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unterscheidet. Die erste periode ist die der patriarchalischen regierungsform und der reinen gotteserkenntnis und gottesverehrung; die zweite die des erobernden despotismus in ver bindung mit polytheistischen, grausamen und abergläubischen götzendiensten; die dritte die der einrichtung gesetzlich regierter staaten, wo sich regierende und regierte das gleichgewicht halten und zugleich die wiederherstellung eines reineren glaubens und gottesdienstes statthat. Am klarsten sind Pope's gedanken in bezug auf den von ihm angenommenen ersten zeitabschnitt. Wenn er die entstehung des glaubens an einen Gott entweder aus der vergötterung guter und grosser menschen oder aus einer heiligen überlieferung herleitet, so ist deutlich, dass sich das eine auf die heiden, das andere auf die Israeliten bezieht. Auch die heiden sind zum götzendienste erst durch abfall von der reinen erkenntnis Gottes, welche übrigens auch sache der gesunden vernunft ist, gelangt. Man kann von den etwaigen unmittelbaren und mittelbaren quellen seiner vorstellungen ist hier nicht die rede hierzu wohl sagen, dass sich Pope nach seiner auffassung im guten glauben befunden haben mag, der bibel und der kirchenlehre gemäss zu denken und zugleich sowohl mit genügend erwiesenen historischen thatsachen als auch klaren erkenntnissen der menschlichen vernunft zu thun zu haben. Die vermutung, sein scharfer verstand sei doch wohl darauf gekommen, dass diese drei autoritäten im grunde durchaus nicht gleichartig seien, dass er sich absichtlich auf diese erwägung nicht weiter eingelassen, aber sich etwas darauf zu gute gethan haben dürfte, sich die sache so schön zurechtgelegt zu haben, ist wohl erlaubt, weil durch die kenntnis seiner sinnesart eingegeben und förderlich für das tiefere eindringen in den gedankenzusammenhang seiner eigenen natürlichen theologie und der seines zeitalters.

Wenn wir uns nun bei der weiteren verfolgung der in der vorliegenden stelle erörterten gedanken unseres dichters etwas leidlich bestimmtes vorstellen wollen, müssen wir wohl annehmen, dass er gemeint habe, die verschiedenen einzelnen völker hätten die grenzen der drei perioden zu verschiedenen zeiten überschritten, die perioden sich also hier so, dort so abgetheilt. Despotismus, mit aberglauben und götzendienst hand in hand gehend, würde er vielleicht seinem sinne nach mit Nebukadnezar, Alexander, der ihm und der aufklärung über

haupt ein wahrer greuel ist) und den römischen cäsaren exemplificirt haben, da diese herrscher sich selbst für götter zu halten geneigt waren oder dafür erklärt wurden. Aber ausser dem flamen, der nach Rom weist, fehlt jede beziehung auf eine bestimmte zeit, und man darf wohl nicht ohne grund annehmen, dass Pope sich grösserer historischer anschaulichkeit absichtlich enthalten habe, um nicht in widersprüche zu gerathen oder wenigstens sich andern gegenüber blössen zu geben. Was in seinem bilde von der dritten periode am meisten auffällt, ist die nichterwähnung, man könnte sagen die ausschaltung des christentums. Man muss doch wohl fragen, auf welche weise er dies gethan hat, wie er sich die sache vorgestellt, indem er die ausdrückliche bezeichnung des christenthums umging. Entweder meint er mit den begründern staatlicher ordnung und wiederherstellern einer reineren religion männer, die vor der entstehung des christentums wirkten, wie Zoroaster, Confucius, vielleicht Solon und die andern weisen der Griechen, oder aber er betrachtet die einführung des christentums bei den verschiedenen völkern eben als jene segenbringenden thaten grosser und guter menschen. Sein commentator Warburton scheint das erstere angenommen zu haben), aber in den worten des dichters liegt sicher kein zwingender grund für das eine noch für das andere. Es bleibt nur eines deutlich und gewiss: dass Pope sich hier schweigend zu dem punkte verhält, über den man seine ansicht am liebsten hören möchte; dass er gerade die frage nicht beantwortet, zu der er durch seinen gesamten gedankengang am meisten auffordert und anreizt. Zweifellos oder mindestens in hohem grade wahrscheinlich ist aber auch, dass diese verschweigung, dieses darüber-hinweg gehen nicht unabsichtlich ist, und dass die gründe dazu für jeden, der Pope genauer kennt, in seinem persönlichen charakter und den obwaltenden umständen zu suchen sind. Er hätte sich unfehlbar in die ärgerlichsten streitigkeiten verwickelt und, was für ihn noch schlimmer war, zahlreiche anhänger und verehrer eingebüsst, hätte er überhaupt zum christentume als historischer thatsache stellung genommen. Er entschloss sich also zu einem auswege, nämlich die entwick

1) Vgl. Temple of fame 151 f. Essay on man I 160, IV 220. 2) S. anhang I.

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lung der religion als durchaus eng verbunden mit den politischen einrichtungen der völker und staaten zu fassen, wodurch es einigermaassen gerechtfertigt erschien, religion und gottesdienst nur so weit heranzuziehen, als sie in engem bezuge zu der politischen entwicklung stehen. Dieser ausweg wurde ihm durch zwei umstände nahegelegt. Der gedankengang seines philosophischen gedichtes führte darauf hin oder liess sich so einrichten, dass er dies that, und das kam ihm trefflich zu statten, um sich nicht in die heikle sache tiefer einzulassen, als ihm heilsam war. Zweitens aber war ihm diese wendung der gedanken als einem mitten in den politischen strömungen seiner zeit stehenden und mit der neueren geschichte seines vaterlandes bekannten Engländer an die hand gegeben, und zwar war seine betrachtungsweise dadurch beeinflusst und geschärft, dass er katholik war, zwar nicht seiner denkart nach, aber durch gemeinsam erlittene unbilden mit seinen glaubensgenossen verbunden. Seitdem so etwa musste sich ihm die sache darstellen durch die freche unthat Heinrich's VIII. an seiner ersten gemahlin in England dem protestantismus freie bahn gemacht worden war, waren religion und gottesdienst von den politischen geschicken Englands nie zu trennen gewesen, und zwar so, dass der glaube des volkes meist als ein spielball in den händen der machthaber erschien. Allerdings hat, wenn es auch nicht zu verwundern ist, dass ein katholischer Engländer in den dreissiger jahren des vorigen jahrhunderts so dachte und empfand, die verallgemeinerung dieser aus der englischen geschichte abstrahirten ansicht von dem engen zusammenhange der religion mit der politik ungefähr so viel anspruch auf wahrheit, wie wenn ein Engländer von ganz Europa oder von der ganzen erde behauptete, das wetter sei im winter meist nebelig, aber es ist gewiss nicht uninteressant, sich hier zu erinnern, dass es für einen Engländer charakteristisch ist, behauptungen, die in bezug auf sein vaterland richtig sind, als normen für die ganze welt hinzustellen, mögen sie nun religion, politik, sociale verhältnisse, kleidung, speisen oder getränke betreffen 1).

Das bisher erörterte hatte den zweck, nachzuweisen, wie sich Pope darin als teilnehmer an der aufklärungsbewegung seiner zeit zeigt, was er von sich ablehnt. Um aber sein ver

1) S. anhang II.

hältnis zu den treibenden ideen des achtzehnten jahrhunderts vollständig zu erkennen, müssen wir auch sehen, wie er sich durch das, was er positiv behauptet, den anderen führenden geistern anschliesst, beziehungsweise wie er sich von ihnen unterscheidet. Wir können uns hier an die hauptstreitpunkte und grundbegriffe der aufklärungstheologie und -philosophie halten: Gott, freiheit des menschlichen willens und unsterblichkeit der menschlichen seele. Wir thun Pope kein unrecht, wenn wir seine ansichten über die menschliche natur nicht voranstellen. Nur ein sehr oberflächlicher leser des Essay on man kann übersehen, dass der dichter eigentlich von Gott ausgeht, insofern er den menschen zuerst als glied des universums, der schöpfung Gottes, behandelt.

Von den vielen schönen und geistreichen aussprüchen unseres dichters über Gott haben diejenigen das meiste aufsehen erregt und den meisten anstoss gegeben, welche Gott als weltseele bezeichnen. Pope sagt im Essay on man I 267 ff.: >All are but parts of one stupendous whole,

Whose body nature is, and God the soul;

That, changed through all, and yet in all the same,
Great in the earth, as in th' ethereal frame,

Warms in the sun, refreshes in the breeze,
Glows in the stars, and blossoms in the trees,
Lives thro' all life, extends through all extent,
Spreads undivided, operates unspent;
Breathes in our soul, informs our mortal part,
As full, as perfect in a hair as heart;

As full, as perfect in vile man that mourns,
As the rapt seraph that adores and burns:

To him no high, no low, no great, no small;

He fills, he bounds, connects and equals all.<

Eine andere stelle findet sich im Essay on man III 21 ff., wo es heisst:

Nothing is foreign; parts relate to whole;

One all-extending, all-preserving soul

Connects each being, greatest with the least;
Made beast in aid of man, and man of beast;
All served, all serving: nothing stands alone;
The chain holds on, and where it ends unknown.<

Ähnlich Essay on man IV 61 f.

> Heav'n breathes through ev'ry member of the whole

One common blessing, as one common soul.<<

Es wäre ein wunder gewesen, wenn man gegen solche behauptungen nicht laut und mehrfach die beschuldigung des pantheismus erhoben hätte. Aber diese war, alles in allem genau und unparteiisch betrachtet, doch unbegründet. Die auf fassung, die Pope im interesse einer art theodicee, die der hauptinhalt des ersten abschnitts seines gedichts ist, mit sichtlichem wohlgefallen an ihrer poetischen schönheit in glänzenden worten zur geltung bringt, wäre nur dann eine wirklich und ausgeprägt pantheistische, wenn sie mit der bestreitung des selbstbewusstseins und der selbstbestimmung in Gott, also des persönlichen gottes, in verbindung stünde. Nichts aber kann mit weniger grund in bezug auf Pope's denkart behauptet werden. Denn abgesehen davon, dass er von Gott mit den deutlichsten worten als von einem persönlichen wesen redet, ihn, wie schon ge zeigt wurde, durch die gesunde vernunft als schöpfer von der schöpfung unterscheidbar sein lässt, dass Gottes weisheit, güte, Vorsehung und weltregierung einen breiten raum in seiner lehre einnehmen, ist es für einen kenner seiner denkart unmöglich, in Pope auch nur einen sehr entfernten geistesverwandten Spinoza's zu sehen. Pope's zeit ist zu begreifen, wenn man, beunruhigt durch die kühnen folgerungen Spinoza's wie auch der englischen und französischen freidenker, in den angeführten äusserungen eine gefahr erkannte, die eine parteilose und ruhige beurteilung, welche die angegriffenen sätze im zusammenhange mit den hauptlehren des dichters auffasst, als nicht vorhanden erweist.

Ähnlich liegt die sache mit Pope's verhältnis zu den im engeren sinne deistischen meinungen seiner zeitgenossen über Gott und dessen beziehungen zu der welt und dem menschen. Man muss sich denn doch zunächst klar machen, dass er optimist, anhänger der meinung, die wirkliche welt sei die bestmögliche, ist. Die art, wie er das dasein des übels und des bösen erklärt oder zu erklären versucht, macht doch nicht sein festhalten an dem satze: alles, was ist, ist gut,« zweifelhaft. Die gedanken, welche Voltaire bei gelegenheit des erdbebens von Lissabon ausgesprochen hat, bilden den geraden gegensatz gegen Pope's weltanschauung. Voltaire will, dass der leser

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