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sich so: „Alle Zweifel betreffen entweder das Daseyn der Objecte selbst und ihrer Beschaffenheiten oder die Verknüpfung derselben; und alle gründen sich entweder auf die nothwendige Unzulänglichkeit unsers Erkenntnißvermögens, allgemeine und nothwendige Beschaffenheiten der Objecte zu erkennen oder auf die, zufälligen subjectiven Einschränkungen desselben, so daß alle Urtheile des Skepticismus unter folgenden Formeln enthalten sind: 1) Man kann nicht wissen, ob von uns und unsern Modifikationen verschiedene Objecte wirklich sind und ob fie in einer solchen Verknüpfung stehen, als wir uns dieselbe vorstellen, weil es ganz unmöglich ist, daß Verstand oder Sinne oder beide zugleich uns darüber belehren können. 2) Man kann nicht wifsen, ob die Gegenstånde so beschaffen und so verbunden sind, wie wir sie uns vorstellen, weil unsere Erkenntnißvermögen (Sinne und Verstand) nach der Erfahrung ganz unzuverlässig sind, und das Vermögen, welches das andere berichtigen soll, immer selbst wieder einer Berichtigung bis ins Unendliche nöthig hat, wobei also niemals ein vollkommener Grad der Gewisheit möglich ist. Der Skepticismus der erstern Art ist ein reines dogmatisches Gebäude. Er sucht aus dem Begriffe des Erkenntnißvermögens selbst die Unmöglichkeit einer Erkenntniß der Objecte darzuthun, und wird also auf Grundfaze a priori gebaut. fänglich ganz empirisch.

Die zweite Art ist an-
Häufige Beobachtungen

über

über die Schwäche und Trüglichkeit der Erkenntnißfråfte einzelner Subjecte reizen zur Bedachtsamkeit und Behutsamkeit im Urtheilen. Diese macht, daß man sich nach allgemeinen Principien und Kriterien der Wahrheit umsieht, und wenn man solche nach vielem Bemühen nicht finden kann, so entstehen Zweifel, ob die Erkenntnißkräfte des Menschen übers all zureichen, sie zu finden, und nachdem man alle, seiner Einsicht nach, mögliche Wege, sie zu erfor schen, umsonst versucht hat; so kommt man endlich dahin, zu behaupten, daß das menschliche Erkenntnißvermögen sie gar nicht ausfindig machen, also auch gar nicht mit gänzlicher Gewisheit über Objecte urtheilen könne. Beide kommen also auf verschiedenen Wegen zu Einem Ziele, obgleich der leztere nie so weit kommen könnte, wenn er sich nicht mit dem erstern zulezt darinn vereinigte, daß es unmöglich wäre, daß unser Erkenntnißvermögen mit Gewisheit Objecte erkennen könnte. Dieß ist aber eine transcendentale Behauptung und kann daher nicht anders, als a priori aus der Natur des Erkenntnißvermögens erwiesen werden. Denn wenn man auch noch so viele Schwächen an den Erkennt nißvermögen in der Erfahrung bemerkte, so könnte man doch daraus nie auf die gånzliche Unmöglichkeit einer gewissen Erkenntniß der Objecte schliessen. Daher beruht im Grunde aller Skepticismus auf der Behauptung, daß für unser Erkenntnißvermögen alle objective Kenntniß unmöglich sei, und die häufigen Irrthümer und Tâu

schun

schungen, die sich als Facta anbieten, braucht man nur als Zeugnisse, das Råsonnement a priori, ju bestätigen; denn, wenn sie auch zum Beweise nicht tauglich sind, so leisten sie doch bei der Ueberredung vortrefliche Dienste. Da nun unser Erkenntnißvermögen, sofern es uns mit Objecten und deren Verknüpfung bekannt macht, entweder Sinn oder Verstand ist, so suchen die Skeptifer aus der Natur beider darzuthun, daß sie uns un möglich mit Objecten bekannt machen können. Ihr alleiniger Grund beruht nun darauf, daß alle Erkenntnißvermögen es nur mit Vorstellungen zu thun haben, daß Vorstellungen nie die Objecte selbst sind, und daß kein vernünftiger Grund da sen, von den Vorstellungen auf die Beschaffenheit der von den Vorstellungen ganz verschiedenen Objecte zu schließen, und gar vorauszusezen, daß die Objecte an sich gerade so beschaffen wåren, wie unsre Vorstellungen von denselben beschaffen sind.

Die Skeptiker sind nicht so thöricht, die sich ihnen aufdringende Ueberzeugung der Sinne leugnen zu wollen, fie leugnen nicht, daß sie die Sinnenwelt und ihre Empfindungen und Be* griffe eben so gut wahrnehmen, als wir; aber daß sich unsre Ueberzeugungen durch die Vernunft rechtfertigen lassen, das leugnen sie nur. Sie leiten den Glauben und die feste Ueberzeugung von der Gewohnheit oder von der unmittelbaren Einwirkung der Gottheit oder von andern Dingen her; und es hat nicht wenig sehr B eifri

eifrige Theologen gegeben, welche eine mächtige Stüße des Glaubens in dem Skepticismus zu fine den vermeinten und sich einbildeten, daß kein philosophisches System mit der christlichen Theologie besser harmonire, als der Skepticismus, da durch denselben die Schwäche der Vernunft so einleuchtend dargethan werde. Man darf nur an Berkeley und Huet denken.

Aller Skepticismus gründet sich zuleht auf die Behauptung, daß sich die allgemeinen Principien nicht durch Vernunftgründe erweisen laffen. Denn die Vernunft kann keine Ueberzeugung hervorbringen, als nur dadurch, daß sie den Zusammenhang eines Urtheils mit einem unbezweifelten Principio einsieht. Nun leugnet aber der Skepticismus die Vernunftgewisheit der allgemeinen Grundsäze, folglich auch der Såze, die von ihnen abhängen d. h. aller Urtheile überhaupt. Die Gewisheit also, welche wir mit unsern Urtheilen verknüpfen, stammt niemals von der Vernunft ab. Wenn wir die allgemeinen Principien und Grundsåze aus Vernunftgründen rechtfertigen wollten, so müßte es entweder a priori oder a posteriori geschehen. A priori ist es nicht möglich: denn allgemeine Säze a priori müßten Angeborne Såze seyn, ob fie aber mit den Objecten übereinstimmen, könnte doch nicht a priori erkannt werden. A pofteriori ist es noch weniger möglich, weil die Erfahrung keinen allgemein nothwendigen Saz

erzeu

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erzeugen kann. Der Skeptiker erlangt seine ganze Stärke dadurch, daß er die Möglichkeit aller objectiven Erkenntniß a priori leugnet, und seinen mächtigsten Grund für diese Behauptung findet er in dem Saze: „daß alle reale und objective Erkenntniß zulezt aus der Empfindung entspringt. Mit ihm ist die Unmöglichkeit allgemeiner Grundsäze nothwendig verbunden, und nachdem, vermittelst desselben, alle Principien für ungültig und ungewiß erklärt sind, zerstört er zuleht auch sich selbst, zum Beweise, daß gar nichts aus Vernunftgründen gewußt werden könne, als das einige, daß man nichts wisfen könne. Diese lehrreiche Beschreibung des Skepticismus, die nicht kürzer angeführt werden. konnte, wenn wir verständlich werden wollten, möchte nur Folgendes zu wünschen übrig lassen. Es ist eigentlich nur Beschreibung des Humischen Skepticismus, der sich dem Dogmatismus nåhert, auf den åltern paßt sie nicht. Es ist wahrer Dogmatismus, zu behaupten, daß für unser Erkenntnißvermögen alle objecti ve Kenntniß unmöglich sey-ein Saz, der in der That so viel Einsicht in die Natur unsers Erkenntnißvermögens vorausseßt, als sich der åchte Skeptiker nie anmaßen wird. Er wird die Möglichkeit, daß Objecte außer uns existiren, eben sowohl zugeben, als die andere, daß unfere Erkenntniß mit denselben harmonire, und daß nicht mehr und nicht weniger in denselben entB 2 halten

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