtig ist ferner die behauptung, dass das Chastel d'Amors aus 12 strophen bestehe (II 198).

Wir sind in Hewlett's historischem roman um ein werk reicher, das in seiner eigenart ganz allein steht und jedenfalls die sensationellsten society novels unserer tage aus dem felde zu schlagen geeignet ist.

Ansbach, Juni 1901.

Armin Kroder.

Walter Besant, The Fourth Generation. Tauchnitz Edition, vol. 3447. Leipzig 1900. Preis M. 1,60.

W. E. Norris, The Flower of the Flock. Ebd., vol. 3448. 1900. Preis M. 1,60.

Marie Corelli, The Master-Christian. Ebd., vol. 3450/51. 1900. Preis M. 3,20.

Diese drei romane haben nichts gemeinsam; es sei denn, dass sie sämtlich hinter den anforderungen, die wir an den mo

dernen roman stellen, weit zurückbleiben. Der erste ist unmög lich; der zweite albern; der dritte unmöglich und albern.

Sir Walter Besant, der Doyen, habe den vortritt. Der inhalt seiner kriminalistischen studie kann nicht besser erschöpft werden als durch das eine citat aus den Piccolomini: »Das eben ist der fluch der bösen that, dass sie fortzeugend immer böses muss gebären. Das biblische motiv von dem eifervollen gott, der die missethaten der väter heimsucht bis ins dritte und vierte geschlecht, rückt in sociale beleuchtung: an die stelle der theologischen ahndung soll die natürliche folge treten. Zu diesem zweck wird ein erschreckend weitläufiger apparat aufgeboten, der die aufdeckung eines 70 jahre zurückliegenden verbrechens bewirken soll. Die blühende phantasie ist dem verfasser von All Sorts and Conditions of Men treu geblieben; in einzelheiten stellt er aber an den vernunftbegabten leser geradezu entehrende zumutungen. Mit dem zufall wird ein verwegenes spiel getrieben, und zwar tant pis pour lui in bewusster weise; denn Sir Walter möchte uns belehren, dass das zusammentreffen willkürlicher ereignisse im leben des individuums eine weit bedeutendere rolle spiele, als es irgend ein romanschreiber bis jetzt darzustellen gewagt habe. Die geschichte selbst wird mit seniler weitschweifigkeit und ermüdender kleinigkeitskrämerei vorgetragen. Sir Walter hat sich selbst das urteil gesprochen, indem er den satz aufstellt: Man ist geneigt, die verantwortlichkeiten des erfolges zu vergessen.« Richten wir also nicht!

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W. E. Norris erzählt mit vielem hin und her eine liebesgeschichte; ein rennen mit hindernissen. Charlie Strode, ein officier in einem teuren regiment, der abgott seiner familie, der stolz der gesellschaft oder vielleicht eher der stolz der gesellschaften, "the flower of the flock", als dessen haupteigenschaft erwähnt wird, dass er ein schöner junge ist, liebt die reiche Amerikanerin Mrs. Prudence Van Rees, eine kinderlose witwe, die nach London gekommen ist, "asking for nothing better than to amuse herself". Während er sie anfänglich gerne gehabt hätte, aber nicht ohne ihr geld, möchte er im laufe der geschichte ihr geld, aber nicht ohne sie. Schon auf s. 14 bei erster bekanntschaft finden sie aneinander gefallen; erst auf s. 318 verloben sie sich. Seine kluge mutter bemerkt dazu: "Well, you don't surprise me, either of you. What a lot of trouble would have been saved, if you had done this before!" Wir wagen nicht zu widersprechen.

K. Breul, Die gründ. eines reichsinstituts für lehrer des Englischen in London 459

Miss Hannah More (1745-1833), das bekannte mitglied des Blue Stocking Club, hatte im jahre 1799 eine schrift veröffentlicht, die von dem damaligen bischof von London der geistlichkeit in seinem hirtenbriefe aufs wärmste empfohlen wurde. Die zeiten haben sich geändert. Heute sind die frauen wilde anklägerinnen und reissen erbarmungslos den schleier von socialen schäden. Miss Marie Corelli leuchtet eifervoll in das purgatorio der katholischen kirche hinein und liebäugelt damit, dass ihr buch auf den index gesetzt wird. In all ihrer weltlichkeit und sündhaftigkeit soll die allein selig machende kirche enthüllt werden. Das geschieht in einem roman voll melodramatischer effekte, der eigentlich ein verkapptes pamphlet ist. Selbst die ehrlichkeit ihres hasses vermag die lächerlichkeit ihrer vorwürfe nicht zu mildern. In ihrer unkünstlerischen, rein agitatorischen art vergisst sie völlig, dass auch der gute herabsinkt, der einen so verächtlichen gegner bekämpft. Schliesslich bedarf es, um solchen angriffen neben der wucht auch die glaubwürdigkeit zu verleihen, doch einer tieferen weltauffassung, als sie der mass los polemischen Marie Corelli eignet. Aber die fingerdick aufgetragene, zeitgenössischen regungen schmeichelnde und selbst dem blöden durchschnittsleser mundgerechte tendenz hat dem Master-Christian einen in der geschichte des romans, nicht nur des englischen, unerhörten erfolg bei der masse verschafft. Die kunst geht leer dabei aus; mehr als der litterar wird sich der kulturhistoriker mit diesem zeitdokument zu befassen haben.

Berlin, 12. Januar 1901.

Max Meyerfeld.

VERMISCHTES.

Karl Breul, Betrachtungen und vorschläge betreffend die gründung eines reichsinstituts für lehrer des Englischen in London.. Leipzig, Stolte, 1900. 16 ss. 8°. Preis M. 0,60.

Unser um die verbreitung deutscher litteratur und kultur in England so hoch verdienter landsmann hat diese kleine broschüre dem 9. deutschen neuphilologentage gewidmet. Der vorschlag, den sie enthält, in London ein reichsinstitut für etwa 50-100 lehrer des Englischen zu gründen, in dem diese auf staatskosten im winter- oder sommersemester weitere ausbildung fänden, ist gewiss ausserordentlich beherzigenswert. Auch die einzelheiten des planes,

wonach die betr. lehrer in guten familien untergebracht werden und ihnen gelegenheit geboten werden soll, nicht nur in die sprache und litteratur, sondern auch in die realien des englischen lebens tiefer einzudringen, sind durchaus praktisch und zweckentsprechend. Endlich kann man dem verfasser auch durchaus beipflichten, wenn er meint, dass ein jährlicher reichszuschuss von 200 000 M. »in anbetracht des dafür zu erreichenden auf keinen fall zu hoch wäre, besonders nicht bei einem so wohlhabenden und sich so schnell entwickelnden lande wie das Deutsche Reich. Ob aber dieser plan in absehbarer zeit aussicht auf verwirklichung hat, das muss dem, der die verhältnisse mehr aus der nähe beobachtet, sehr zweifelhaft erscheinen. Vielleicht wäre es besser, sich nach englischer weise auf die eigne initiative zu verlassen und im verband deutscher neuphilologen etwas ähnliches anzuregen. Es wäre schon ein erfolg, wenn dies schriftchen die kollegen veranlasste, über eine entsprechende organisation des aufenthaltes im auslande nachzudenken und auf dem nächsten neuphilologentage im jahre 1902 entsprechende vorschläge zumachen. Myslowitz, November 1900. Ph. Aronstein.

Der englische übersetzer. Monatsblätter für englische lektüre, übersetzung, grammatik und handelskorrespondenz. Mit anhang: Der erste praktische selbstunterricht im Englischen. (Ein kursus für anfänger.) Redakteur und herausgeber Louis Carstens, Königsberg i. Pr. 1. jahrgang 1898-1899. 96 ss. Gr. 4°. Preis M. 4,00.

nommen.

Der englische übersetzer ist in erster linie für solche leser be stimmt, die schon einige kenntnisse im Englischen besitzen und diese in »möglichst müheloser und unterhaltender weise auffrischen oder vervollkommnen« wollen. Aber auch auf den anfänger ist in einem die aussprachelehre behandelnden anhang bedacht geDer inhalt der zeitschrift ist sehr mannigfaltig; er um fasst folgende abteilungen: 1. Verschiedenes. 2. Humor, witz und weisheit. 3. Idiomatische redensarten, sprichwörter u. s. w. 4. Übersetzungsübungen. 5. Vokabeln zum auswendiglernen. 6. Kaufmännischer teil. 7. Anhang. Der erste praktische selbstunterricht im Englischen. Ein kursus für anfänger. 8. Schlüssel zu den vorhergehenden [übersetzungs-]übungen. Jede nummer enthält

ausserdem zwei bis drei seiten deutsche inserate, die für den lernenden grösstenteils wertlos sind.

Besonders nützlich ist der kaufmännische teil, in welchem nicht nur die geläufigen briefeingänge und schlüsse, sondern neben einer kaufmännischen phraseologie in alphabetischer reihenfolge auch ein systematischer (oder vielmehr methodischer) leitfaden der englischen handelskorrespondenz geboten wird. Zahlreiche übersetzungshilfen werden zu dieser sowie zu den übrigen abteilungen, von denen die beiden ersten manches lehrreiche und belustigende lesestück enthalten, unter dem striche beigebracht.

Am wenigsten können wir uns mit der unter etwas anspruchsvollem titel auftretenden 7. abteilung, die im wesentlichen aus einer englischen leselehre besteht, befreunden. Keinem herausgeber englischer unterrichtsbehelfe, mag er auch die aussprache noch so vollkommen beherrschen, kann das studium der einschlägigen phonetischen arbeiten Sweet's, Vietor's u. a. erlassen werden; sonst wird seine beschreibung der englischen sprachlaute ungenau und unrichtig, die lautschrift aber unbeholfen und mangelhaft ausfallen.

Waitzendorf bei Retz in Nied. Österr., August 1900.
E. Nader.

The University Extension Journal. Published under the official sanction of the Oxford, Cambridge, London, and Victoria University Extension Authorities, by Archibald Constable & Co. London 1897-98. Vol. III no. 19—27. 144 ss. 4. Preis die nummer postfrei 31⁄2 d., der jahrgang 2 s. 6 d.

Der dritte jahrgang des U. E. J. wird, wie seine vorgänger, in anerkennenswerter weise seiner aufgabe gerecht: die amtlichen kundmachungen der an der volkstümlichen lehrthätigkeit beteiligten universitäten Englands zu verlautbaren, nachrichten über verwandte unternehmungen andrer länder zu bringen und abhandlungen über einschlägige fragen zu veröffentlichen. Eine klage der Notes and Comments (p. 2), dass das journal nicht in dem gewünschtem masse zum austausch der erfahrungen der einzelnen ortsgruppen verwendet werde, wird durch die folgenden nummern lügen gestraft; denn die beiträge über The organisation of local centres sind recht zahlreich und umfänglich, und das von Miss Thompson s. 23 aufgeworfene Problem of the Books beschäftigt viele einsender während des ganzen jahres.

Zwei sommerversammlungen werden in vorliegendem bande besprochen: Das Oxford University Extension Summer Meeting 1897 und das erste Summer Meeting of the London Society, das vom 30. Mai bis 11. Juni 1898 in London abgehalten wurde. Was die Oxforder zusammenkunft betrifft, so ist gegen frühere jahre eine erhebliche zunahme des besuches zu verzeichnen, indem sica

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