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Ph. Wagner, Lehr- und lesebuch der englischen sprache für den schul- und privatunterricht. Dritte, verbesserte und vermehrte auflage der Elementargrammatik des verfassers. Stuttgart 1901.

Das ziel und der zweck des vorliegenden buches ist eine möglichst rasche und erfolgreiche vermittelung der lebenden sprache nach einer methode, die sich aus den erfahrungen der neuzeit heraus entwickelt hat und mit dem fortschritt der wissenschaft in engster fühlung steht. Die zweckmässigkeit derselben ist jetzt über jeden zweifel erhaben und muss auch von den anhängern der älteren unterrichtsmethode als fruchtbringend anerkannt werden. Und wenn sie sich bis jetzt nicht einen breiteren boden erobert hat, so liegt dies nicht etwa an dieser selbst, sondern an der macht der tradition und weiterhin an den gesteigerten anforderungen, die sie an das wissen und die pädagogische fähigkeit des lehrers stellt. Sie legt die hauptarbeitslast auf die schultern des letzteren und schont den schüler. Der verfasser, der durch seine phoneti schen arbeiten wohl bekannt ist und jüngst die lehrerwelt mit einem recht praktischen büchlein über englische aussprache beschenkt hat (Die sprachlaute des Englischen), ist nicht etwa ein anhänger der extremen richtung, die aus dem anfangsunterricht im Englischen die muttersprache ganz verbannt wissen will und nur phonetische schrift verwendet. In verständnisvoller erkennung der schwierigkeiten und schattenseiten der unterrichtsweise der extremen reformer hat er einen mittelweg gefunden, so dass er sich die vorteile der neuesten methode zu nutze macht und doch mit der tradition nicht ganz bricht. Seine methode ist ein glücklicher kompromiss, bei dem erlernung der aussprache, aneignung der wichtigsten formen und eindringen in den wortschatz hand in hand gehen. Die abstrakte grammatik wird aus dem anfangs unterricht verbannt. Dem lernenden werden die wichtigsten formen an einfachen sätzen beigebracht. Hauptsache bei der einübung derselben ist die aussprache, die ja gerade im anfangsunterricht des Englischen eine so überaus wichtige rolle spielt. Zu diesem zweck ist die heutige aussprache des Londoner Englisch in phonetischer umschrift jeder zeile beigegeben, und zwar wird dies über mehr als hundert seiten des übungsbuches durchgeführt. Dem anfänger wird somit stets die thatsache vor augen gehalten, dass das schriftbild eines wortes und seine heute geltende aussprache zwei sehr verschiedene dinge sind. Wenn er die einzelnen laute, die der lehrer ihm natürlich zunächst vorsprechen muss, einmal be

waltigt hat und erkennt, was für zeichen in der phonetischen umschrift entsprechen, wird letztere ihm ein unentbehrlicher und sicherer führer bei seinen weiteren ausspracheübungen werden. Die benutzung einer transskription erleichtert den ausspracheunterricht ungemein und führt rasch zu sicheren resultaten. Kein lehrer des Englischen sollte sich die vorteile einer solchen entgehen lassen. Wegen seiner sorgfältigen und genauen aussprachebezeichnung scheint mir das Wagner'sche buch besonders schätzenswert. Die einzelnen worte sind jedes für sich transskribiert und nicht nach massgabe des satzaccentes zu gruppen zusammengezogen. Letzterer ist in vielen fällen ein für den ausländer ungreifbares etwas, das sich erst nach langem gebrauch von selbst einstellt und nicht von vorneherein gelehrt werden kann. Der verfasser hat sehr verständig gehandelt, indem er diesen faktor ganz aus dem spiel gelassen hat. Sein praktisches geschick hat er ferner in der auswahl des lehrstoffes dokumentiert. Nachdem die gewöhnlichsten formen in 26 lektionen an einzelnen sätzen eingeübt sind, folgen gedichte und zusammenhängende lesestücke in prosa, die dem kindlichen alter angepasst sind und nach ihrem inhalt und durch ihre bunte abwechslung das interesse der jugend wachzurufen geeignet sind. Auf anekdoten, fabeln, kleinere stücke unterhaltenden und belehrenden inhalts folgen dann grössere lesestücke aus der geschichte und über die kulturverhältnisse Englands, zwischen die auch wieder gedichte eingestreut sind. So wird auch stofflich das interesse des lernenden für die geschichte, das geistige und materielle leben der nation wachgerufen, um deren sprache er sich bemüht. Und je mehr unterhaltendes und anziehendes geboten wird, um so erfolgreicher wird der unterricht sein. Der zögling verlangt nicht allein belehrung in den langen stunden des schulunterrichts, er will auch unterhalten sein. Und gerade der neusprachler sollte durch geschickte auswahl des stoffes, durch eine unterrichtsart nach der methode der neuzeit am ersten in der lage sein, dem bedürfnis gemütlicher anregung seitens des schülers zu entsprechen. Dies ist eine seiner vornehmsten pflichten. Reiches und vielgegliedertes material für einen interessanten und anregenden unterricht findet er in dem Wagner'schen buche. Der verfasser zeigt, wie an dem hier gebotenen stoff die hauptdaten der formenlehre und syntax in systematischer ordnung klargemacht werden können. Vokabeln und regeln zu den einzelnen lektionen

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sind in dem dritten teile des lehr- und lesebuchs zusammengestellt, so dass eine genauere orientierung über die betreffenden grammati schen kapitel hier möglich gemacht wird. Diese einrichtung hat den vorteil, dass der schüler mit regeln nicht unmittelbar belästigt wird und der lehrer grössere freiheit in der behandlung des übungsstoffes hat. Die regel ist nicht eine von vornherein gegebene norm, deren zwang und autorität der übungsstoff sich fügen muss, sondern sie erscheint vielmehr als ein aus dem lesematerial gewonnenes resultat. Durch die unterrichtsmethode sowie die ein richtung des buches wird der schüler stets auf die thatsache hingewiesen, dass die regel etwas abgeleitetes und keine wesenheit für sich ist. Zeigt man ihm, wie man durch sorgfältige analyse des englischen textes nach irgend einem grammatischen gesichtspunkte hin diese gewinnt, so wird er erkennen, dass die erlernung der methode, dieselbe zu suchen, wertvoller ist als der besitz der regel selbst, und dass über der arbeit der gewinnung er sich diese am leichtesten dauernd aneignet. Die formulierung einer alle fälle deckenden regel ist etwas ungemein schwieriges, und auch der verfasser des vorliegenden buches hat diese crux des grammatikers sicherlich empfunden. Manchen regeln in dem dritten teile des buches möchte man eine noch etwas präcisere und schärfere fassung gönnen. Auch wäre es rätlich, alle archaischen formen und phrasen ganz zu vermeiden und auf keinen fall beispiele zu wählen, in denen sich nicht der gegenwärtige sprachstand widerspiegelt. In dieser beziehung wird eine weitere auflage noch reinigend wirken müssen. Über die notwendigkeit, nur die lebende sprache zu lehren, ist der verfasser ja mit mir einig. Alles, was im entferntesten an den ballast erinnert, den die älteren lehrbücher kritik- und vernunftlos mitgeschleppt haben, muss über bord geworfen werden. Mag der schüler lieber über die eine oder andere veraltete form, die ihm in der lektüre begegnet, in seiner grammatik keine auskunft finden, als dass er sich einbildet, dieselbe gehöre noch der lebenden sprache an. Auf sprechübungen legt der verfasser ver nünftigerweise einen grossen wert und beginnt mit denselben in der ersten unterrichtsstunde. Sie schliessen sich natürlich an das durchgenommene pensum an und können nicht leicht übertrieben werden. Sie sind das belebende element im unterricht und am meisten angethan, dem schüler einen wort- und phrasenschatz leicht und spielend zu vermitteln, der ihm jeden augenblick zur verfügung

steht, und dessen besitz das freudige streben in ihm wachruft, tiefer in die sprache einzudringen und die rudimentäre fähigkeit, einen gedanken in eine fremde form zu kleiden, weiter und reicher auszubilden. Übungen in der orthographie können mit erfolg in der klasse angestellt werden, indem man einen schüler sätze, die man ihm vorsagt, an die tafel schreiben und die übrigen korrigieren lässt. Bei einigem fleiss und geschick des lehrers ist es mit hilfe der neuen methode möglich, in den zwei ersten jahren den schüler von häuslichen arbeiten ganz zu befreien. Ihn auch späterhin mit solchen wenigst möglich zu belästigen und sie auf ein minimum herabzudrücken muss ein wesentliches ziel des neusprachlichen unterrichts der zukunft sein. Den tüchtigen und eifrigen lehrer der neueren sprachen wird man mit sicherheit daran erkennen, dass er auf häusliche arbeiten möglichst verzichtet und trotzdem das klassenpensum mit erfolg absolviert. Das lebendige wort des lehrers ist der dreh- und angelpunkt des neusprachlichen unterrichts und die sichere und imponierende beherrschung der lebenden sprache seinerseits die unerlässliche vorbedingung für raschen und sicheren erfolg bei dem schüler. Seine aufgabe ist, die fremde sprache in dem geiste des lernenden lebendig zu machen, und dies erreicht er am besten durch die mündliche verarbeitung des lesestoffs. Wagner's buch giebt anweisung, wie dieser durch frage und antwort zu behandeln ist. Auch diktate, memorieren, gelegentliche kompositionen scheinen ihm geeignet, dem lernenden die fremdsprachlichen gebilde näherzubringen. Übersetzungen aus

dem Deutschen hält er nur dann für erspriesslich, wenn das zu übersetzende stück aus dem englischen lesestoff hergestellt ist, so dass nur worte und formen vorkommen, in die der schüler sich durch vorausgegangene übungen an diesem bereits eingelebt hat. Auch hierin bekundet er ein erfreuliches verständnis für die forderungen der neuzeit. Ich zweifle nicht, dass das Wagner'sche buch in der neuen gestalt sich als ein sehr brauchbares hilfsmittel zur erlernung der englischen sprache erweisen wird. Die genaue und zuverlässige phonetische transskription eines grossen teiles des tibungsmaterials, die geschmackvolle und verständige auswahl des letzteren, die geschickte einteilung des lernstoffs sind seine hauptvorzüge. Das buch repräsentiert eine glückliche vereinigung von lesebuch und grammatik und wird hoffentlich viel dazu beitragen, den englischen unterricht in den schulen Württembergs, denn für diese ist es bestimmt, zu fördern und zu beleben. Mögen

vor allem die anhänger der alten methode sich mit demselben befreunden.

Tübingen, 31. Dezember 1900.

W. Franz.

F. J. Wershoven, Zusammenhängende stücke zum übersetzen ins Englische. Dritte verbesserte auflage. Trier, J. Lintz, 1900. 163 ss. Kl. 8°. Preis M. 1,35.

Derselbe, Hauptregeln der englischen syntax. Mit einem anhang: Synonyma. Zweite, verbesserte auflage. 47 ss. Im selben verlag, 1900. Kl. 8°. Preis M. -,60.

Der erste abschnitt der Zusammenhängenden stücke enthält deutschen lesestoff verschiedenen inhalts und soll, ins Englische übersetzt, zur einübung der formenlehre und syntax dienen. Der zweite abschnitt ist in ähnlicher weise der syntax gewidmet. Zu den übungsstücken der beiden ersten abschnitte sind in einem anhang die vokabeln angegeben. Der dritte abschnitt, der nahezu so umfänglich ist wie die beiden ersten zusammengenommen, trägt keine besondere überschrift.

Dass der grösstenteils nach englischen quellen bearbeitete übungsstoff vielfach englische verhältnisse behandelt, ist recht und billig; anzuerkennen ist auch, dass die übersetzung durchaus gutes Deutsch bietet. Im übrigen aber halte ich übersetzungen in die fremde sprache, wenigstens im mittelschulunterricht, für wenig er spriesslich. Wenn solche übungen nicht insgesamt unter der aufsicht eines tüchtigen lehrers vorgenommen werden, sind sie eine quelle von germanismen und andern fehlern. Allerdings giebt es, wie eine bemerkung auf der rückseite des titelblattes sagt, einen >> schlüssel«<, der aber nur an lehrer direkt von der verlagsbuchhandlung übersandt wird (preis M. 1,20). Der lehrer braucht also einen schlüssel, und der schüler soll die übersetzungen ohne eine solche hilfe machen! Wäre es nicht viel besser, man arbeitete zuerst die englischen texte, den »schlüssel«, mit den schülern durch und liesse dann in der schule rückübersetzungen ins Englische machen? Wenn solche rückübersetzungen über haus aufgegeben werden, müssen natürlich die »schlüssel« vorher abgeliefert werden.

Das zweite werkchen giebt kurz, klar und übersichtlich >Die hauptregeln der englischen syntax«. Die den regeln vorangestellten mustersätze sind gut gewählt; auf das Französische

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