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ist, wie es erscheint, das ist die Frage. 14) Also eine Frage war es, etwas das erst gesucht, d. h. nach dem skeptischen Sinne des Worts, das bezweifelt wurde"), war es, ob die Gegenståude so beschaffen seyen, wie sie uns erscheinen. Auch das bezweifelten die Pyrrhonier, ob überhaupt diesen Erscheinungen Gegenstände aus. fer uns correspondiren; vorausgeseßt aber auch, daß dem wirklich so wåre, so warfen sie den neuen Zweifel auf, ob uns diese Gegenstände nach ihrer wahren Beschaffenheit erscheinen, indem sie die vers. schiedene Erscheinungen derselbigen Gegenstände bey verschiedenen Personen und unter verschiedenen Um stånden einander entgegenseßten. Hieraus kann man mit Wahrscheinlichkeit schließen, daß die Pyrrhonier schon den Unterschied zwischen Objecten, wie sie an sich und wie sie in der Erscheinung beschaf fen wåren, zu machen wußten. Wie weit aber die Pyrrhonier die Skepsis getrieben haben, erhellt noch aus einem andern Umstande in der angeführten Stelle des Sertus. Er drückt sogar das zweifelhaft, mit dem skeptischen Wörtchen 100s, aus, ob jedermann Erscheinungen zugebe. Wir werden also hier abermals darauf geleitet, daß der ältere Ske

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14) περι μεν το φαινεσθαι τοιον η τοιον το υποκειμενον, εδεις ίσως αμφισβητει περί δε το, ει τοι τον εξί, όποιον Φαίνεται, ζητείται. $. 5. I, II.

15) Daher hieß die ganze Skepsis Zyrytiny 1, 3. Daher heißt autos unzweifelhaft 1, 11.

pticismus kein System, sondern eine Kunst war 16).

Die Definitionen des Skepticismus, die wir bisher angeführt und beurtheilt haben, leiten auf das Resultat, daß man, wenn man ihn als Denkart oder System betrachtet, verschiedene Gattungen desselben unterscheiden könne und müsse: denn nichts von all dem, was die angeführten Verfasser Skepticismus nennen, ist dieses Namens ganz unwerth. Am richtigsten stellt man sich wohl diese verschiedene Gattungen vor, wenn man sie als Grade denkt, die in größerer oder kleinerer Entfernung von dem Ideale des allgemeinen Skepticismus liegen. Dieß Ideal ist in keiner Menschenseele erreichbar; damit es aber realisirt werden könne, so kann man entweder mehr oder weniger von demselben hinwegnehmen, oder da es etwas Leeres etwas Negatives ist, mehr oder weniger zu demselben hinzufezen. Also der erste oder. niedrigste Grad des Skepticismus wåre der, wenn : man Erscheinungen, Thatsachen des Bewußtseyns zugesteht, die unwiderstehlich zum Beyfall und Handeln nöthigen übrigens sonst alles für zweifelhaft erklärt. Ein zweiter Grad wåre der, wenn man die subjective Wahr

16) Auch Diogenes IX, 78. erklärt ihn so:

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ESIV ἂν ὁ πυρρώνειος λογος μνημη (vielleit μηνυσις) τις τις των φαινομένων η των όπωσαν νουμένων, μαθ ̓ ἣν παντα πασι συμβάλλεται, και συγκρινομένα πολλην ανα Φελειαν και ταραχην εχοντα εὑρισκεται,

Wahrheit zugesteht, und alle objective. Wahrheit bezweifelt, die Objecte mögen nun durch die Sinne oder die Vernunft vorstellbar seyn. Da aber die subjective Wahrheit entweder bloß in der Uebereinstimmung unserer Gedanken unter sich, oder in der Uebereinstimmung unserer Vorstellungen mit den Thatsachen des Bewußtseyns, oder in beiden bestehen kann, so ist von sich selbst klar, daß dieser Grad wieder verschiedene Grade zu lasse, je nachdem man entweder mehr oder weniger von der subjectiven Wahrheit zugesteht. Ein drit ter Grad des Skepticismus wåre der, wenn man von einem dogmatischen leugnen der Ueberein stimmung unserer Vorstellungen mit der wahren Be schaffenheit der Objecte auffer uns ausgienge und auf dieses Leugnen ein Bezweifeln der objectiven Wahrheit gründete. Auch dieser Grad kann wieder verschiedene andere Grade haben, je nachdem entweder alle Ule= bereinstimmung unserer Vorstellungen mit den Obz jecten oder nur ein Theil derselbigen geleugnet wird, je nachdem man z. E. den Körpern nur die qualitates fecundarias ober auch die primarias abspricht

die Kenntniß der Gottheit an sich ihrem Wesen nach, oder auch in ihrer Beziehung auf uns leugnet. Ein vierter Grad von Skepticismus wåre der, wenn nicht die Möglichkeit der objectiven Wahrheit für uns, sondern nur die Wirklichkeit der erkannten objectiven Wahrheit geleugnet wird, aber so, daß man hofft, die Philosophie werde vielleicht einmal noch bestimmen können, was

die Dinge an sich seien. Insofern kann man den hoffnungslosen und den hoffenden Ske. pticismus unterscheiden. Diese Gattung grenzt von der einen Seite an den vollendeten Skepticismus der Alten, von der andern an den Dogmas tismus. Die alten Skeptiker stellten sich als solche dar, welche die Wahrheit suchen, ließen also die Hoffnung übrig, daß sie vielleicht einmal gefunden werden könne. Hingegen unters scheiden sie sich doch dadurch, daß sie nicht schlechthin leugneten, daß etwas von objectiver Wahrheit bereits entdeckt sey, und daß sie ihre Zweiz fel nicht bloß auf die objective Wahrheit einschränkten. Jene Gattung grenzt also schon aus diesem Grunde an den Dogmatismus, aber ausserdem noch deswegen, weil dabey die Ueberzeugung zum Gruns de liegt, von der jeder auch nur etwas vorsichtige Dogmatiker bei Untersuchung der Wahrheit ausgehen wird, daß man so nach ihr forschen müsse, wie wenn sie noch gar nicht entdeckt wåre und daß man sein Urtheil bis zur vollendeten Untersuchung zurückhalten müffe. Eben so ließen sich nun noch mehrere Grade des Skepticismus in größerer oder kleines rer Entfernung vom Ideale desselben denken. Wenn man eigensinnig darauf beharren wollte, daß nur eine gewisse bestimmte Denkart diesen Namen verdie ne, so würde man der Natur der Sache widerspre= chen, und eine Geschichte des Skepticismus wo nicht unmöglich, doch so dürftig und uninteresfant machen, daß sie kaum die Mühe der Bearbei

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tung verdiente.

Die skeptische Denkart hat ihrer

Natur nach etwas Unstetes und Schwankendes, und diese Eigenschaft hat sie in dem Grade, daß selbst der åchte philosophische Skeptiker, der von bestimm ten und festen Grundsäßen ausgeht, sich oft am Ende geneigt fühlt, selbst jene Grundsäze zum Gegens stande des Zweifels zu machen.

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Wir haben bisher verschiedene Gattungen des Skepticismus als verschiedene Denkarten in dem menschlichen Gemüthe unterschieden. Man kann noch andere Gattungen desselben unterscheiden, wenn man auf die verschiedene Quellen und auf die verschiedene Gegenstände desselben Rücksicht nimmt. Von jenen werden wir in dem folgenden Abschnitte besonders reden, über diese wollen wir hier noch einige Bemerkungen machen.

1

Die Gegenstände des Skepticismus können, eben so verschieden seyn, als die Gegenstände der menschlichen Erkenntniß überhaupt und die Geschichte lehrt, daß keiner derselben vom Skepticismus unangetastet geblieben ist. Aber eben diese Lehrerin gibt auch das Resultat, daß der Skepticismus von jeher am meisten unmittelbar gegen die Philosophie und in dieser am meisten gegen denjenigen Theil derselben gerichtet war, welcher die Objecte des Denkens auffer unsern Vorstellungen betrifft. Eine solche Art des Angriffs konnte zugleich dazu dienen, die Gründe aller Wissenschaften ohne Unterschied zu erschüttern. Wenn der Skeptiker auch die formale Wissens

schaft,

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