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nisse auf, der die eigenschaft hat, die leute von ihren thorheiten zu heilen; weiter wird von einem Clas von Glückbüll berichtet, der, von niedrigem herkommen, doch durch das glück begünstigt, sich alter freunde gar nicht mehr recht erinnern konnte, der aber nach dem gebrauch des pulvers auch wieder hergestellt wurde, und endlich von einem grafen Udeno, der alles versprach und nichts hielt und dadurch besonders einen gewissen >Rudolf Leisegang benachteiligte. Der graf wird

ebenfalls von seiner vergesslichkeit geheilt.

Dieses mittel Universal Snuff for Refreshing the Memory und die drei letzten personen Parvulus, Count Udeno und Jack Saunter tauchen im Spy p. 216-220 wieder auf. Der hamburgische Patriot hatte das recept zu seinem seltsamen wunderpulver im englischen Guardian no. 275, 21. IV. 1713 entdeckt. Dort wird ein schnupfmittel von ganz merkwürdigen eigenschaften gerühmt, die freilich nicht ganz dieselben wie bei dem deutschen »universaltabak, mehr in der richtung der vorhin erwähnten zauberdinge, wie des wetterglases, liegen.

f) Chinese Eye-water.

Auch ein »besondres himmel-blaues Wasser« hatte der Patriot (no. 5) bereit gehabt; bei anwendung dieser flüssigkeit werden die augen so weit gestärkt, dass man eine beständige Ausdünstung aus dem Gehirn der Menschen, und in derselben die Leidenschaften des Gemüthes figürlich sehen, auch verschiedene Kreaturen in der Luft, welche darin, wie Fische im Wasser, schwimmen, auf das Kennbarste entdecken könnte«. Der Patriot erprobt die wirkung gelegentlich einer gesellschaft. Dasselbe kapitel wird dann im Spy p. 219-224 wiedergegeben.

Man beachte wohl, dass in diesen erzählungen die zauber. stücke vielfach in Asien hergestellt sein sollen. Ein arabischer philosoph hat das künstliche thermometer, ein persischer > Chimyst das blaue wasser, Jaaphar Ebn Jophzdhail die merkwürdige uhr eingesandt. Andres stammt aus Japan; die pyramide ist mit Sinesischen Charakteren« bezeichnet und im reich der mitte verfertigt worden. Diese angabe würde mit unter die ersten zeichen einer teilnahme in Deutschland für den osten aufzuzählen sein, die der ernsten, wehrhaften

bethätigung dieses interesses am schlusse des 19. jahrhunderts langspurig voraufgezogen sind.

g) A curious Laterna Magica.

Im Patrioten wird (no. 115) von einer wunderbaren magischen laterne erzählt, welche allegorische figuren, wie den reichtum, betrug, wucher, verrat, glaube, liebe und hoffnung, kurz sämtliche laster und tugenden an dem zuschauer in ergreifenden bildern vorbeiführen kann. Der Spy bringt diese zaubervorstellung im 34. briefe p. 312-318: er meint aber zum schluss, dass die anregung zu diesem schauspiel wohl von England ausgegangen und auf verse (welche?) in den >Sheet - Almanacks« zurückzuführen sei:

Ein geschichtschreiber der allegorie darf sich diesen aufsatz des Patrioten, der unsere menschlichen verhältnisse eingehend personifiziert, nicht entgehen lassen. Verschiedene zeiten und völker werden sich ihre götter und teufel auch jedesmal anders vorgestellt haben. Einmal den wandel der figuren durch die jahrhunderte zu verfolgen, wäre aber eine kulturgeschichtlich lohnende aufgabe, die sich natürlich nicht allein von der litteratur aus, sondern nur in verbindung mit den andern künsten, der malerei und bildhauerei, lösen liesse.

h) The Return of Astræa.

Der letzte brief des Spy bringt p. 427 die übersetzung einer arbeit seines gelehrten freundes<, unter dem titel: >The Vision or the Return of Astræa, die sich in der that im Patrioten nr. 153 unter dem gleichen motto des Vergil Jam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna« findet. Diese erzählung ist aber nichts weiter als die vielfach veränderte übersetzung einer im Tatler II 264 ff., 275 ff. unter derselben überschrift erschienenen abhandlung.

Der erste verfasser hatte im Tatler eine ganz allgemeine einleitung gewählt: Er will eines tages über die unaufrichtigkeit der welt nachgedacht und auch am abend weiter darüber ge grübelt haben, bis ihn endlich der anblick der sterne wieder fröhlicher und vertrauender stimmte. In der nacht aber hatte er einen seltsamen traum: Er sah in der gegend der wage den himmel sich öffnen und Astraea, die göttin der gerechtigkeit,

mit einem spiegel heraustreten, den sie wie einen gewaltigen scheinwerfer auf die ganze welt richtete. Leute sammeln sich an, unter denen das licht verschiedene änderungen hervorbringt. Den männern werden dabei drei sprüche zugerufen: Alles eigentum soll seinen regelmässigen besitzern zufallen, das verdienst nach gebühr belohnt werden, und alle kinder sollen sich zu ihren rechtmässigen vätern versammeln. Die folge ist eine grosse verwirrung: arme werden reich, und reiche werden arm; familienväter verlieren ihre kinder, die auf die junggesellen zulaufen, und viele unbekannte, aber würdige rücken bei der sonderung nach dem verdienste in die ersten reihen ein. Tatler 2, 267: "It was a very melancholy spectacle to see the fathers of very large families become childless, and bachelors undone by a charge of sons and daughters."

Nun kommen aber die frauen dran, die sich bislang etwas geräuschvoll bei der ganzen gelegenheit benommen hatten. Sie werden nach der schönheit des charakters geordnet. Die satire ist unverkennbar bei diesen geboten, wo es erstens heisst, alle verleumderinnen sollen ihre sprache verlernen, und es nun augenblicklich sehr ruhig wird, und wo zweitens be fohlen wird, dass alle, die je ihre tugend preisgegeben, auf der stelle schwanger erscheinen sollten, und nun der platz auf der grossen ebene des gerichts fast zu eng für die menge und den umfang der sich ganz plötzlich verbreiternden gestalten wird.

Aber diese vision, die mit solchen schärfsten mitteln einer fast verletzenden satire arbeitet, klingt doch ebenso, wie sie artig eingeleitet war, zuletzt auch freundlich wieder aus; denn als der dichter - so wird man den geist- und phantasievollen träumer wohl nennen dürfen erwacht ist, lenkt er versöhnlich in die verse Adam's aus Milton's Paradise Lost, in das lob der Eva ein. Er schliesst mit der behauptung: »If Virtue in men is more venerable, it is in women more lovely,< und reiht sich damit unter die vorgänger der Schiller und Humboldt ein, in denen die idealistische bestimmung des würdigmännlichen und anmutig - weiblichen charakters im 18. jahr hundert ihren höchsten punkt erreichen sollte.

Der schöne rahmen dieser vision wurde im deutschen Patrioten von einem schmucklosen ersetzt. Ein freund des herausgebers benutzt nämlich ein kräuterkissen, das ihn in

den stand setzt, die am tage angesponnenen gedanken in der nacht weiter auszuführen. Er glaubt sich im traum von einer volksmenge umgeben, der recht und gerechtigkeit von der neuen göttin wiedergebracht ist. Er erhält karten von Europa, wo aller besitz rechtmässig verteilt erscheint und kommt. dann in den palast der königin selber, die manchen ehrenschild auf seine gültigkeit hin durchgesehen hat. Der träumende selber wird schliesslich in ämter und würden eingesetzt, die freunde beglückwünschen ihn schon, als ich durch einen ungestümen Nachtwächter beim Gerassel seines knallenden Instruments ungefähr um 4 Uhr morgens meiner Bedienung unglücklicherweise wieder entsetzet wurde«.

Die deutsche, matte fortbildung steht in jeder beziehung weit unter dem trefflichen englischen original: das poetische element, das in der alten vorlage den spott anmutig und mildernd umfloss, ist ausgelassen; anderseits hat aber auch die satire selbst alle schärfe verloren; der aufsatz des Patrioten, für ein künstlerisch und geistig lange nicht so vorgebildetes publikum berechnet, wie es der englischen wochenschrift zur verfügung stand, erscheint nur als eine sehr schwache wiedergabe des Tatler. Die ganze sphäre des deutschen traumes ist um einige grade unter die englische gesunken; denn es handelt sich dabei weniger um ein grosses sittliches gericht, also einen idealen vorgang, als um lauter materielle, kleine entschädigungen. Nichtsdestoweniger nahm der als German Spy verkleidete Engländer diese grobe hamburgische > Astraea‹ unter seinen schutz; sie wurde von ihm ohne jede umgestaltung weiter übersetzt. Es ist interressant, wie hier ein stoff, der, augenscheinlich in England entstanden, bereits mit starken ab weichungen nach Deutschland übertragen war, in dieser neuen form unerkannt wieder in die heimat zurückgeschafft wurde: die 1709 im Tatler angekündigte Astraea kehrt 1726 in Deutschland im Patrioten ein und 1738 durch den German Spy wieder nach England zurück.

Allerdings werfen diese thatsachen gerade kein günstiges licht auf die bildung unsers Engländers, dem ein solches stück seiner litteratur wie der aufsatz des Tatler gar nicht bekannt war; sonst würde er jedenfalls hier doch mit berechtigtem stolze, wie er es gelegentlich an einer andern stelle thut, auf den heimatlichen ursprung der allegorie hingewiesen haben.

Auch der herausgeber der briefe schweigt sich bei dieser gelegenheit aus.

4. Entlehnung des Patrioten aus dem Spy.

Wenn aber der Engländer häufig bei den Deutschen zu gast sass, so haben sich ihrerseits auch die patrioten einmal von ihm bewirten lassen; es ist gewiss bezeichnend für die harmlosigkeit des litterarischen verkehrs in jener zeit, wenn nun auch etwas aus den briefen des Spy, nämlich einige beobachtungen über Hamburg, in die deutsche wochenschrift zu nutz und frommen der Einheimischen überging, die ihre verhältnisse in neuer beleuchtung mit den augen eines ausländers sehen sollten.

Im sechsten stück behauptet nämlich der herausgeber des hamburgischen Patrioten1), bei einem spaziergang auf dem walle der stadt ein stück papier mit englischer schrift gefunden zu haben: »Vielleicht war einer von dieser Nation kurtz vor mir denselben Weg gegangen, der solches verlohren oder unversehens weggeschmissen hatte. Indem ich aber fand, dass es verschiedene anmerckungen über den Zustand und die Lebensart unserer Einwohner enthielt, steckte ich's zu mir, und übersetzte es zum Dienste meiner Leser, die Zweifelsohne nicht weniger neugierig sind, als ich, zu wissen, was Fremde von uns gedencken. Es scheinet der erste Aufsatz eines Briefes zu seyn, der von Hamburg aus an einen Freund in London geschrieben wurde, und lautet folgends:

Hamburg, den 6./17. Jan. 1724.

Mein herr!< u. s. w.

Der erste absatz des angeblichen briefes ist nun ein kurzer abriss von dem, was der Engländer im Spy über die stadt Hamburg geschrieben. Dann werden stellen aus dem 28. und 30. briefe des Spy über die kaufleute und über die frauen genauer übersetzt. Einiges aber ist neu hinzugefügt. Der brief bricht mitten in einem satze ab, dann fährt der herausgeber fort: So weit gehet mein aufgehobenes schreiben, welches ich desto lieber ganz zu haben wünschte, je lebhafter und natürlicher es ist. Ein geplänkel wider die ansichten des fremden schliesst sich an.

1) Einer der herausgeber des Patrioten hatte also die reisebriefe des Spyanonymus eingesehen; s. oben s. 220, anm. 1.

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